Beschuss von Städten macht Hoffnung auf Waffenstillstand im Südkaukasus zunichte
Stepanakert (AFP/PressTV) - Armenien und Aserbaidschan haben sich gegenseitig beschuldigt, zivile Gebiete heftig bombardiert zu haben und einander für die Eskalation der Zusammenstöße in den vergangenen zwei Wochen verantwortlich gemacht, was die Hoffnung auf einen von Russland vermittelten Waffenstillstand zunichtemacht.
Das aserbaidschanische Außenministerium teilte am Sonntag auf Twitter mit, dass bei Angriffen über Nacht auf ein Wohngebiet in der zweitgrößten Stadt Ganja mindestens 7 Menschen getötet und mehr als 30 weitere verletzt wurden, darunter auch Kinder.
„Neuer nächtlicher Raketenangriff von armenischen Streitkräften auf Wohngebiet in Ganja, der zweitgrößten Stadt von Aserbaidschan. 7 Tote 33 Verwundete, darunter auch Kinder“, hieß es auf Twitter.
Der Angriff erfolgte weniger als 24 Stunden, nachdem der Waffenstillstand in Kraft treten sollte.
AFP berichtete, wie Retter in roten Helmen mit bloßen Händen durch Trümmerhaufen gruben, um nach Anzeichen von Überlebenden in Ganja zu suchen.
"Sie holten einen fast nackten Körper und steckten ihn vorsichtig in einen weißen Sack, um ihn mit einem Krankenwagen wegzubringen, während mehrere entsetzte Bewohner zuschauten und weinten", berichtete die Nachrichtenagentur.
Ein Zeuge sagte, sie seien von einer gewaltigen Explosion geweckt worden, die in den frühen Morgenstunden einen ganzen quadratischen Block ein- und zweistöckiger Häuser in Trümmern legte und neun Wohnungen zerstörte.
"Alles, was ich mein ganzes Leben lang verdient habe, wurde zerstört", sagte der 68-jährige Einwohner Zahit Aliyev gegenüber AFP.
Die Generalstaatsanwaltschaft Aserbaidschans sagte, die armenischen Streitkräfte hätten am Sonntagmorgen einen Raketenangriff gegen die Stadt Mingecevir gestartet, die sich völlig außerhalb der Konfliktzone befindet.
Der Angriff auf die Stadt, in der sich das größte Wärmekraftwerk im Südkaukasus befindet, wurde von aserbaidschanischen Luftverteidigungskräften abgewehrt, teilte das Büro mit.
Das armenische Verteidigungsministerium wies die Anschuldigungen als "absolute Lüge" zurück und beschuldigte Baku, weiterhin besiedelte Gebiete in Karabach, einschließlich der Hauptstadt der Region, Stepanakert, zu bombardieren.
Situation 'ruhiger' in Stepanakert
Trotz alledem bezeichnete der Führer der umstrittenen Region Karabach die Feindseligkeiten am zweiten Tag des Waffenstillstands als ruhiger, sagte jedoch, der Waffenstillstand sei prekär.
"Es scheint, dass es seit heute Morgen ruhiger ist, aber das kann sich sehr schnell ändern", zitierte AFP Arayik Harutyunyan in Stepanakert.
Die Vereinbarung, die Feindseligkeiten abzubrechen, um Gefangene und die nach zweiwöchigen Kämpfen getöteten Leichnamen auszutauschen, wurde von den Außenministern Armeniens und Aserbaidschans in Marathon-Gesprächen in Moskau gebilligt.
Ein hochrangiger aserbaidschanischer Funktionsträger sagte am Samstag, der Waffenstillstand sei nur "vorübergehend", und Baku habe "keine Absicht, seine Bemühungen um die Rückeroberung von Karabach einzustellen".
Karabach ist international als Teil Aserbaidschans anerkannt, steht jedoch momentan unter der Kontrolle der armenischen Separatisten, die von Armenien seit 1992 unterstützt wurden, als sie in einem Krieg, in dem rund 30.000 Menschen ums Leben kamen, sich von Aserbaidschan trennten.
1994 wurde ein Waffenstillstand eingeführt und Frankreich, Russland und die USA - bekannt als „Minsk Group“ - wurden beauftragt, eine dauerhafte Lösung des Konflikts zu finden.
Aber seit Jahrzehnten ist es der Gruppe nicht gelungen, temporäre Ausbrüche von Kämpfen zu stoppen und vier UN-Resolutionen umzusetzen, in denen gefordert wird, dass die Streitkräfte die besetzten Gebiete verlassen und sie Aserbaidschan übergeben sollen.
Der jüngste Kampf war der schwerste seit dem Krieg in den 1990er Jahren. Mehr als 450 Menschen wurden als tot gemeldet, Tausende mussten aus ihren Häusern fliehen und befürchten, dass die Kämpfe zu einem verheerenden Konflikt führen könnten.
Die Zusammenstöße haben auch die Besorgnis über die Sicherheit von Pipelines erhöht, die aserbaidschanisches Öl und Gas nach Europa transportieren.