Wird Syrien zum zweiten Libyen?
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Wird Syrien zum zweiten Libyen?
ParsToday – Nach dem Sturz von Baschar al-Assad befindet sich Syrien in einer neuen Phase der Unsicherheit, die nach Ansicht mehrerer Regionalanalysten das Land auf einen Weg führen könnte, der dem libyschen Szenario nach dem Sturz Muammar al-Gaddafis ähnelt.
Syrien, das über ein Jahrzehnt lang in einen verheerenden Krieg verwickelt war, ist nach dem Sturz Assads im Dezember 2024 in eine riskante Übergangsphase eingetreten. Wie IRNA berichtet, versucht Abu Muhammad al-Dscholani, der ehemalige Anführer der Terrorgruppe Haiʾat Tahrir al-Scham, nun als de-facto-Herrscher Syriens eine stabile und zentralisierte Regierung zu etablieren. Doch zunehmende Anzeichen von Sicherheitsinstabilität, tribaler Konkurrenz und ausländischer Einmischung lassen das Land in eine Entwicklung geraten, die an Libyen nach Gaddafi erinnert.
Libyen als warnendes Beispiel
Libyen zerfiel nach dem Sturz Gaddafis im Jahr 2011 in zwei rivalisierende Regierungen und leidet bis heute unter Bürgerkriegen, Streitigkeiten um Ölvorkommen und dem Einfluss externer Mächte. Dieses Land ist mittlerweile zu einem abschreckenden Beispiel für Syrien geworden.
Strukturelle Parallelen
Die libanesische Zeitung al-Akhbar listete in einem aktuellen Bericht mehrere sicherheitspolitische Herausforderungen Syriens auf, die erhebliche Zweifel an der Effizienz der Sicherheitsarchitektur der Dscholani-Regierung aufkommen lassen. Dieses System, das ursprünglich vom Modell der Haiʾat Tahrir al-Scham in Idlib inspiriert wurde, funktionierte während des Krieges und vor dem Sturz Assads – in einer Zeit, als Dscholanis Gruppierung Dutzende bewaffnete Fraktionen vereinte, Idlib verwaltete und eine schlagkräftige Miliz im Norden Syriens bildete.
Heute jedoch, da keine großen Fronten mehr aktiv sind, stößt dieses Modell an seine Grenzen. Die bewaffneten Gruppen konkurrieren nun um wirtschaftliche Ressourcen – von Schmuggelrouten bis hin zu lokalen Projekten – und ihre Allianzen sind zunehmend fragil. Der Druck Washingtons, die Kurdenfrage auf die Verhandlungstische zu bringen, die Unterstützung Israels für die Drusen in as-Suwaida sowie das Fehlen einer umfassenden militärischen Bedrohung führen dazu, dass Dscholanis Sicherheitsstrategie ineffektiv erscheint.
Gefahr einer Teilung ähnlich Libyens
Der arabische Nachrichtensender Al Jazeera berichtete unter der Überschrift „Warum wird vor einem libyschen Szenario in Syrien gewarnt?“, dass Syrien sich in eine ähnliche Richtung entwickle wie Libyen. In Libyen kontrolliert die von Abdulhamid Dbaiba geführte Regierung der Nationalen Einheit Tripolis, während Khalifa Haftar den Osten und Süden des Landes beherrscht. Ähnlich sei in Syrien die Übergangsregierung in Damaskus an der Macht, während die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) den Nordosten mitsamt seinen Öl- und Gasreserven kontrollieren.
Al Jazeera weist darauf hin, dass Haftar weiterhin auf russische Unterstützung mit Stützpunkten in al-Dschufra und al-Khadim bauen kann, während die SDF auf den militärischen Beistand der USA und deren Präsenz in den Basen Rmelan und Koniko angewiesen sind. Diese Aufteilung der Ressourcen – ähnlich wie in Libyen – bereitet den Boden für künftige Konflikte.
UN-Warnung: Syrien steht „am Rande des Abgrunds“
Die Deutsche Welle berichtete unter Berufung auf den UN-Sondergesandten Geir Pedersen, Syrien befinde sich „auf Messers Schneide“. Pedersen forderte al-Dscholani auf, seinen politischen Kurs zu ändern, um die Bildung eines autoritären Regimes zu verhindern. Er warnte, dass das fehlende Vertrauen zwischen der Übergangsregierung, den Kurden und den Drusen das Land erneut in innere Konflikte stürzen könnte.
Pedersen betonte zudem, dass die internationale Gemeinschaft handeln müsse, um zu verhindern, dass Syrien – wie Libyen – in einen Zustand chronischer Instabilität und dauerhafter Fremdeinmischung abrutscht.