Interview mit Willi Wimmer
„…weil das das Modell ist, dass die Amerikaner im letzten Jahrhundert in Europa zwei Mal angewendet haben. Also, vor diesem Hintergrund ist es nicht so, als könnten wir das nicht sehen und interpretieren, was dort in Afghanistan los ist. Das ist denen, die es betreiben, völlig egal, wie viele Menschen dabei über die Wupper gehen.“
ParsToday: Herr Wimmer, ich darf Sie ganz herzlich begrüßen zu diesem Interview!
Wimmer: Ja, guten Tag Herr Shahrokny, guten Tag nach Teheran!
ParsToday: Herr Wimmer, in Afghanistan vergeht fast kein Tag, an dem kein Terroranschlag mit verheerenden Folgen verübt wird. Unter Präsident Karsia war die Lage nicht viel besser. Aber es ist in der letzten Zeit etwas schlimmer geworden. Sie sind mehrere Male dort gewesen, Sie verfolgen die Entwicklungen am Hindukusch, deshalb möchte Sie fragen, wie Sie die gegenwärtige Lage in Afghanistan bewerten?
Wimmer: Das kann man - lieber Herr Shahronky - eigentlich machen, wenn man die jüngsten Entscheidungen der amerikanischen Seite dazu nimmt, vor allen Dingen die Entscheidungen unter dem Präsident Trump zu einer weiteren erneuten Aufstockung einer amerikanischen Militärpräsenz in Afghanistan zu kommen. Man muss, wenn man sich diesen Konfliktherd seit Jahrzehnten ansieht, muss man wirklich den Eindruck haben, dass es nur darum geht, eine amerikanische Militärpräsenz in Afghanistan zu garantieren, koste, was es wolle. Das haben wir jetzt über viele, viele Jahre hinweg verfolgen können und das ist ein Auf und Ab entsprechend den amerikanischen Vorstellungen. Wir kennen die afghanischen Stämme gut genug, um zu sagen, die passen sich natürlich diesen amerikanischen Überlegungen an, dann wird der Konflikt, hoch- oder runtergefahren und in dem Maße, wie jüngste Äußerungen des amerikanischen Präsidenten Trump lassen das ja vermuten, dass es nicht zu substanziellen Verhandlungen mit den Kriegsparteien in Afghanistan kommt, können wir uns nur darauf einstellen, dass das ein weiterer Dauerkriegsherd ist, in der unterschiedlichen inneren Verfassung, aber in jedem Fall ausschließlich im amerikanischen Interesse.
ParsToday: Herr Wimmer, es gab dort auch Phasen, wo man hoffte, die Lage hätte sich verbessert, dann kamen aber wieder Unruhen und Terroranschläge hoch. Was meinen Sie dazu?
Wimmer: Das ist ja aus meiner Sicht ein Bestandteil dieses afghanischen Fieberthermometers, so will ich das einmal nennen. Der Konflikt nimmt unterschiedliche Formen, je nach der Interessenlage der Beteiligten an. Ich weiß noch, als ich 2007 mit einem langjährigen guten Gesprächspartner von mir beim damaligen afghanischen Präsidenten Karsai in seinem Dienstzimmer in Kabul saß und er mir zu meiner großen Überraschung sagte, dass 2004 alle afghanischen Stämme und möglichen Kriegsparteien den Amerikanern gesagt haben, wir werden nie mehr die Waffen erheben, lass uns Frieden machen. Die Amerikaner haben das in ihrem Interesse schnöde zurückgewiesen. Das ist das eine. Das zweite hat etwas mit der Nato und der Europäischen Union zutun. Ich habe ja in Kabul Repräsentanten der Europäischen Union getroffen, mit denen lange gesprochen, die mir gesagt haben, wir verstehen die afghanische Situation. Wir wissen um die Belange und die Interessen der afghanischen Stämme und erklären das aus Europa stammenden Truppenkontingenten jedes Mal, wenn sie hinkommen. Wir verstehen die Afghanen so gut, dass wir eigentlich eine konfliktfreie Präsenz ausländischer militärischer Kräfte in Afghanistan sicherstellen können. Aber die Militärs hören überhaupt nicht darauf, was wir sagen. Kurzer Zeit, nachdem man mir das gesagt hat, sind die Repräsentanten der Europäischen Union aus Afghanistan rausgeschmissen worden. Das macht natürlich deutlich, dass da gelogen wird, dass sich Balten biegen, nur um eine Militärpräsenz fremder Mächte in Afghanistan aufrechtzuerhalten. Dann muss man sich im Umfeld umsehen, dann weiß man, wer gemeint sein kann: Die Russische Föderation, China, Indien spielt natürliche auch eine Rolle. Denn Indien ist in Afghanistan im hohen Maße politisch, diplomatisch präsent und Indien kann genau so gut gemeint sein. Und zwar als deutschen Abgeordneten in den 90er Jahren klar, dass vor dem Hintergrund des amerikanischen Musters, wie man sich in anderen Gebieten festgalt oder in anderen Kontinenten sich etabilliert, dass die Amerikaner über kurz oder lang nach Kaschmir gehen würden, um sich da festzusetzen, weil das das Modell ist, dass die Amerikaner im letzten Jahrhundert in Europa zwei Mal angewendet haben. Also, vor diesem Hintergrund ist es nicht so, als könnten wir das nicht sehen und interpretieren, was dort in Afghanistan los ist. Das ist denen, die es betreiben, völlig egal, wieviele Menschen dabei über die Wüpe gehen.
Das Interview wurde geführt von: Seyyed-Hedayatollah Dhahrokny
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Anmerkung:
Das Interview in Voller Länge im Audio