Ein kulinarischer Noruz- Spaziergang durch Iran (1)
Essen hat nicht nur einen Nährwert, sondern spiegelt auch die Kultur eines Landes wieder. Essen ist nicht nur da, um sich zu ernähren, sondern es verbindet auch die Menschen miteinander, denn Essen spricht eine einfache Sprache und Ess-Diplomatie ist die unkomplizierteste Art neue Freunde zu gewinnen.
Gemäß dem Bericht der Weltorganisation für Tourismus ist mittlerweile im Wettbewerb um die Gunst von Reiselustigen fremdes immaterielles Kulturerbe zu einem wichtigen Anziehungspunkt geworden. Auf diese Weise hat auch der Tourismus zwecks Bekanntschaft mit anderen Ess-Kulturen zugenommen. Bei diesem kulinarischem Tourismus geht es natürlich nicht nur um das Kennenlernen neuer Kost, sondern auch um die Bekanntschaft der damit verbundenen Sitten und Tätigkeiten und der Umgebung, in der die jeweilige Ess-Kultur üblich ist.
Jedenfalls ist die Bekanntschaft mit den Speisen in anderen Ländern heute zu einem wichtigen Reisemotiv geworden und die meisten Länder nutzen diese Gelegenheit zur Bereicherung ihres Angebots an immateriellem Kulturerbe. Viele Reiseagenturen versprechen in ihren Angeboten neue kulinarische Genüsse.
Der moderne Tourist möchte nicht unbedingt in den besten Hotels wohnen und in den besten Restaurants internationale Gerichte zu sich nehmen. Vielmehr interessiert ihn, was die Menschen in einem Land aus Tradition essen. Er legt außerdem darauf Wert, dass die Umwelt bei der Besorgung dieser Speisen geschont wird.
Kulinarischer Tourismus ist eine Form des kulturellen Tourismus.
Die iranische Essenstafel ist sicherlich mit 2500 verschiedenen traditionellen Gerichten und 109 verschiedenen Getränken und den vielen Brotsorten und Süßigkeiten als reichhaltig und abwechslungsreich zu betrachten. Die landesweite Vielfalt an Speisen ist der klimatischen und geografischen und kulturellen Abwechslung im Iran zu verdanken. Iran weist also ein gutes Potential für kulinarischen Tourismus auf.
Der bekannte iranische Autor und Übersetzer Nadschaf Daryabandari weist in seinem Kochbuch auf die Bedeutung der iranischen Kochkunst in der Kultur der Völker hin. Er betrachtet diese Kunst im Iran als genauso weiterentwickelt wie die iranische Kunst des Teppichknüpfens und der Architektur sowie die iranische Literatur. Daryabandari schreibt, dass die iranische Kochschule über die Grenzen Irans hinausgegangen ist und ihre Freunde unter muslimischen Völkern und auf dem Subkontinent und sogar im südeuropäischen Raum gefunden hat.
Entsprechend der mehrfachen Klimazonen und der ethnischen Vielfalt ist auch der iranische Speisezettel zu Noruz, dem längsten und größten traditionellen Fest im Iran, abwechslungsreich. In der Kultur der Iraner ändern sich die Essensgewohnheiten einige Tage und Monate im Jahr zu besonderen Anlässe. Dies gehört zur Tradition. So ist es auch in der Zeit vor Neujahr und in den Neujahrstagen. Da werden je nach Gegend andere Gerichte zubereitet. Nun, da wieder Neujahrszeit ist, wollen wir einige dieser Gerichte und Leckereien, die in diesen Tagen im Iran üblich sind, vorstellen. Wer will kann uns auf dieser Reise für Gaumenfreuden begleiten.
Zum Neuen Jahr im Iran besucht man sich gegenseitig. Die Gäste werden mit Süßigkeiten und Nüssen und Trockenfrüchten und natürlich auch mit Obst bewirtet.
Gesalzene Nüsse oder Kerne sind zu Noruz besonders beliebt. Sie fallen unter den Oberbegriff Adschil-e schur: es handelt sich dabei vornehmlich um Melonen- und Kürbis- und Sonnenblumenkerne, natürlich auch Pistazien und Mandeln und Haselnusskerne und Cashewnüsse usw. Nicht weniger beliebt ist das Adschil-e schirin, eine Mischung von Walnusskernen und Rosinen, getrockneten Maulbeeren, Haselnusskernen und Pistazien – und Mandelkernen. Es können diesem süßen Adschil auch getrocknete Feigen untergemischt sein, sowie getrocknete gelbe Pflaumen und Baslogh, eine Süßigkeit, die mit Speisestärke hergestellt wird. Das Adschil-e schirin ist am Vorabend zum letzten Mittwoch des alten Jahres üblich.
Heute sind die meisten besonderen Süßigkeiten zu Noruz beim Konditor erhältlich, aber in einigen Teilen Irans werden sie noch zuhause angefertigt. Das ist zum Beispiel nach wie vor in der Stadt Qazwin feste Sitte. Schon einen Monat vor dem Fest sorgt dort die Frau des Hauses für die notwendigen Zutaten wie Mehl, Walnüsse, Mandeln, Pistazien, Kokosnussraspeln, Puderzucker, Reismehl, Safran, Honig, Sesamsamen usw. Die üblichen hausgemachten Süßigkeiten in Qazwin sind: verschiedene Sorten von Baqlawa oder Saq-e Arus und bekannt ist auch das jeweils mit dem Mehl von Kichererbsen oder mit Walnüssen oder mit Reismehl angefertigte Gebäck namens Nan-e Nochodtschi, Nan-e Gerdui bzw. Nan-e Berendschi. Wenn wir von Qazwin im Westen Teherans nach Yazd in Richtung Südost abbiegen, können wir uns an den dortigen Spezialitäten erfreuen, die auch in anderen Städten beliebt sind. Yazd ist bekannt für Süßwaren wie Paschmak (Zuckerwatte) Qotab und Baqlawa, für Mandelplätzchen - Nan-e Badami – und für Sohan – einer Süßigkeit aus Weizensprossen.
Fahren wir weiter in Richtung Nordost, so gelangen wir in der Provinz Chorasan. Dort werden auf dem Dorf zu Noruz gerne Rosinen zusammen mit gerösteten Kichererbsen, getrocknete Feigen und Reismehlplätzen gegessen, und ebenso ist eine besondere Art von Halwa beliebt. Wenn wir uns dann wieder in den Westen Irans begeben, können wir in Kermanschah die dortigen Reismehlplätzchen und andere Plätzchen namens Nan-e Schekari und das Datteln enthaltende Nun-e Chormai oder auch ein süßes Gebäck namens Kaak kosten.
Eben fiel das Wort Halwa. Halwa wird in den meisten Gegend Irans auf das Haft-Sin-Sofreh gestellt und es ist üblich die Noruzgäste damit zu bedienen. Eine Version dieser Süßspeise besteht darin, Weizenmehl in reichlich Fett anzubräunen und die Masse mit dem Geschmack von Rosenwasser und Safran zu verfeinern.
In Dezful im südiranischen Khuzistan ist es üblich vor Noruz-Beginn eine bestimmte Art von Plätzchen ( Kolutscheh ) unter Beigabe von Dattelsirup und Walnüssen zuzubereiten. In Rascht in der nordiranischen Provinz Gilan wird ein besonderes Weizenbrot gebacken und zuhause ein besonderer Halwa gekocht. Unterdessen ist in der benachbarten Provinz Mazanderan zu Noruz ein Kleingebäck namens Komadsch üblich. Die Zutaten sind Reismehl, Milch und Ei. Auch andere Gebäckarten und Plätzchen und Halwa-Sorten sind üblich.
Ziehen wir weiter entlang der Küste des Kaspischen Meeres erreichen wir Golestan. Die Frauen der im Norden dieser Provinz ansässigen Turkmenen backen ebenso zu Noruz besonderes Brot und Plätzchen und Süßigkeiten. Diese haben verschiedene Namen wie Burak, Qatelama und Patir.
Anlässlich des letzten Mittwochs des alten Jahres werden in vielen Gegenden des Irans besondere Gerichte gekocht. Im nordiranischen Mazanderan ist am Vortag, dem letzten Dienstag des alten Jahres, ein besonderer Eintopf Sitte. Es kommen saure Pflaumen oder die Frucht der Mispel hinein, ebenso wie Küchenkräuter und Hülsenfrüchte. Diese dicke Suppe wird vornehmlich an Bedürftige verschenkt. Sie nennt sich Asch-e Torsch. Einige sagen wenn einem Eintopf am Jahresende Saures hinzugefügt wird, will man damit den Abschied vom alten Jahr zum Ausdruck bringen. Die Mazanderaner kochen aber noch eine andere „Asch“ am letzten Dienstag des Jahres. Diese nennt sich tschehel giah – nämlich vierzig Pflanzen. Es kommen verschiedene Kräuter in diesen Eintopf, der ein Sinnbild für den Reichtum in der Natur von Mazanderan zu Frühlingsbeginn ist.
Zu den Speisen, die in den meisten Gegenden von Iran vor Beginn des neuen Jahres und zum Noruz gekocht wird, gehört Samanu.
Wir haben schon in einer anderen Sendung beschrieben, dass Samanu auf das Sofreh-Haft-Sin zu stehen kommt und aus dem Extrakt von Weizensprossen zubereitet wird. Es ist eine sehr kräftige Speise. Im westiranischen Zandschan wird am Vorabend zum letzten Mittwoch des Jahres Reis zusammen mit einer Beigabe, die sich Schischandaz nennt, gegessen. Die Zutaten für Schischandaz sind Speiseöl, Datteln, Rosinen, Walnüsse, Eier und Essig.
Liebe Freunde. Im zweiten Teil dieses Beitrages werden wir uns die vielfältigen Speisen und Gerichte anschauen, die am Vorabend zum neuen Jahr und am ersten Tag des neuen Jahres bis zum letzten Tag des Noruszfestes in den verschiedenen Städten von Iran üblich sind.