Eintragung bei UNESCO Tschougaan und Kamantsche aus dem Iran
Auf der 12. jährlichen Sitzung des Welterbekomitees der UNESCO, die vom 4. bis 9. Dezember in Nordkorea tagte, wurden zwei Akten, die Iran eingereicht hatte, einstimmig anerkannt. Es handelt sich um das Pferdepolo Tschougaan und das Instrument Kamantsche. Beide stehen nun auf der Liste für das Weltkulturerbe.
Die jährliche Sitzung des Welterbekomitees der UNESCO fand unter Teilnahme von 24 Mitgliedern dieses Komitees und mehr als 700 Beobachtern und Aktivisten auf dem Gebiet des immateriellen Kulturerbes aus verschiedenen Ländern auf der südkoreanischen Insel Jeju statt.
Auf dieser Sitzung wurden die iranische Kamantsche und das iranische Tschougaan als Weltkulturerbe anerkannt.
Die Kamantsche ist ein sehr altes und weit verbreitetes Musikinstrument der Region insbesondere des Irans und wird in der Folklore und der traditionellen Musik verwendet. Sie hat einen großen Tonumfang und wird in den meisten Ortschaften und auf den Dörfern im Iran zu besonderen Anlässen gespielt.
Unterdessen ist Tschougaan die ursprüngliche, iranische Bezeichnung für Pferdepolo. Es ist ein eleganter Sport der eine Beziehung zur Natur und zwischen Mensch und Pferd herstellt. Dieser Sport ist unterhaltsam und wirkt erfrischend und erfordert besondere Geschicklichkeit. In einem gesunden sportlichen Wettbewerb wird das Zugehörigkeitsgefühl im Team und das Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft und Geschichte gestärkt und werden die Generationen beim gemeinsamen Zuschauen der Familienmitglieder miteinander enger verknüpft.
In der Akte über Tschougan wird hervorgehoben, dass es sich um einen Bestandteil der Kultur handelt, der mit der Geschichte und der Identität der Betreiber dieses Sportes verknüpft ist. Dieses kulturelle Element findet weitgehend Niederschlag in der iranischen Literatur, der mündlichen Erzählung und den Märchen, den Sprichwörtern und der Miniaturmalerei, ebenso wie im Kunsthandwerk und bei Ausschmückung von iranischen Bauwerken. Es ist ein wertvoller Teil der Weltanschauung und der Symbolwelt derer, die diesen Sport betreiben.
Auf der Sitzung der UNESCO in Südkorea wurde übrigens auch die von der Republik Aserbeidschan eingereichte Akte über die traditionelle Speise "Dolma" in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Baku nimmt für sich in Anspruch, dass diese Speise von den Aserbaidschanern stammt, aber Dolma - bzw. Dolmeh in der Farsi-Sprache - ist eines der ältesten iranischen Gerichte. Der Iran war Jahrhunderte vor der Gründung von Ländern wie Armenien und der Republik Aserbaidschan für dieses Gericht bekannt.
Diese Dolmeh sind gefüllte Blätter der Traube oder des Weißkohls oder gefüllte Paprikaschoten, Tomaten, Kürbisse oder Auberginen. Die Füllung wird mit Hackfleisch, aromatischen Kräutern, Zwiebeln, Reis, halben Schälerbsen und Gewürzen zubereitet und auf eine besondere Weise gekocht.
Die Kamantsche ist ein iranisches Musikinstrument und typisch für orientalische Musik. Sie wird zum ersten Mal in der Geschichte im vierten Jahrhundert nach der Hidschra (10. Jahrhundert nach Christus) von Abu Nasr Farabi in seinem Werk Kitāb al-Mūsīqā al-kabīr - das große Buch der Musik - erwähnt. In seinem Buch bezeichnet Farabi die Kamantsche als iranisches Instrument. Zur Zeit der Safawiden ( 16.-18.Jahrhundert nach Christus ) und der Qadscharen ( Ende 18. bis Anfang 20. Jahrhundert n.Chr. ) gehörte diese Stachelgeige zu den wichtigsten Instrumenten Irans. Erste Tonaufnahmen von diesem Instrument wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemacht.
Die Kamantsche ist ein Saiteninstrument. Ihr Resonanzkörper wird meistens aus Holz des Maulbeerbaumes angefertigt und aus schmalen Holzstreifen zusammengefügt. Die kreisrunde Öffnung an der Decke wird mit Tierhaut überspannt. Der Steg ähnelt dem Steg der Tar - der iranischen Langhalslaute, jedoch ist er etwas zu den Saiten angewinkelt. Das Griffbrett verläuft leicht verjüngend noch oben zu den je zwei Wirbeln an beiden Seiten des Instrumentes, auf denen die Saitenenden aufgewickelt sind. Die Kamantsche ist ungefähr 80 cm lang. Früher war die Kamantsche nicht mit der heute üblichen Saitenbefestigung versehen sondern die Saiten wurden direkt auf dem Instrument befestigt und wie bei der Setar wurden sie mit einem Metallplättchen zum Klingen gebracht. Nachdem die Geige im Iran bekannt wurde, hat man auch in der Kamantsche Tunner zur Feinstimmung eingebaut. Die heutige Kamantsche hat 4 Saiten.
Der Kamantsche-Spieler stellt die Kamantscheh auf den Boden oder den Stuhl oder auf sein Knie und bringt die Saiten mit Hilfe des Musikbogens (zu Persisch: Kamaneh) zum Klingen. Beim Spielen dreht sich das Instrument ein wenig, was das Streichen über die Saiten vereinfacht. Der Musiker hält das Instrument mit der linken Hand aufrecht und drückt mit dem Finger dieser Hand die Saiten an der gewünschten Stelle auf dem Saitenbrett herunter, während er mit der rechten Hand den Musikbogen über die Saiten führt. Die bekanntesten iranischen Kamantsche-Spieler sind Husain Chan Ismailzadeh, Ali Asghar Bahari, Modschtaba Mirzadeh und Kaihan Kalhor sowie Ardeschir Kamkar.
Die Kamantsche ist auch heute ein wichtiges Instrument für die iranischen Musiker und sie gehört zu jeder umfangreichem Komposition. Dieses Instrument verleiht jedem Konzert einen besonderen Klang. Ein guter Solospieler kann sich ohne weiteres mit dem Spiel auf anderen Saiteninstrumenten wie der Tar und der Santur messen.
Tschougaan ist ein antikes iranisches Spiel , welches heute zu einer internationalen Sportart - dem Pferdepolo - geworden ist. Dieser Sport wurde, weil er unter den Königen und Vornehmen üblich war auch Baasi-je Schaahaan - Königsspiel - genannt. Das Wort Tschougaan leitet sich von dem hölzernen Schläger ab, der bei diesem Spiel eingesetzt wird. Anfangs diente dieses Spiel dazu die Fähigkeiten von Kriegsrossen zu erproben und vorzuführen.
Heute wird in mindestens 77 Ländern Pferdepolo betrieben und werden Wettbewerbe in dieser Disziplin abgehalten. Von 1900 bis 1939 gehörte das Pferdepolo zu den Olympischen Spielen und wird auch heute noch vom Olympiakomitee als internationaler Sport anerkannt.
Die Geschichte des Tschougaan beginnt circa 600 Jahre vor Christus im Iran. Es war bereits bei den Achämeniden, die vom 6. bis zum 4. Jahrhundert vor Christus herrschten, beliebt. Nach Eroberungszügen in Indien durch Dareios der I. gelangte das Pferdepolo auch nach Indien und wurde dort üblich. Auch zur Zeit der Sassaniden ( 3. bis 7. Jahrhundert nach Christus) war Tschougaan Bestandteil der Kultur. Rudaki ( 9.Jahrhundert n.Chr. ) ist der erste Dichter der nach Beginn der Islamischen Ära im Iran über Tschougaan berichtet und Firdausi ( 10. Jahrhundert n.Chr. ) hat oftmals Tschougaan erwähnt und über das Polospiel zwischen dem beliebten Helden Siyawasch und dem Iranfeind Afrasiab gedichtet. Ebenso haben Saadi, Hafis, Nasser Chosrau und Maulawi (Rumi) auf Tschougaan hingewiesen.
Die Mongolen haben nach ihrer Invasion in Iran im 13. Jahrhundert und nachdem sie mit der Kultur und Kunst des Landes vertraut wurden, das Pferdepolo erlernt und es in ihrem gesamten Reich eingeführt. Es gibt historische Belege dafür, dass der Safawidenkönig Abbas der I. (16. Jahrhundert n.Chr.) selber Tschougan-Spieler war und schon bevor er Isfahan zu seinem Regierungssitz wählte, in der vorherigen iranischen Hauptstadt Qazwin im Westen des Landes am Tschougan -Wettkämpfen teilgenommen hat. Der berühmte Meydane Naqsch-e Dschihan in Isfahan soll eigens für das Tschougaan-spiel angelegt worden sein. Die Europäer lernten das Spiel zur Zeit der Safawiden und zur Zeit der englischen Kolonialmacht in Indien kennen. Die britischen Offizieren wurden in Kalkutta professionell in Tschougaan - dem Pferdepolo ausgebildet und führen den Sport in England ein. Später wurden Sportarten wie Golf und Hockey erfunden. Der Schläger, der bei diesen Sportarten benutzt wird, geht auf Tschougaan - den Schläger für Pferdepolo - zurück. 1860 nach Christus wurde Pferdepolo in England üblich. Danach übernahm man es auch in Südamerika wo es viele Freunde fand. Heute wird dieser Sport am meisten in Südamerika betrieben und hat viele Fans.
Tschougaan ist zu Beginn ein strategisch wichtiges Spiel gewesen. Pferde die bei diesem Spiel eingesetzt wurden eigneten sich gut für die Teilnahme an einem Kriegsgefecht. Das Spiel erforderte entsprechende Konditionen beim Reiter und Pferd. Normalerweise scheut ein Pferd ein Hindernis, aber die Pferde können diese Scheu beim Pferdepolo überwinden. Sie müssen ihrem Reiter helfen, dass er mit dem Schläger an den Ball gelangen kann.
Auf der achten jährliches Sitzung für immaterielles Erbe der UNESCO , welche in der Hauptstadt Aserbeidschans stattfand hat dieses Land die Akte zu Tschougaan unter dem Titel Tschougaan - traditionelle Pferde-Sportart von Karabach - auf die Liste der gefährdeten Weltkulturerbes der UNESCO bringen können, was jedoch die Proteste der Freunde des Weltkulturerbes und einiger Verantwortlichen auf diesem Gebiet hervorgerufen hat. Schon vor einigen Monaten haben iranische Kulturbeauftragte in einem Brief an die UNESCO gegen diesen Schritt protestiert und diese internationale Organisation aufgefordert, dass diese Akte nicht einseitig für ein Land eingetragen werden dürfe,worauf die UNSECO jedoch nicht reagierte.
Vor zwei Jahren hat Iran in Zusammenarbeit mit der Tschougaan-Föderation und dem Ministerium für Sport und Jugend, die Akte Tschaagun - Reiterspiel in Begleitung von Berichterstattung und Musik - zusammengestellt und bei der UNESCO eingereicht und deren Untersuchung gefordert. Dank der Bemühung Irans und der überzeugenden historischen Belege, konnten die beiden iranischen Akten für immaterielles Kulturerbe die Experten für Kulturerbe auf sich aufmerksam machen und sowohl die Kamantsche als auch Tschougaan wurde in die Liste für das Weltkulturerbe aufgenommen und liefert ein weiteres Beispiel für die abwechslungsreiche Kultur Irans .
Es sei noch erwähnt, dass inzwischen 13 Posten aus dem Iran auf der Liste des immateriellen Weltkulturerbes stehen,wovon drei gemeinsames multi-nationales Erbe sind, nämlich das Norusfest zum Jahresbeginn am 21. März jedes Jahres - die Kunst des Backens von Fladenbrot - und die Kamantsche.