Interview mit Dr. Yavuz Özoguz
Am 17. März wurden in Münster und in Bremen Moscheen von Schiiten geschlossen und die Räumlichkeiten enteignet.
Zudem wurden Privatwohnungen zahlreicher Einzelpersonen durchsucht. Im Gespräch mit dem deutsch-türkischen Islam-Experten Dr. Yavuz Özuguz fragten wir, welche Gründe dafür genannt wurden.
Shahrokny: Am 17. März sind in Münster und in Bremen zwei Moscheen von Schiiten geschlossen worden, und zwar auf Anordnung des jeweiligen Innenministers. Welche Gründe sind dafür genannt worden?
Özuguz: Nun, man muss dazu wissen, wir hatten vor über zwei Jahren schon Razzien mit Androhung der Moscheenschließung von vier Moscheen. Ich muss dazu sagen, dass alle vier Moscheen zu den zehn größten Moscheen Deutschlands gehören. Zwei davon waren in Berlin, eine in Münster und eine weitere in Bremen. Nun, es war so, dass vor etwa zweiundeinhalb, drei Wochen das Bundesinnenministerium Moscheen in Münster und Bremen und möglicherweise in Berlin – aber hier bin ich mir nicht sicher – hat ein Schreiben zukommen lassen, dass die Ermittlungen gegen sie eingestellt worden seien und dass sie ihrer täglichen Arbeit nachgehen können. Und so haben sich die Moscheen entsprechend auf den Fastenmonat Ramadan vorbreiteten. Da gibt es einiges zu erledigen, und viel anders mehr. Eine Woche später stand die Polizei schon vor der Tür und hat die Al-Fatima-Versammlung in Münster und Al-Mustafa-Gemeinschaft in Münster geschlossen. Jetzt muss man dazu feststellen, dass wir in Deutschland wie immer ein Kompetenzgerangel haben. Der Bundesinnenminister hat die Ermittlung einstellen lassen, aber die Moscheen wurden trotzdem geschlossen, auf Anordnung des jeweiligen Innenministers bzw. Innensenators des jeweiligen Bundeslandes. In einem Fall (Münster) auf Anordnung des NRW-Innenministers, und im zweiten Fall (Bremen) auf Anordnung des Innensenators. Als Begründung wurden Angaben aus einem Papier mit über 100 Seiten genommen. Das Papier enthält viele Aspekte, auf die man jeweils einzeln eingehen müsste. Aber als Hauptbegründung wurde eine gewisse Nähe zu der libanesischen Organisation „Hisbollah“ angegeben, die angeblich bestehen haben soll. Und wie Sie wissen, ist die Hisbollah als eine Terrororganisation in Deutschland eingestuft worden. Und eine Nähe zu dieser Organisation wird dazu genutzt, um zwei Moscheen schließen zu lassen. Die Moscheen werden hauptsächlich von Libanesen betrieben. Ich muss allerdings an dieser Stelle zwei rechtliche Punkte erwähnen: Es gibt keine Straftat, die angeblich vorliegen soll. Es gibt keine Anklage, keine Belastungsdokumente, es gibt keine Festnahmen etc. Es gibt lediglich Durchsuchungen – sowohl in den Moscheen als auch in den Privatwohnungen, unter anderem Privatwohnung eines schiitischen Hojjatoll- Islam, der in Deutschland lebt, und von Vorständen der Moscheen. Das liegt daran, dass wir in Deutschland eine rechtliche Besonderheit haben, die allen rechtlichen Prinzipien widerspricht, nämlich, dass ein Innenminister anordnen kann, eine Moschee einfach zu schließen, wenn er der Meinung ist, dass bestimmte Kriterien erfüllt sind. Dieser Innenminister sagt immer, diese Moschee würde der Völkerverständigung widersprechen. Das reicht schon. Jetzt muss die Moschee ihre Unschuld beweisen. Das heißt, der Innenminister bzw. der Innensenator eines Bundeslandes kann eine Moschee schließen, ohne einen richterlichen Beschluss vorlegen zu müssen. Und genau das ist geschehen. Hier haben die Moscheen nicht den Status einer Kirche, oder einer Synagoge oder eines anderen Gotteshauses, sondern den Status eines eingetragenen Vereines, dem jederzeit Aktivitäten untersagt werden kann. Das heißt, der Islam ist hier in Deutschland bei weitem nicht anerkannt, in keiner Weise. Jetzt sind hier zwei Moscheen nicht nur geschlossen worden, sondern ihr Eigentum wurde auch konfisziert. Das heißt, der Staat hat dieses Eigentum eingezogen. Wir reden von Gebäuden, die jeweils einen Wert von über einer halben Million haben. Es sind riese Gebäude, zum Bespiel in Bremen würde ich von der Quadratmeterzahl her weit größer einschätzen als das Gebäude des Islamischen Zentrum in Hamburg, um nur ein Gefühl für diese Sache zu bekommen. Das sind jetzt eben geschlossen worden. Die betroffenen Gemeinden können jetzt versuchen, auf juristischem Weg etwas zu erreichen, dass sie unschuldig sind. Aber letztenendes haben sie keine Chance – und das muss ich hier mit aller Deutlichkeit sagen – weil wir hier in Deutschland einen unglaublichen Kampf gegen die Schi-a erleben. Und dieser Kampf richtet sich gegen all diejenigen, die die geringste Sympathie für die Islamische Republik Iran, die die geringste Sympathie für die islamische Befreiungstheologie, und noch schlimmer Sympathie für Imam Khamenei ( Gott schütze ihn), haben. So etwas wird als Straftat betrachtet. Dieser Staat verfolgt diese Moscheen, geht gegen Einzelpersonen vor, geht gegen Firmen vor, in denen diese Einzelpersonen arbeiten. Wenn es sich dabei um bei nichtmuslimischen Firmen handelt, werden die Chefs dieser Firmen darüber informiert, damit sie sie rausschmeißen, und etc. Diese Leute verlieren ihre Konten (-Banken) in Deutschland. Ich kann nicht alles eigentlich in einem so kurzen Interview erläutern und aufzählen, was die Schiiten hier zu ertragen haben. Und diese Moscheenschließung ist ein neuer Höhepunkt. Und wenn Sie mich aber fragen, dann sage ich, das ist noch lange nicht das Ende der Voranstände. Hier wird noch vieles folgen, weil sich dieser Staat voll und ganz einer Ideologie verschrieben hat, die Schi-a speziell, und den Islam als Ganzes, zu bekämpfen. Wenn Sie dann diese Verbotsverfügungen analysieren, so sehen Sie, dass es einige Neuerungen gibt. Früher reichte schon die Nähe zur Hisbollah, oder Anti-Zionismus, um gegen Schiiten vorzugehen. Jetzt gibt es zwei neue Hauptvorwürfe, die dazu gekommen sind, ohne dass sie die anderen ersetzen. Das eine ist Anti-Amerikanismus. Das hatten wir bislang nicht gehabt. Der Anti-Amerikanismus wird als verfassungsgefährdend für den deutschen Staat eingestuft. Ein Anders - und das mag in der Islamischen Republik Iran besonders überraschend sein, das überrascht uns Muslime aber gar nicht - ist „Homophobie“. Das heißt, wenn man Z.B. sagt, in der Religion des Islams, des Christentums, oder des Judentums, ist Homosexualität eine Sünde. Diese alleine reicht schon. Das ist noch keine Wertung, sondern ein Fakt. Diese Aussage reicht, um von dem Verfassungsschutz verfolgt zu werden. Also, die Lage für die Muslime in Deutschland hat sich verschärft. Diesbezüglich haben wir von diesem Staat wenig erwartet. Unsere Erwartungen sind, dass Allah, der Erhabene, Inschallah, uns schützt. Es gibt Aufgaben. Wenn uns Aufgaben im Rahmen der Gemeinde nicht möglich sein soll, dann bekommen wir Inschallah eine andere Aufgabe.
Shahrokny: Sie haben in Ihren Ausführungen unter anderem gesagt, dass die betroffenen Moscheen ihre Unschuld beweisen müssten. Das ist aber – juristisch gesehen – verwerflich. Juristisch richtig ist es, wenn jemand etwas unterstellt, der muss es beweisen, und nicht umgekehrt.