Jun 17, 2019 17:52 Europe/Berlin
  • Parwiz Bahram und die Filmsynchronisation im Iran 

Am 29. Mai dieses Jahres haben die Freunde, Kollegen und viele Künstler Parwiz Bahram das letzte Geleit gegeben. Wir werfen einen Blick auf das Leben dieses bekannten Rundfunk-, Fernseh- und Synchronsprechers und auf die Filmsynchronisation im Iran.

 

 

 

Parwiz Bahram

 

Parwiz Bahram ist im Alter von 85 verstorben. Mit circa 25 hat er als Synchronsprecher zu arbeiten begonnen. Er hat viele Texte zu Dokumentationen gesprochen und wurde als Sprecher für die Dokumentarfilme „Seidenstraße“ und „Geheimnis des Überlebens“ bekannt. In dem Film „Inspektor Caster“ – wie der iranische Titel für die deutsche Kriminalserie „Der Alte“ lautet,  hat er anstelle von Inspektor Köster gesprochen ebenso wie er in Spielfilmen die  Stimmen von Schauspielern wie Orson Welles,   Laurence Olivier und Robert Taylor synchronisierte.

Parwiz Bahram hat für  Kirk Douglas in „Die Fahrten des Odysseus“ von  Mario Camerini gesprochen und  Sergei Bondartschuk, Anthony Hopkins und   Laurence Olivier in der Rolle des Othellos und letzteren auch in der Rolle von Heinrich des Achten vertreten. Andere bekannte Schauspieler, an deren Stelle er sprach,  waren James Mason in der Rolle des Schriftstellers  Gustave Flaubert in  dem Film Madame Bovary von Vincent  Minelli , Herbert Lom in der Rolle des Napoleon    in dem Film „Krieg und Frieden“ von King Vidor und    Richard   Jordan in der Hauptrolle des Jean Valjean in der Filmserie „Die Elenden“ und weitere.

 

Parwiz Bahrams Stimme war etwas besonders und er ist einer der auserlesenen Synchronsprecher im Rundfunk- und Fernsehen der Islamischen Republik, die  mit dem Titel „unvergessliche Stimme“ und „unvergessliches Gesicht“ geehrt wurden.  Bahram hat circa 6 Jahrzehnte als Sprecher gearbeitet.  Manutschehr Walizadeh, ein alterfahrener Meister der Filmsynchronisierung hat über ihn gesagt: „Als ich als junger Mann in der Abteilung für Synchronisierung begonnen habe, bin ich sein Schüler gewesen. ...Er war ein großartiger Mensch und wir haben alle etwas von ihm gelernt. Bahram Parwiz war Künstler, der zwar Jura studiert hatte, aber ein Meister in der Synchronisation wurde, wofür  er immer in Erinnerung bleiben wird.“

 

 

Parwiz Bahram ist  1933 in Teheran auf die Welt gekommen aber er hat seine Kindheit in der Stadt Babol in der Provinz Mazanderan am Kaspischen Meer verbracht. Sein Vater war ein Meister des Spiegel- und Stuckwerkdekors und ein Bildhauer. Einiger  seiner Werke können noch im Golestan-Palast in Teheran bewundert werden.

Parwiz Bahram wirkte nach seinem Jurastudium erst als Rechtsanwalt. Er sagt, dieser Beruf habe ihn deshalb  gereizt, weil er Redekunst erfordert.  

Nach Ansicht von Bahram  kann nur jemand ein guter Leiter der Abteilung für Film-Synchronisation werden, wenn er  Kenntnisse über Kunst, Musik, Film und Filmregie  besitzt. Er sagt, es sei eine große Kunst die geeignete Sprecherbesatzung zu wählen. Parwiz Bahram empfiehlt für weitere Erfolge in der  Synchronisation  optimale Übersetzungen von Filmtexten und eine angemessene Beachtung der materiellen und  immateriellen Rechte von Synchronsprechern und Leitern der Synchronisierungsabteilung.

Die Mitarbeiter von Parwiz Bahram beschreiben ihn als sympathisch und korrekt,  gebildet und erfahren und humorvoll. Vor seiner Tätigkeit als Synchronsprecher ist er im Theater tätig gewesen. Leider erkrankte er vor 5 Jahren an Krebs und starb am 27. Mai zuhause.

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Die Filmsynchronisierung  blickt im Iran auf eine lange Vergangenheit zurück. Ihre Geschichte begann mit der Farsi- Synchronisierung ausländischer Filme und Fernsehserien. Heute aber werden im Iran umgekehrt viele iranische Filme und Serien in anderen Sprachen synchronisiert, wie Spanisch, Englisch und Arabisch.

Zu Beginn der 30-iger Jahre des 20.  Jahrhunderts wurden zum ersten Mal ausländische Tonfilme ins Land geholt und erschienen in den Kinos, darunter dem frisch eröffneten Palace-Kino   in Teheran. Anfangs wurde nicht wirklich synchronisiert, sondern während der Vorführung   trug ein Übersetzer mit lauter Stimme dem Publikum die Filmgeschichte vor.  Dann ging man darauf über, alle paar Minuten schriftlich auf der Leinwand eine Zusammenfassung von dem Inhalt der vorherigen Szenen zu präsentieren.  Wegen der  Analphabeten unter den Zuschauern  wurde es dabei jedoch notwendig, dass zusätzlich jemand diese Texte im Kinosaal laut vorliest. 

Alle diese Methoden konnten das Publikum nicht wirklich zufriedenstellen und die Verwendung von Untertiteln lohnte sich auch nicht.   Im September 1941 wurde  der erste Ton- Film in Farsi  in den Teheraner  Kinos vorgeführt. Es war  ein Nachrichtenfilm über die Eröffnung der iranischen Eisenbahn.  Während des Zweiten Weltkrieges wurden außerdem viele Nachrichtenfilme   der alliierten Mächte auf Persisch vertont und in iranischen Kinos gezeigt.

In den  40iger Jahre des letzten Jahrhunderts engagierten sich einige junge Leute schließlich für die Synchronisierung von Filmen. Ismael Kuschan war der erste,  der 1946  in der Türkei einen französischen Film in der Farsi-Sprache vertonte. Damals war in der Türkei die Synchronisierung bereits üblich und es gab gut ausgestattete Studios dafür.

 

Unterdessen richteten in Teheran einige junge Kinofreunde das  erste Synchronisationsstudio ein, genannt  Iran-e No -Film.  Mit der Zeit wurde die Film-Synchronisierung immer professioneller.  In den 50iger Jahren nahm die Zahl solcher Studios  in Teheran zu, in denen mit Hilfe von Kino-, Rundfunk- und Theaterschauspielern fremdsprachige Filme synchronisiert wurden.   1952 machte sich ein armenischer Iraner namens Alex Aqababiyan auf den Weg nach Italien, weil dort  die Filmsynchronisation schon weit vorangeschritten war. Er ließ in Rom mit Hilfe  von dort ansässigen  iranischen Studenten   einen italienischen Film synchronisieren und schickte ihn an die Kinos in Teheran. Der iranische Titel lautete „Feridune Binawa“ (der arme Feridun) und stieß im Iran auf Beifall. Dieser Synchronisation eines italienischen Filmes folgten weitere. Einige Synchronisationssprecher im Iran begaben sich daraufhin auch nach Rom.

Nach einer relativ langen Phase  wurde die Farsi- Synchronisierung in Italien   Anfang der 60iger Jahre eingestellt,  und es wurde in  Teheran die Gewerkschaft der  Filmsprecher gegründet.  Damit begann die  goldene Ära der Filmsynchronisierung im Iran und das Land machte sich auch im Ausland wegen seiner guten Synchronisierung einen Namen.  

1968 nahm das Iranische Nationalfernsehen seine Arbeit auf und richtete eine Synchronisierungsabteilung ein. Die meisten Filmverteiler schließen seitdem für die Synchronisierung ihrer Filme einen Vertrag mit Synchronisationsstudios ab, dessen Leiter  die Verantwortung für  Übersetzung und Synchronisierung  übernimmt. Die entscheidende Arbeit ist die Anfertigung des passenden Synchronisationstextes und die Studioaufnahme in einer Form, dass Filmszenen und die in die Zielsprache übertragenen Texte in Einklang zueinander stehen.  Im Durchschnitt dauert die Synchronisierung eines Spielfilmes von 90 Minuten eine Woche lang.

                       

 

Die Synchronisierung ist zwar das Medium für die Vermittlung des ursprünglichen  Filminhaltes, kann aber durch eine kreative Gestaltung eine Rolle übernehmen, die über den geschriebenen Text hinausgeht. Ähnlich  wie  die  Übertragung eines Gedichtes oder einer Erzählung aus einer anderen Sprache eine Herausforderung an den Übersetzer darstellt, da dieser nach passenden Äquivalenten in der Zielsprache suchen und gleichzeitig dem Original treu bleiben muss, erfordert eine gute Filmsynchronisation , dass der Sprecher improvisieren kann.  Denn er muss  bei der Synchronisierung jeweils den passenden Ton  und die passende Satzmelodie einsetzen.

Der Synchronsprecher ist die dritte Säule bei der Vermittlung des Inhaltes eines fremdsprachigen Filmes. Er ist als  der Endkatalysator bei der Textübertragung die wichtigste Person bei der Vorbereitung eines fremdsprachigen Fernsehprogrammes für die Ausstrahlung.  Manchmal wird die Synchronisierung auch bei Farsi-sprachigen Filmen eingesetzt, dann nämlich  wenn die Original-Stimme des Schauspielers nicht zu seinem  besonderen Maskenbild passt oder verschieden von seinen vorhergehenden Rollen in anderen Filmen ist. 

                  

Wenn die vielen  berühmten ausländischen  Kinofilme nicht in Farsi synchronisiert worden wäre, dann wäre vielleicht heute das Kino nicht  von dieser Bedeutung im Iran und es ist auch nicht übertrieben wenn wir sagen, dass die Kunst der Synchronisierung im Iran im Vergleich zu vielen anderen Ländern auf der Welt einen besonderen Platz einnimmt und vielleicht sogar eine der Besten weltweit ist und zwar unter anderem wegen der ausgezeichneten Sprecher und der guten Übersetzungen. Die Synchronisation von begabten Sprecherinnen  wie Maryam Schirzad, Zohre Schekufande, Schahla Nazeriyan und  Zhaleh Olov und Sprechern wie Manutscher  Walizadeh, George Petrussi, Keykawus Yakideh, Said Muzafari, Manutschehr Nozari und  Iradj Nazeriyan gehören zu den iranischen Synchronisationsgrößen.    Nicht  zu vergessen sind selbstverständlich  die großen Lehrmeister der Synchronisation für den iranischen Film wie die Sprecherin Zhaleh Kazemi und die Sprecher   Chosrou Chosrouschahi, Nasser Tahmasb,  Tschangiz Dschalilwand,   Manutschehr Ismaeli und natürlich der verstorbene Parwiz Bahram.  

 

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