Symbolik und Epik der Aschura-Kunst
In diesem Beitrag über die Aschura-Kunst wollen wir, anlässlich des Monats Muharram und der Trauertage zur Erinnerung an den Märtyrertod von Imam Hussein -a.s- und seine Gefährten, die Ereignisse von Kerbala aus der Perspektive der Volkskunst sowie aus der Sicht von Künstlern in den Bereichen bildende und darstellende Kunst und Musik betrachten; eine Perspektive, die uns dieses besondere Ereignis mit einem symbolischen Ansatz und in epischer Dominanz zeigt.
Aschura als eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des Islam beinhaltet einzigartige Themen, um Kreativität, Vorstellungskraft und grafische Darstellung in Theater und ritueller Kunst anzuwenden. Künstler verschiedener Kunstrichtungen, von fantasievoller Malerei bis zur rituellen Darstellung, haben dieses Ereignis sehr gut manifestiert. Aber tatsächlich hat dieses historische Ereignis die verschiedenen Schichten der islamischen Kultur im Laufe der Zeit überschritten. Es hat sich von einem bloßen historischen Ereignis zu einem Mythos entwickelt.
Die Aschura-Kunst ist ein Zweig der islamischen Kunst, der mit dem Aufkommen der Liebe zu den Imamen und der Treue zu Imam Ali -a.s.- und seinen Kindern, zunächst in Form religiöser Darstellungen - Ta'ziyeh - ihres Lebens, ihrer Taten und ihres Martyriums begann.
Ausschnitt aus dem Passionsspiel Ta`ziyeh
Die meisten Themen im Zusammenhang mit den größten Ereignissen in der Geschichte des Islam, die zum Motiv für religiöse Theaterstücke und Gemälde wurden, stammen aus literarischen Quellen und authentischen Überlieferungen wie dem Buch 'Rouzat al-shohada' (Klagelieder für die Märtyrer). Seit fast 250 Jahren versammeln sich die Anhänger des Prophetenenkels Imam Hussein -a.s.- jedes Jahr zur Zeit der Ereignisse in Kerbala bei Trauerzeremonien, Trauerzügen und Vorträgen von Klageliedern 'Rouzat' , um ihm erneut ihre Hingabe und Liebe zu zeigen und ihren Treueeid gegenüber den Idealen und Zielen des Fahnenträgers der menschlichen Freiheit und des wahren Islam zu erneuern.
In der Mitte des 12. Jahrhunderts wurde die darstellende und moderne Form der Aschura-Kunst mit Illustrationen auf Leinwänden, die als Fantasiemalerei bezeichnet werden, in der Form von Kaffeehaus-Gemälden geschaffen. Ab der Kadscharen Ära (Beginn Ende des 18. Jahrhunderts) änderte sich der Umgang mit der Aschura-Kunst, und die Wertschätzung dieses Ereignisses bei der Darstellung in verschiedenen Kunstformen breitete sich auf viele Gesellschaftsschichten aus. Malereien auf Leinwänden, die zum Teil auch von schweren oder leichten Fahrzeugen gezogen wurden, Glasmalerei, Wandmalerei sowie in einigen Fällen die Herstellung symbolischer Elemente wie Flaggen und Standarten, sind Beispiele, die unter dem Einfluss des Aschura-Ereignisses entstanden und verschiedene Bereiche davon präsentieren.
Der epische Aspekt der bedeutenden Aschura-Ereignisse in der islamisch-iranischen Kunst und die Darstellung der Religion in der Kunst und ihre Vermischung im Laufe der Geschichte ist derart verbreitet, dass in den meisten iranischen Kunstwerken Spuren davon zu sehen sind. Erzählungen und religiöse Gemälde mit einem besonderen Stil veranschaulichen die Bedeutung, die iranische Künstler dem Aschura-Ereignis im Laufe der Jahrhunderte auf künstlerische Weise beigemessen haben.
Aschura und Muharram können als das nachhaltigste und einflussreichste historische Ereignis des schiitischen Islams angesehen werden, Szenen voller Allegorien und Symbolen, die nach dem Vermischen mit der iranischen Kultur auch mit Farben versehen wurden. Die grünen Lichter der Kronleuchter in den Tekiyehs und Husainīyas (also den Orten, an denen schiitische Muslime sich versammeln, um den Ereignissen von Kerbala zu gedenken), die gelben, grünen und roten Straußfedern, und die großen Fahnen, die an den Wänden hängen, zeigen, wie die Iraner den verschiedenen Trauerelementen gelungen Farbe verliehen haben.
Das Aschura-Epos wird in kleinen und großen Städten und Dörfern Irans und von den unterschiedlichen Ethnien dieses weiten Landes mit verschiedenen Farben und Formen dargestellt, die alle trotz ihrer Heiligkeit und Reinheit viele künstlerische Aspekte aufweisen.
Der Monat Muharram ruft in Iran immer eine ganz besondere Stimmung hervor und bringt die ganze Gemeinschaft zusammen; auch die Künstler sind dabei keine Ausnahme. Zum Beispiel im Theaterbereich, der Ta'ziyah, und im Bereich der Bildenden Kunst, haben Zeichen und Farben, eine kraftvolle Veranschaulichung geschaffen, die zusammen mit neueren Künsten, wie dem Kino, die Aschura-Kunst bis heute lebendig erhalten hat.
Die Aschura-Kultur ist sehr reichhaltig und hält sogar auch viele andere nationale, mystische und religiöse Symbole am Leben. Eine Vielzahl von rituellen Darbietungen und bildenden Künsten verbinden sich mit dieser Kultur, die das Auge und den Geist des Betrachters mit ihrer Schönheit und Kreativität zum Staunen bringen.
Eine der einfachsten Erscheinungsformen dieser Kultur ist beispielsweise das Auftreten der Trauernden im Monat Muharram. Bei den Zeremonien dieses Monats werden verschiedene Flaggen und Symbole in unterschiedlichen Farben dargestellt, obwohl die Trauertracht schwarz ist und jeder, um Imam Hussein -a.s.- und seine Gefährten trauert. Sicherlich wurzeln einige der üblichen Symbole bei diesen Zeremonien auch in alten Symbolen, die in der islamischen Ära eine neue Bedeutung erlangt haben.
Bei den Trauerumzügen vor und an Aschura werden große Wahrzeichen mit mehreren Symbolen mitgeführt. Diese Wahrzeichen, genannt `Alam, sind 4 bis 5 Meter lange vertikale Gebilde mit einer Tragstange in der Mitte. An die vertikale Stange sind schmiedeeiserne Symbole, bunte Federbüschel und Fahnen angebracht und in der Mitte befindet sich eine hohe, ebenfalls schmiedeeiserne Standarte. Diese "A'lam" (Zeichen) haben ein hohes Gewicht und können von ihren Trägern nur unter großen Kraftanstrengungen und Balanceakten getragen werden. Meistens sind es Pahlewane (traditionelle Bezeichnung für Helden) , die sich an die Fortbewegung dieser "A'lam" bei den Trauerumzügen wagen. Für alle ist es eine Ehre, wenn sie das schaffen. Die heutige Zusammensetzung und Form der "A'lam' ist größtenteils in den letzten zwei Jahrhunderten entstanden und weiterentwickelt worden.
Eine der Symbolfiguren, die auf diesen "A'lam" zu sehen sind, ist der "Buraq". Der Buraq ist ein weißes pferdeähnliches Reittier mit Flügeln und menschlichem Antlitz. Es heißt, dass der geehrte Prophet Mohammad (Friede sei mit ihm) auf seiner Nachtreise von Mekka nach Beit-ol-Moghaddas (Jerusalem) auf dem Buraq geritten ist.
Ein weiteres Symbol das man auf den "A'lam" sieht, ist eine Hand. In der iranisch-schiitischen Kultur symbolisiert die Hand den Propheten und die ihm nahestehenden Mitglieder seines Hauses - die Ahl-ul-Bait -, sowie auch die abgeschlagenen Arme von Hazrate Abbas (a.s.).
Als bei den Ereignissen in Kerbala der Weg zum Wasser für die Gefährten von Imam Hussein versperrt wurde, versuchte sein Halbbruder Abul-Fazl Al-Abbas, Wasser zu holen um die Durstigen, vor allem Frauen und Kinder mit Wasser zu versorgen. Er wurde von den Soldaten Yazids angegriffen und ihm wurden beide Arme abgeschlagen so fand er schließlich den Märtyrertod.
In Erinnerung an diese Ereignisse in der Wüste von Kerbala legen auch heute noch viele Iraner Gelübde ab, und spenden in der heißen Jahreszeit den Durstigen kühles Wasser. Die traditionellen Trinkschalen sind dann zumeist mit dem Symbol der Hand in der Mitte versehen.
Weitere Symbole auf den "A'lam" sind Tiere wie Kamele oder Rehe und Hirsche. Die Kamele erinnern an die Karawane der Hinterbliebenen Imam Husseins -a.s.- von Kerbala bis Scham. Die Hirsche oder Rehe erinnern in der schiitischen Kultur an Imam Reza -a.s.- den 8. Imam der Schiiten, dessen Grabmal sich in Maschhad befindet und der den Überlieferungen zufolge die Jäger davon abhielt, den Hirsch zu töten.
Auch weitere tierische Symbole sind auf den "A'lam" zu finden, wie zum Beispiel Löwen als Symbol der Stärke.
Auch zypressenähnliche Bäume sind zu sehen, die den Tuba-Baum aus dem Paradies und den Zaqqum-Baum aus der Hölle symbolisieren.
Sie können auch Symbol der Notwendigkeit sein, die Seele zu läutern. Eine solche spirituelle Selbstreinigung kann nach schiitisch-iranischer Überlieferung durch die Trauer um Imam Hussein -a.s.- und die Ereignisse um Aschura erzielt werden.