Jul 06, 2020 08:08 Europe/Berlin

Ohne die  Erfindung der Schrift wäre niemals die Übertragung von geistigem Gut auf spätere Generationen möglich gewesen, ebenso wenig wie die Weiterentwicklung der Zivilisation. Die menschliche Schrift wird aber auch durch die Kunst geehrt zum Beispiel durch die Schönschriftkunst.  Iran ist unter anderem für diese Kunst  bekannt.

  

Es ist nun fast 470 Jahre her, dass einer der bekanntesten iranischen Kaligrafen auf die Welt kam. Es war Mir Emad Qazwini, geboren 1554 in Qazwin.   Sein Lehrmeister war der Kalligraf Mohammad Husain Tabrizi, der ihm unter anderem die Nastaliq-Schönschrift beibrachte. Mir Emad Qazwini entwickelte daraufhin diese Handschrift bis zur Perfektion. Nachdem er nach Isfahan umgesiedelt war, bildete er dort viele Schüler aus und seine Kunstschule fand auch unter den Osmanen und in Indien viele Freunde. Künstler aus dem Osmanischen Reiche wie  Veliuddin Efandi, Mohammad As`ad Al Yasari  und Seyyed Mohammad Dedehzadeh setzten seinen Weg fort. Mir Emad hat auch Gedichte  verfasst aber seine bekanntesten Werke sind seine Kalligrafien in kostbaren Büchern wie  Saadis Werke Golestan und Bustan und der Munadschat-Nameh von Chadscheh Abdullah Ansari. Der Künstler wurde leider 1615 unter einem hohlen Vorwand von einem der Leute  des Schah Abbas getötet. Sein Grab befindet sich in der Maqsudbeyk-Moschee nahe des Naqsch-e Dschahan-Platzes in  Isfahan. 

       

Mir Emad Hasani Qazwini gilt als der größte iranische Künstler auf dem Gebiet der Nastaliq-Kalligrafie. Es heißt dass man ihn mit Gold für seine Kunstwerke bezahlte und er zu den Reichsten im damaligen Iran gehörte. Das Haus, das er hinterließ, war so teuer, dass der damalige  Wesir nicht genug Geld hatte, um es zu kaufen. Darüber hinaus wird dieser Kalligraf auch wegen seines hohen Charakters und als freiheitlich denkender Mensch gerühmt, der die Kunst wegen ihrer selbst liebte.  

Mir Emad hat die Proportionen von Buchstaben und Wörtern in der Nastaliq-Schrift auf schönste Weise  miteinander in Einklang gebracht. Er hat  den goldenen  Schnitt auf diese Schönschrift angewandt.

Handschrift von Mir Emad Qazwini 

 

Die Kalligrafie gelangte zwar im Orient und im Osten zu ihrer vollen Entfaltung, aber diese Kunst ist auch in allen anderen Kulturräumen anzutreffen. In Europa kennt man das Wort Kalligrafie, nämlich Schönschrift, seit dem 15. Jahrhundert nach Christus aber erst ab dem 19. Jahrhundert war es  ein Kunstbegriff. Jedoch im Fernen Osten und in islamischen Ländern wie Iran, galt die Kalligrafie schon lange vorher als ein Kunstzweig.   

Im Iran gab es in der vorislamischen Zeit verschiedene Schriften wie die Keilschrift, die   Pahlavie-Schrift und die avestische Schrift. Doch mit Beginn der islamischen Ära haben unsere Vorfahren sich auf das Arabische Alphabet und die Arabische Schrift umgestellt. Vor dem Islam hatte die Arabische Schrift noch keine größere Entwicklung  erfahren. Ihre Entfaltung begann quasi mit der Verbreitung des Islams. Die Kalligrafie hat den Muslimen immer schon etwas bedeutet, und zwar wegen der kunstvollen Darstellung des offenbarten Gotteswortes. Es waren ihnen wichtig die Offenbarungsverse in schöner Handschrift wieder zu geben und sie haben die Kalligrafie auch in den meisten anderen Künsten eingesetzt.   Die Schönschrift hat in allen islamischen Ländern als die höchste Kunst Beachtung gefunden, besonders die iranischen Künstler haben sich einen Namen auf diesem Gebiet gemacht.

 

Vor kurzem gab die Abteilung für die Registrierung von historischen und kulturellen Werken im Ministerium der IRI  für Kulturerbe und  Tourismus bekannt, dass im Jahre 2022 die iranische Kalligrafie als Weltkulturerbe bei der UNESCO eingetragen werden wird.  Aber plötzlich hieß es in den Medien der Türkei, dieses Land hätte  eine Akte für Islamische Kalligrafie zwecks Eintragung bei der UNESCO im Jahre 2020 als immaterielles Kulturerbe dieses Landes  eingereicht.

Ein  Blick auf die Geschichte der Kunst der Kalligrafie genügt um festzustellen, dass es vor der Etablierung des Osmanischen Reiches in der Türkei keine Kunst namens Kalligrafie gab. Unterdessen hatte im Iran diese Kunst bei der Anfertigung von Koran-Manuskripten bereits vorher einen Höhepunkt erreicht und hatten sich namhafte Künstler der Kalligrafie gewidmet.  Einer ähnlichen Fälschung der Geschichte sind wir schon einmal begegnet. So ist der bekannte iranische Kalligraf Mir Emad Qazwini  in einigen Büchern als Istanbuler Kalligraf vorgestellt worden.

Auch die Sprüche, welche die Türkei im Zusammenhang mit dem Antrag auf Registrierung der Islamischen Kalligrafie bei der UNESCO verwendet, beruhen auf einer Fälschung der Geschichte. Die Internetseite des Ministeriums für Kultur und Tourismus der Türkei verwendet nämlich im Zusammenhang mit einem Bericht über die Eintragung der Islamischen Kalligrafie als immaterielles Erbe bei der UNESCO den Spruch „Der Koran wurde in Mekka offenbart, in Ägypten rezitiert und in Istanbul geschrieben.“ Wer sich die Geschichte der Kalligrafie und der Niederschrift des Korans anschaut, kann sich davon überzeugen, dass es sich bei diesem Werbespruch  um eine klare Geschichtsverfälschung handelt.

                  

Der zeitgenössische iranische Kalligraf Hamid Resa Qalitsch Chani, der sich mit Forschungen im Bereich Literatur und Kunst befasst, sagt über die Eintragung der Kalligrafie in der UNESCO-Liste für immaterielles Kulturerbe:  „Das immaterielle Kulturerbe kann durch jedes Land eingetragen werden und Länder wie Iran, Türkei und Irak und weitere können gemeinsam die Islamische Kalligrafie registrieren lassen, denn sie ist ein gemeinsames Erbe  und verschieden von den typischen Sitten und Bräuchen nur eines Landes. „Im Zusammenhang mit dem Spruch des türkischen Ministeriums für Kultur und Tourismus, dass der Koran in der Türkei geschrieben wurde, sagte Qalitsch Chan: „Dieser Spruch ist künstlich konstruiert, denn vor dem 9. Jahrhundert nach der Hidschra (15. Jahrhundert nach Christus)  gab es das Osmanische Reich in dem Sinne  noch gar nicht. Das ist nachgewiesen.  Es haben bereits einige libanesischen Verlage einen ähnlichen Spruch über den Druck von Koranexemplaren  herausgegeben, welcher ebenso wenig  mit der Realität übereinstimmt.“

Dieser Kalligraf fährt mit Hinweis auf die dritte Behauptung in dem Werbespruch der Türkei, nämlich dass der Koran in der Türkei geschrieben worden sei, fort:  „Die ältesten Koranexemplare aus der Zeit der Osmanen wurden im 10. Jahrhundert nach der Hidschra (16. Jahrhundert nach Christus) geschrieben.“  Qalitsch Chani erinnert daran, dass die Türkei in einem anderen Fall ebenso versucht, hat eine Registrierung bei der UNESCO zu erzielen, die nicht der Wahrheit entspricht. Durch   entsprechende, groß aufgebaute Werbung war sie nämlich bestrebt,  den bedeutenden persischen Sufi-Mystiker und Dichter  Rumi (Maulawi) durch Verheimlichung eines Teils der Geschichte als Nicht-Iraner vorzustellen.

Qalitsch Chani fügt hinzu:  „Sie haben die Bezeichnung für die Nastaliq-Schrift im vergangenen Jahrhundert in Taliq umgeändert, obwohl sie in ihren eigenen alten Quellen die Bezeichnung Nastaliq verwenden. Es ist eine selbstverständliche historische Tatsache, dass die türkische Kalligrafie als ein Zweig der mächtigen iranischen Kalligrafie entstanden ist.

 

 

Der Generaldirektor des Registrieramtes für historische und kulturelle Spuren Irans sagte mit Hinblick darauf, dass die Türkei die Akte für Kalligrafie zur Eintragung in der Liste des immateriellen Kulturerbes seines Landes im März 2020 an UNESCO geschickt hat: „Wir müssen betonen, dass kein Monopolrecht für die Eintragung eines immaterielles Kulturerbe in die Liste des Weltkulturerbes besteht. Die Konvention 2003, unter der die  Eintragung von immateriellem Kulturerbe  erfolgt, macht dies deutlich. Das bedeutet wenn die Kalligrafie in verschiedenen Ländern existiert, können alle diese Länder dieses Element unter ihrem Namen eintragen, jedoch muss dies aufgrund fester historischer Belege lückenlos nachgewiesen werden.“

Er fügte hinzu: „Es gibt drei Listen bei der UNESCO – eine Liste für gefährdetes immaterielles Erbe,  eine Vorstellungsliste und eine Liste für gute Schutzmaßnahmen für  dieses Erbe. Bislang hat der Iran und haben viele andere Länder noch nichts in der letzten Liste zur Eintragung bringen können. Eine Eintragung in dieser Liste ist wegen ihrer Natur und wegen der mit ihr verknüpften Schutzmaßnahmen schwieriger. Aber wir hoffen, dass die Kalligrafie auf diese Liste zu stehen kommt.“

                             

Abschließend ist noch folgendes zu erwähnen. Auch wenn Iran und die Türkei in verschiedenen Epochen miteinander auf dem Gebiet der Kalligrafie gewetteifert haben,  so bleibt dennoch niemandem verborgen, dass diese Kunst im Iran entstanden ist und entwickelt wurde. Die Ästhetik der Kalligrafie lässt sich in den verschiedenen iranischen Kunstschulen weit zurückverfolgen und es liegen feste historische Beweise dafür vor. Dennoch hatte die Türkei im Jahre 2015 vor, die Nastaliq-Schönschrift, die in aller Welt als iranischer Schriftstill und als die „Braut der Islamischen Handschriften“ bekannt ist, unter ihrem Namen einzutragen. Zu dem Zeitpunkt hat Dschawad Bachtiari, der Leiter des obersten Rates der Gemeinschaft iranischer Kaligrafen  auf dieses Vorhaben der Türkei reagiert  und bekanntgegeben dass, in Zusammenarbeit mit der UNESCO,  Maßnahmen für die  Eintragung der iranischen Nastaliq-Schrift  auf deren Liste in die Wege geleitet werden.

In diesem Zusammenhang hat Bachtiari gesagt:  Die Nastaliq-Schrift ist eine Kunst, die wie eine Visitenkarte für uns ist und sie gilt als die einzige Schrift, in der der goldene Schnitt für Proportionen zum Tragen kommt. Die Nastaliq- und die Nastaliq-e schekasteh – Schrift spiegeln beide  den iranischen Kunstgeschmack wieder und wir werden uns dafür einsetzen, dass die Nastaliq-Schrift  unter dem Namen Irans auf die internationale Liste  zu stehen kommt.“

 

 

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