Interview mit Prof. Udo Steinbach
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"...Dass Trump ganz unbeschädigt davon kommt, ist eher unwahrscheinlich. Und wenn das weiter eskaliert, je nachdem in welche Richtung die Untersuchungen in Washington gehen, dann ist es nicht unrealistisch zu erwarten, dass Trump ein Schicksal wie Richard Nixon geschehen wird"
(last modified 2025-03-07T11:11:43+00:00 )
Jun 15, 2017 10:20 Europe/Berlin
  • Interview mit Prof. Udo Steinbach

"...Dass Trump ganz unbeschädigt davon kommt, ist eher unwahrscheinlich. Und wenn das weiter eskaliert, je nachdem in welche Richtung die Untersuchungen in Washington gehen, dann ist es nicht unrealistisch zu erwarten, dass Trump ein Schicksal wie Richard Nixon geschehen wird"

Parstoday: Herr Prof. Steinbach, mit Donald Trump haben wir einen unberechenbaren Präsidenten in den Vereinigten Staaten. Er saß noch nicht richtig im Sattel, als er einige Dekrete unterschrieben hat. Fangen wir Herr Prof. Steinbach mit der politischen Weltanschauung Trumps an: Wo ist er politisch einzuordnen?

Steinbach: Also ich glaube das ist sehr schwierig zu sagen. Es gibt einen Satz von ihm, der eigentlich alles erklärt, nämlich dass er alles tut, um Amerika wieder groß zu machen. Also sein Rum, Sein Ruf "America First". Darum geht es ihm. Er leidet am Niedergang Amerikas, am ökonomischen Niedergang. Die Leute, die sozusagen abgerutscht sind gesellschaftlich,  haben ihn an die Macht gebracht. Und nun glaubt er eben tatsächlich,  Amerika wieder groß zu machen. Ein Konzept wie das erfolgreich zu machen wäre, hat er nicht.

Parstoday: Herr Prof. Steinbach, nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch in der Innenpolitik hat er sich viele Gegner geschaffen. Denken Sie etwa an Obamacare oder die Art und Weise, wie er mit seinen Gegnern oder sogar mit seinen Freunden umgeht, z.B. wie er etwa den früheren FBI-Chef Comey aus dem Weg geräumt hat. Braucht er die amerikanische Öffentlichkeit nicht?

Steinbach: Naja, nach allen Umfragen, die wir kennen, ist er zwar abgerutscht und seine Umfragewerte sind ziemlich mau, aber erstmal hat er überhaupt kein Schuldbewusstsein. Also er hat ein Selbstbewusstsein, das ihm sagt, dass er immer recht hat. Und zweitens nicht ein unbeträchtlicher Teil der republikanischen Wählerschaft steht noch immer hinter ihm. Ich glaube,  wir sehen ihn zwar jetzt schon in gewisser Weise im Niedergang. Wir argwöhnen, dass da einige Leichen im Keller sind, die früher oder später herausgeholt werden. Aber im Augenblick können wir nicht erkennen, dass er irgendwo Abstriche macht,  an seiner Persönlichkeit, an seinem Ziel. Und das letzte,  was er ja eben mit großem Nachdruck durchgesetzt hat, ist die Kündigung des Pariser Klimaabkommens. Also,  er scheint geschwächter. Wie Sie sagen,  er kämpft teils gegen seine eigenen Leute. Aber von seiner politischen Linie dieses "America First", was immer das bedeutet, ist er bisher nicht abgerückt.

Parstoday: Herr Prof. Steinbach, seine Beziehungen zu den europäischen Partnern sind auch nicht rosig. Bei dem jüngsten G7-Gipfel in Italien ist er sogar so weit gegangen, dass Frau Merkel, die sonst nicht aus der Ruhe gebracht wird, gesagt hat, Europa muss seinen eigenen Weg gehen. Also was wird aus den amerikanisch-europäischen Beziehungen unter Trump?

Steinbach: Also,  im Augenblick ist man natürlich um Schadensbegrenzung bemüht. Sie haben auf die Bundeskanzlerin angespielt. Ich denke,  man wird alles tun,  um sozusagen, nicht ganz grundsätzlich das europäisch-amerikanische oder das deutsch-amerikanische Verhältnis zu beschädigen. Man wird also versuchen,  irgendwie über die Runde zu kommen und den Schaden zu minimieren. Aber natürlich, der Mann ist an der Macht, und er hat seine Konzepte, oder eben keine Konzepte. Und wie wir gesehen haben, er ist durchaus auch Kampfbereit. Er nimmt auch den Ball auf, den die Bundeskanzlerin ihm zugespielt hat. Er will den Einfluss der deutschen Wirtschaft in Amerika schwächen. Er will die deutsche Wirtschaft insgesamt schwächen. Mal sehen,  was ihm dazu einfällt. Und dann das Klimaabkommen,  auf das ich gerade angespielt habe. Also,  wir sind in einer sehr komplexen Situation. Auf der einen Seite macht der Mann einen riesen Schaden, auf der anderen Seite muss man schon sozusagen über seine Ära hinaus denken und sagen, irgendwie muss das europäisch-amerikanische Verhältnis so bleiben, dass es nicht dauerhaft geschädigt wird. Auf der anderen Seite - und das ist ein wichtiger Punkt,  den Sie gemacht haben - ist das klar, dass Europa sich neu erfinden muss, auch sicherheitspolitisch. Wie immer die amerikanisch-europäischen Beziehungen aussehen werden - ich hoffe sie bleiben einigermaßen gut - aber klar ist, dass Amerika auf dem Rückzug ist, und dass Europa,  was seine Sicherheit betrifft, was seine Verteidigung betrifft, irgendwo ein neues Format suchen muss, möglicherweise auch außerhalb der Nato. Weil man eben á la longue, Trump hin und Trump her, nicht mehr auf die enge Allianz und den engen Beistand Amerikas rechnen kann, wenn es z.B. um innereuropäische Auseinandersetzungen z.B. mit Russland geht.

Parstoday: Herr Prof. Steinbach, was hat er davon, wenn er versucht,  die deutsche Wirtschaft zu schwächen. Das ist ein Punkt, den  Sie gerade in Ihren Ausführungen erwähnt haben.

Steinbach: Ja, das ist ganz simple. Er denkt,  die deutsche Wirtschaft ist stark, sie ist auch deswegen so stark und erfolgreich, weil sie in Amerika Geschäfte macht. Das widerspricht seiner Überzeugung "America First". Deutschland wird also - wenn Sie so wollen - als eine Kolonialmacht in Amerika wahrgenommen von Trump und seinen Leuten. Also muss man sehen, dass man die deutsche Wirtschaft schwächt mit dem Ziel,  die amerikanische Wirtschaft zu stärken. Dass das am Ende nicht aufgehen kann,  ist wahrscheinlich, aber soweit denkt er nicht. Er handelt eben doch sehr stark aus dem hohlen Bauch aus, aus einem Gefühl heraus,  nun wieder etwas tun zu müssen, um jeden Preis. Welchen Preis er am Ende bezahlen muss, das sieht er im Augenblick noch nicht.

Parstoday: Herr Prof. Steinbach, wie schätzen Sie seine Nahostpolitik ein, angesichts der Tatsache, dass er seine ersten Auslandsreise als US-Präsident in Saudi-Arabien gemacht hat. In einem Land, das alles andere als demokratisch ist.

Steinbach: Also,  ich denke,  das ist ein Erfolg saudischer Lobby-Arbeit. Und wenn Sie bedenken, dass da Abschlüsse gemacht worden sind, was amerikanische Waffenlieferungen betrifft, in der Größenordnung von 110 Milliarden Dollars. Dann können Sie ja messen, "America first", dann geht man eben erst einmal dorthin, wo man wahrgenommen wird. Wo man sozusagen auch Erfolg haben kann, auch materiellen und finanziellen Erfolg. Also,  ich sehe das nicht unbedingt als eine Rückkehr Amerikas in den Nahen Ost. Nein,  ich sehe das sehr pragmatisch und ich denke,  auch Trump hat das sehr pragmatisch gehandelt. Die Saudis haben es auch sehr pragmatisch gehandelt. Allerdings wird man zweifeln müssen, ob dieser Deal von 110 Milliarden Dollar, die Saudis weiterhin stabilisieren wird. ganz im Gegenteil. Ich glaube,  dass damit eine Destabilisierung gegeben ist, früher oder später. Das würde ich nicht allzu sehr veranschlagen.

Die Frage ist eher politisch. Wird trump sich was Iran betrifft, das iranisch-saudische Verhältnis und die Rolle Irans in der Region, wird er sich da mit den Saudis ins Bett legen? Wird er sich mit den Israelis ins Bett legen? Die Israelis und die Saudis sind ja, was Iran betrifft,  im Augenblick sehr eng miteinander. Wird es sogar vielleicht zu einer militärischen Auseinandersetzung eskalieren? Also,  da sind Fragen gestellt, die wir jetzt nicht beantworten können. Im Großen und Ganzen muss man sagen, auch was Israel betrifft, hat er ja etwas zurückgerudert. Die amerikanische Botschaft wird nicht heute oder morgen von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Ich habe auch das Gefühl, dass nach den Wahlen in Iran, der Wiederwahl von Präsident Rohani, dass auch da in Washington nicht mehr der ganz große Ehrgeiz da ist, einen Konflikt mit dem Iran vom Zaun zu brechen. Und dass man hier auch im Sinne des "America first" einmal abwartet, ob man nicht mit den Iranern wieder ins Geschäft kommen kann.

Parstoday: Herr Prof. Steinbach, worauf soll sich die Welt unter Trump einstellen.

Steinbach: Naja am besten, diejenigen, die halbwegs vernünftig miteinander auskommen, die sollten enger zusammenrücken. Das bezieht sich insbesondere natürlich auf Europa. Und ansonsten denke ich, man muss erstmal zuwarten. Wir wissen einfach noch nicht worauf der man hinaus will. Ein Konzept hat er nicht. Er hat einflussreiche Berater. Die sind aber auch teilweise gegensätzlich. Also, ich denke einmal, man ist gut beraten eher gelassen zu reagieren im Augenblick, und zu sehen, wo es hingeht, und den ganz großen Schaden in den Beziehungen zu Amerika zu unterlassen, in der Hoffnung, dass möglicherweise früher oder später tatsächlich ein Impeachment gegen Trump in Gang gesetzt wird.  Denn irgendwie ahnen wir ja doch, dass in dem muss Verhältnis mit Russland mehr ist - ich habe vorhin von der Leiche im Keller gesprochen - mehr geschehen ist, als an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Bisher sind es einige Berater von Trump gewesen, denen die Beziehungen zu Russland offenbart worden sind. Dass Trump ganz unbeschädigt davon kommt, ist eher unwahrscheinlich. Und wenn das weiter eskaliert, je nachdem in welche Richtung die Untersuchungen in Washington gehen, dann ist es nicht unrealistisch zu erwarten, dass Trump ein Schicksal wie Richard Nixon geschehen wird.

Parstoday: Vielen Dank Herr Prof. Steinbach für diese Einschätzungen.

 

 

Das Interview wurde geführt von: Seyyed-Hedayatollah Shahrokny