Zu Ehren des Gesangsinterpreten Mohammad Resa Schadschariyan
Dies ist ein bescheidener Sonderbeitrag über den jüngst verstorbenen iranischen Gesangskünstler Mohammad Resa Schadschariyan. Er hat gesagt: „Ich will die Menschen auf der Welt darauf aufmerksam machen, dass unsere Kultur menschenfreundlich ist und die Botschaft von Friede, Sicherheit und Liebe enthält.“
Mohammad Resa Schadschariyans Stimme gehört fest zur Kultur Irans. Er erlag am 9. Oktober einer mehrjährigen Erkrankung.
Mohammad Resa Schadschariyan wurde am 23. September 1940 in Maschhad geboren. 1952 war zum ersten Mal seine Stimme im Lokalsender der Provinz Chorasan beim Vortrag aus dem Koran zu hören. Sein Vater, ein guter Rezitator des Korans, hatte ihm diese Fähigkeit von Kind auf beigebracht. Nach dem Abitur wurde Schadschariyan Lehrer und erlernte nebenher das Spiel auf dem Saiteninstrument Santur. In Teheran, wohin er 1967 übersiedelte, lernte er bekannte Interpreten traditioneller iranischer Musik wie Ahmad Ebadi kennen und außerdem belegte er bei dem Kalligrafen Hasan Amir Chani einen Lehrgang für die Schönschrift. 1971 schloss er mit dem iranischen Komponisten und Santurspieler Faramarz Payvar Bekanntschaft und setzte seine Studien zum Santurspiel und der Radif in der Gesangsmusik fort, wobei mit Radif die Aufeinanderfolge von traditionellen melodischen Figuren gemeint ist.
Schadschariyan wurde durch seine life-Vorführungen in Begleitung von Mohammad Resa Lutfi und Naser Farhangfar populär, bei denen er die Modi der traditionellen iranischen Musik wieder in Erinnerung rief. Er gelangte außerdem 1977 bei den Landeswettbewerben für die Koranrezitation auf den ersten Platz.
Schadschariyan hat einen großen Beitrag zur klassischen persisch-sprachigen Kultur und Kunst geleistet. Er hat der Welt mit seinem Gesang die traditionelle iranische Musik vorgestellt. Ausländische Medien haben über ihn berichtet und ihn als ein Sinnbild der originalen iranischen Musik bezeichnet. Viele Persönlichkeiten aus Kultur und Kunst und sogar aus der Politik haben anlässlich seines Todes kondoliert, und im persischsprachigen Kulturraum hat man mit Anerkennung von seiner Kunst gesprochen. Zum Beispiel hat Abdullah Abdullah, der Vorsitzende des oberen nationalen Friedensrates Afghanistans ihn in seiner Beileidsbotschaft als gemeinsames kulturelles Erbe der Bevölkerung der Region bezeichnet. Die Nachrichtenagentur Reuters teilte den Tod von Mohammad Resa Schadschariyan im Alter von 80 mit und sagte, er habe die klassische Musik Irans wiederbelebt. Auch schrieb die japanische Zeitung Mainichi: „Der Meister der iranischen Musik, Schadschariyan hat mit seinem Gesangsstil der klassischen iranischen Musik neues Leben eingehaucht.“
Nach dem Sieg der Islamischen Revolution hat Schadschariyan zusammen mit dem Tenor Schahrom Nazeri mehrere gemeinsame Alben für die Chavosh- Kunst- und Kulturstiftung in Auftrag genommen. Es waren in der Hauptsache Lieder mit revolutionärem und patriotischem Inhalt. Zuhause begann Schadschariyan Studien und Zusammenstellungen von Radif für Gesang und bildete seine Schüler weiter aus. 1979 trug er eine Improvisation des Bittgebetes „Rabbina“ (Unser Herr) und der Munadschat-e Mathnawi Afschari (ebenso ein Bittgebet) im Unterricht vor, um es ihnen beizubringen, damit die beste Version im Rundfunk verwendet werde. Das Radio aber entschied sich für seine Improvisation und sie wurde 30 Jahre lang vom iranischen Radio im Monat Ramadan ausgestrahlt.
In der Zeit von 1981 bis 1991 gab Schadschariyan mehrere Alben mit dem Komponisten und Santurspieler Parwiz Meschkatian heraus. Außerdem hat er zusammen mit der Gruppe Aref unter Leitung von Meschkatian Konzerte im Ausland gegeben. In den 90iger Jahren trat er mit Musikmeistern wie Dariusch Pirniakan in Europa und den USA auf und veröffentlichte erneut mehrere Alben.
1998 brachte Schadschariyan das Album „Nacht, Schweigen, Wüste“ – eine Komposition von Keyhan Kolhar heraus, welches auf der traditionellen Musik von Nord-Chorasan und der dortigen Gesangsfolklore aufbaut und in dem einige Instrumente der Region gespielt werden. Hadsch Qurban Solaimani, der bekannte Dotar-Spieler hat bei der Entstehung dieses Albums mitgewirkt. Im Jahre 2002 erschienen seine beiden Alben: „Ohne dich kann ich nicht leben“ und „Hilfeschrei“. Beide Alben, bei deren Entstehung Husain Alizadeh, Keyhan Kolhar und Homayun Schadschariyan mitwirkten, kandidierten für Grammy Awards. Nach dem Erdbeben im Dezember 2003 in Bam gab diese 14-köpfige Gruppe in Teheran ein Spendenkonzert. Der Erlös beim Verkauf der CD-Aufnahmen dieses Konzertes wurde für das Projekt des von Schadschariyan gegründeten Kunstparkes in Bam verwendet.
Ab 2008 gab Schadschariyan in Zusammenarbeit mit der Gruppe „Awa“ Konzerte in Teheran und Isfahan, ebenso wie in Europa, den USA und Kanada. Zusammen mit seinem Sohn Homayun stellte er die originale iranische Musik vor und trug entscheidend zur Wahrung dieses Schatzes iranischer Kunst bei. Nach einem Konzert von Schadschariyan im kanadischen Vancouver nannte die kanadische Zeit The Globe and Mail ihn die Musiklegende des Ostens.
Im Jahre 2008 gründete Schadschariyan eine Musikgruppe, die er zu Ehren des bekannten Tar-Spielers Dschalil Schahnaz nach ihm benannte. Die Schahnaz-Gruppe spielt auf Instrumenten, die Schadschariyan entwickelt hat. Einige davon sind geeignet, westliche Instrumente wie die Geige zu ersetzen. Auf einer Ausstellung in Teheran hat Schadschariyan 2011seine neuen iranischen Musikinstrumente der Öffentlichkeit vorgestellt: Sie heißen unter anderem Sarahi, Schahr Aschub, Sagher, Kereschmeh und Sabu.
2014 ging Schadschariyan mit der Gruppe Schahnaz auf eine internationale Konzerttour.
Mohammad Schadschariyan hat circa 60 Musikalben herausgebracht und zahlreiche Konzerte im In- und Ausland gegeben. In einem Interview sagte er, sein Vater habe ihm, als er Musikalben herausgab, ans Herz gelegt auch eine Sammlung seiner Koranrezitationen zu veröffentlichen. Nach dem Tod seines Vaters habe er sich vorgenommen, seinen Rat zu befolgen.“ Schadschariyan gab einige Rezitationen aus dem Koran unter dem Titel „In Gedenken an Vater“ heraus. Sein bekannter Vortrag des Gebetes Rabbana ( O Herr) wurde übrigens in die Liste nationalen Kulturgutes eingetragen.
Ende Sommer 2017 wurde Schadschariyan und drei weiteren Künstlern auf dem 5. Internationalen Festival „Kunst für den Frieden“ das höchste Friedensabzeichen verliehen. Frankreich zeichnete ihn 2014 mit dem Ritterabzeichen aus. 1999 hatte ihm die UNESCO bereits den Picasso-Preis und ein Ehrendiplom verliehen. Letztere Auszeichnung wird alle fünf Jahre an einen Künstler vergeben, der sich dafür einsetzt, die Kultur und Kunst seines Landes vorzustellen. 2006 verlieh die UNESCO ihm außerdem die Mozart-Medaille.
Die Internet Seite der Asia Society in New York hat ihn als den berühmtesten Künstler originaler iranischer Musik bezeichnet und die kanadische Zeitung Vancouver Sun nannte ihn einen der bedeutendsten Musikkünstler der Welt. Ebenso hat das NPR – National public radio, eine private Medienorganisation in den USA - vor zehn Jahren die Stimme von Schadschariyan zu den 50 besten der Welt erklärt.
Schadschariyan hat viele Schüler im Gesang ausgebildet, darunter so bekannte Interpreten wie Hesameddin Seradsch, Iradsch Bastami, Hamid Resa Nurbachsch, Sina Sarlak, Mohammad Isfahan, Homayun Schadschariyan .
Er hat auch die Musik zu einigen Filmen komponiert. Am bekanntesten ist seine Musik zu dem Film Delschodegan (die Verliebten) des verstorbenen Regisseurs Ali Hatami.
Der größte Verdienst von Mohammad Resa Schadschariyan ist, dass er die rhythmusfreie traditionelle Radif-Musik Irans, nämlich die klassische Gesangsmusik, unter die Bevölkerung brachte, während sie vorher nur in besonderen Musikkreisen bekannt war. Er stellte diese traditionelle spezielle Musik der jungen Generation vor. Schadschariyan verkehrte mit Schriftstellern und Dichtern und suchte Texte und Gedichte für seine Gesangsstücke aus, die zu den Ereignissen in der Gegenwart und seinen Landsleuten passten. Er sprach den Menschen aus dem Herzen und spiegelte ihre Gefühle wieder. Nicht nur die klassische Poesie von Hafiz, Saadi und Maulana (Rumi), Atar und Baba Taher und Khayyam zog er für seine Vorträge heran, sondern er nutzte auch die moderne Dichtung (sche`er no) wie die von Fereydun Moschiri, Nima Juschidsch, Sohrab Sepehri, Mehdi Achawan–Sales und Huschang Ebtehadsch .
Sein Arbeitsspektrum reichte weit. Er arbeitete nicht nur mit großen Meistern seiner Zeit zusammen, sondern auch mit jüngeren Talenten und hat in seinem Arbeitszeugnis auch Orchester mit Volksliedern stehen. Schadschariyan hat nicht nur zeitgenössische Lieder sondern im Gegenteil zu den meisten anderen Interpreten seiner Zeit auch sehr alte Melodien gesungen und rief diese Gesangsstücke wieder ins Leben zurück.
In seiner Neujahrs-Videobotschaft im März 2016 wurden die ersten Zeichen für seine Krebserkrankung offensichtlich, zum Kummer der Bevölkerung und seiner Freunde.
Schadschariyan war ein großer Schatz für die heutige iranische Musik. Seine Stimme war einmalig und ebenso seine Kenntnis von der iranischen Kultur und Mystik. Seine Stimme wird nicht verklingen, auch wenn er selber nun in Schweigen versunken scheint.
Schadschariyan wurde im nordiranischen Tus neben der Gedenkstätte für den weltbekannten Dichter Ferdowsi beigesetzt. Er hat die Sitte, die Firdowsi vor tausend Jahren begründete, weiter gepflegt – nämlich die Sitte die nationale Kultur, Sprache und Identität zu wahren. Diese Sitte erfordert Geduld und Bemühungen, aber sie trägt schöne unvergängliche Früchte.
Möge die Seele dieses großen iranischen Musikers in Frieden ruhen. Sein Name und seine Stimme werden immer zu Iran und der iranischen Musik gehören.
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