Wird der Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft Frieden in die Ukraine bringen?
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
ParsToday- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte schließlich, dass sein Land bereit sei, die Bemühungen um einen NATO-Beitritt im Austausch gegen einen Waffenstillstand aufzugeben. Dies war laut russischen Verantwortungsträgern einer der Hauptgründe für den Ausbruch des Krieges.
Selenskyj gab bekannt, dass die Ukraine ihren Wunsch, der NATO beizutreten, aufgegeben hat und stattdessen verbindliche Sicherheitsgarantien von den USA, Europa und anderen internationalen Partnern fordert.
Diese Erklärungen stellen die bedeutendste strategische Kursänderung Kiews seit Beginn des russischen Einmarsches im Februar 2022 dar. Ein Land, das die NATO-Mitgliedschaft jahrelang als Garantie für sein Überleben und seine Unabhängigkeit betrachtete, ist nun bereit, dieses Ziel aufzugeben, in der Hoffnung, den zermürbenden Krieg zu beenden. Der Ukraine-Krieg war von Anfang an mehr als ein Territorialkonflikt. Er war ein Zusammenprall zweier gegensätzlicher Auffassungen der europäischen Sicherheitsordnung. Die Ukraine wollte sich durch den NATO-Beitritt vollständig aus Russlands Sicherheitskorridor lösen. Russland hingegen sah die NATO-Osterweiterung als direkte Bedrohung seiner nationalen Sicherheit. Zahlreiche renommierte westliche Denkfabriken und Analysten wie Chatham House und Foreign Affairs hatten bereits vor Jahren gewarnt, dass das Beharren auf der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine eine harte Reaktion Moskaus nach sich ziehen könnte. In diesem Kontext lässt sich Russlands Einmarsch im Februar 2022 verstehen.
Nach fast vier Jahren Krieg, Hunderttausenden Toten und Verletzten sowie dem Verlust von rund 20 Prozent des ukrainischen Territoriums ist Selenskyj nun bereit, die zentrale Forderung Russlands – den Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft – als Teil eines Kompromisses zu akzeptieren. Dieser Kurswechsel ist nicht freiwillig, sondern eine Folge der Realität vor Ort. Derzeit verfügt die Ukraine nicht über die militärischen Kapazitäten, um ihre Gebiete vollständig zurückzuerobern. Gleichzeitig fehlt innerhalb der NATO der politische Konsens für eine Mitgliedschaft der Ukraine.
Der alternative Vorschlag „Sicherheitsgarantien ähnlich denen gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrags“ ist ein Versuch, einen Mittelweg zwischen zwei Sackgassen zu finden. Laut einigen Denkfabriken wie dem European Council on Foreign Relations könnte dieses Modell der Ukraine ein Mindestmaß an Abschreckung bieten, ohne die NATO formell zu erweitern. Gegenseitige Garantien mit den USA, Sicherheitszusagen europäischer Länder sowie die Einbindung von Akteuren wie Kanada und Japan könnten laut Selenskyj einen erneuten russischen Angriff verhindern. Doch die Zweifel sind groß. Denn Artikel 5 des NATO-Vertrags ist nicht nur eine juristische Klausel, sondern basiert auf kollektivem politischen Willen, einer einheitlichen Kommandostruktur und einer langen Geschichte glaubwürdiger Abschreckung. Sicherheitsgarantien außerhalb der NATO haben selbst bei Bindungswirkung nicht zwangsläufig dieselbe Wirkung. Die bittere Erfahrung mit den Garantien des Budapester Abkommens aus den 1990er-Jahren ist im politischen Gedächtnis der Ukraine noch immer tief verankert. Garantien, die einen russischen Angriff nicht verhindern konnten. Aus diesem Grund zweifeln viele Analysten an der Wirksamkeit dieses Modells und betrachten es eher als einen fragilen politischen Kompromiss denn als einen echten Sicherheitsschirm.
Selenskyjs Entscheidung ist jedoch eher ein Zeichen von Schwäche als ein Eingeständnis des harten Realismus in der internationalen Politik. Der NATO-Beitritt hat der Ukraine nicht nur keine Sicherheit gebracht, sondern den Krieg sogar noch verschärft. Indem er diese symbolträchtige Forderung aufgibt, versucht der ukrainische Präsident nun, den Weg für ein Kriegsende zu ebnen. Die Fortsetzung des Krieges würde die Ukraine nur weiter schwächen, ohne das Machtgleichgewicht zu verändern. Aus russischer Sicht könnte dieser Rückzug als politischer Sieg gewertet werden.