Rückblick in die Geschichte: Entfaltung der Islamischen Zivilisation in Al-Andalusi
Das Mittelalter hatte seine Schatten über Europa geworfen, als der Islam diesen Kontinent erreichte und sein Wissen und seine Kultur in Spanien Verbreitung fanden.
Die Iberische Halbinsel war im Mittelalter zum großen Teil in der Hand der Muslime und das ganze Gebiet und nicht nur eine Provinz wurde Andalusien genannt. Al Andalus gehörte 800 Jahre lang zur Islamischen Zivilisation und war in allen Bereichen eine Brücke zwischen dem Orient und Okzident: politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell gesehen.
Die Ureinwohner der Iberischen Halbinsel sind die Iberer. Aber auch andere Völker haben in diesem Gebiet im Südwesten Europas gelebt wie die Phönizier und nach ihnen die Griechen, dann die Karthager, und lange Zeit herrschten auch die Römer über dieses Gebiet. Das Römische Reich legte großen Wert auf die iberische Insel denn sie verband Europa mit Afrika. Die Römer führten bis zum 5. Jahrhundert nach Christus das Regiment in Andalusien bis die Goten ins Land einbrachen und sie vertrieben. Im 6. Jahrhundert regierten die Goten in Spanien und die Bevölkerung hatte unter der großen Gewalt ihrer Herrscher zu leiden. Deshalb begrüßten viele von ihnen die Ankunft der Muslime im Jahre 714 nach Christus. Viele große Städte öffneten selber dem Heer der Eroberer ihre Tore und ihre Bewohner suchten bei den Muslimen Schutz vor den üblen Herrschern.
Die Muslime sind nach der islamischen Zeitrechnung im Jahre 89 nach der Hidschra nach Spanien gekommen, und zwar in der Zeit als der Umayyade Walid Ibn Abdul Malik herrschte im 8. Jahrhundert nach Christus. Walid bestimmte eine Person namens Musa Ibn Nasir zum Gouverneur über Nordafrika, welches kurz vorher von den Muslimen erobert worden war und plante auch in weitere Gebiete vorzudringen und die Bevölkerung zum Islam einzuladen. Dies machte ihn auf Spanien aufmerksam. Musa Ibn Nasir beauftragte seinen Befehlshaber Tariq ibn Ziyad mit der Eroberung von Spanien. Tariq ibn Ziyad setzte mit einer kleinen Schar am Gibraltar zur Iberischen Halbinsel über. Sie verließen ihr Schiff am 21. Schawwal des Jahres 92 nach der Hidschra an einem Ort am Gibraltar, von wo aus sie in vier Jahren die gesamte iberische Halbinsel eroberten. Übrigens ist die Bezeichnung GibraltarDer Name „Gibraltar“ ist die spanische Ableitung des arabischen Namen Dschabal Tariq, mit der Bedeutung Berg des Tariq.

Im Mittelalter betrieb die Kirche in Europa die Inquisition und Gelehrte, die anderer Meinung waren als die Kirchenväter aber auch einfache Leute wurden wegen angeblicher Ketzerei gefoltert und auf grausame Weise hingerichtet. Die Muslime aber brachten eine wichtige Wende.
Die Muslime haben nach der Einnahme der Iberischen Halbinsel für die Freiheit von Christen und Juden garantiert und gewährten ihnen Schutz. Diese entrichteten als Gegenleistung eine Sonderabgabe und waren von den Steuern, die Muslime abgeben mussten, befreit. Unter der Herrschaft der Muslime genossen die Christen Freiheit und Sicherheit. Sie hatten ihre eigenen Gebetsstätten, verfügten frei über ihren Besitz und bis auf einige Verstöße gegen die islamischen Bestimmungen, hatten sie ihre eigenen Gerichtshöfe, in denen sie Streitfälle gemäß ihren eigenen Gesetzen klärten. Dank dieser Freiheitsrechte kamen die Muslime und Christen einander näher und die Eheschließung von Muslimen mit Christinnen wurde üblich. Einige Christen wählten sogar einen islamischen Namen für sich und folgten bei einigen Zeremonien dem Beispiel ihrer muslimischen Mitmenschen. Alles natürlich aus freien Stücken. Die Muslime in Al-Andalusi behandelten auch die Juden auf der Iberischen Insel gütig und friedlich. Als die Tötung von Juden in einigen Teilen Europas einsetzte, suchten viele von ihnen in al-Andalusi Schutz und die Muslime nahmen sie in auf und gewährten ihnen Sicherheit.

Auf der iberischen Halbinsel kam es nach der Ankunft der Muslime zu einer Entfaltung in Kultur und Kunst. Henry Stephen Lucas , Autor des Buches A short History of Civilization , welches einen Einblick in die Geschichte der Zivilisation liefert, ist der Ansicht, dass die Beiträge der Muslime in Spanien zur Kultur in Europa von außerordentlicher Bedeutung sind. Er bestätigt: Nachdem sich die Tore Spaniens für die Muslime geöffnet hatten, haben ihre Herrscher die Region mit der islamischen Kultur, ihrem Wissen und Denken vertraut gemacht. Das Leben der Bevölkerung änderte sich schlagartig, als sie die islamischen Werte und das islamische Wissen anerkannt hatten und die Städte (Qurtuba) Cordoba, (Tulaitila) Toledo und (Gharnata) Granada entwickelten sich zu Zentren für die Entfaltung von Wissenschaft, Kultur und Kunst und von dort aus hat sich das islamische Wissen auch einen Weg in andere europäische Gebiete wie Frankreich und Deutschland gebahnt.
Die wissenschaftliche Bewegung, die der Islam in Al-Andalusi auslöste, hinterließ so bekannten Denker und Gelehrte wie Ibn Ruschd ( Averroes), Ibn Arabi, Ibn Tafail, Hayyan ibn Chalaf al Qurtubi und weitere. In der Bibliothek von Cordoba im islamischen Andalusien wurden 400 tausend Bücher aufbewahrt. Unterdessen existierten in den großen Bibliotheken des christlichen Europas vor dem 12. Jahrhundert nur einige Hundert Bücher.
Der Islam führte in Andalusien zur Bildung und dem Fortschritt von sozialen Institutionen und zum Aufbau des Gebietes. Rasch entwickelten sich mehrere große Städte, die Wirtschaft und das Handwerk. Die Stoffweber von Granada wurden bekannt und lieferten ihre Stoffe an andere Orte Europas. Diese attraktiven Stoffe mit hoher Qualität , fanden auf den europäischen Märkten Gefallen und so kam es, dass die Bekleidung, die Christen in Europa trugen, der Bekleidung der Muslime zu ähneln begann. Großen Aufschwung erfuhr in Al-Andalusi auch die Nutzung von Glas. Im 15. Jahrhundert nach Christus (9. Jahrhundert nach der Hidschra) lebte in Cordoba der Philosoph und Gelehrte Abbas ibn Firnas, der eine Brille, ein kompliziertes Barometer und den ersten Flugapparat erfand.
Die Muslime führten in Al-Andalusi neue Methoden der Landwirtschaft ein. Ibn al-Awwam hat in seinem Buch über die Landwirtschaft (Kitab-i Al Falahi) 600 Pflanzen beschrieben. Dieses Buch ist besonders wegen seiner neuen Theorien über verschiedene Arten von Böden und Düngemittel, Pflanzenveredelung, und Pflanzenkrankheiten und ihre Behandlung, die Methoden zur Aufbewahrung und Konservierung von Früchten interessant und enthält neue Erkenntnisse.
Nicht nur die Landwirte von Al-Andalusi machten sich dieses Wissen zu nutzen, auch an anderen Orten Europas profitierte man in der Landwirtschaft von den Initiativen der Muslime in Andalusien. Von dort aus gelangten Hanf und Safran nach Europa und wurden dort angepflanzt. Der Aufschwung in der Agrarkultur begünstigte auch den Handel. Die Häfen Malaga und Almería wurden zu aktiven Umschlagplätzen für die Ausfuhr von Handelswaren. Die Waren aus Andalusien wurden in andere Teile des europäischen Kontinentes geliefert und einige Erzeugnisse wurden auch in Mekka, Bagdad und Damaskus auf den Markt gebracht.
Auch die großen Bauwerke in Andalusien zeugen von der ehemaligen Herrschaft der Muslime und von ihrer Kunst und ihren neuen Ideen. Typisch für die muslimische Architektur in Andalusien sind die sichelförmigen Torbögen, die Minarette und mächtigen Säulen, Kuppelbauten und das Stuckwerk. Die Hauptmoschee von Cordoba stammt aus dieser Zeit. Allerdings sind Teile der Gebetsstätten der Muslime in Andalusien, nachdem die Christen die Oberhand gewonnen hatten zerstört und an ihrer Stelle Kathedralen gebaut worden. Doch andere historischen Bauwerke sind fast in der gleichen Gestalt, die sie Ende des 9. Jahrhunderts nach Christus besaßen, verblieben.

Die deutsche Wissenschaftlerin Sigrid Hunke schreibt: „Spanien war die vollständige Verwirklichung und der Gipfel der Islamischen Künste. Wenn es eine Entwicklung gab, dann konkret in Andalusien. Die reichste Entwicklung und höchste Entfaltung geschah genau dort, wo sich niemals eine bedeutende einheimische Kultur entwickelt hatte.“
Hunke schreibt weiter: „In Cordoba gab es eine große Kathedrale und die Christen durften sie renovieren und für ihren Gottesdienst nutzen, während die muslimischen Eroberer für sich selber in der Umgebung der Stadt einfache Moscheen bauten. Nachdem die Bevölkerung von Cordoba gewachsen war, wurde der Bau einer Hauptmoschee in dieser Stadt, die ihr Befehlssitz war, notwendig. Daher hat Abdur Rahman, der damalige Herrscher den Christen die Kirche abgekauft und sie in eine große Moschee umgebaut.“
Wir haben Ihnen hiermit einen kleinen Eindruck von dem positiven Einfluss der Islamischen Zivilisation in Andalusien gebracht. Leider ging die Islamische Herrschaft schließlich trotz all dieser Größe nach 800 Jahren wieder zu Ende. Grund dafür war die Verbreitung der Zügellosigkeit. Dieser Auf- und Untergang des Islams in einem Land auf dem europäischen Kontinent enthält wichtige Lehren für die Muslime von heute. Der zeitgenössische iranische Denker Schahid Motahhari sagt darüber: „Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass immer wenn dominante Mächte sich eine Gesellschaft unterwerfen und sie ausbeuten wollen, bestrebt sind, den Geist der Gesellschaft zu verderben und zu diesem Zweck den Weg für Vergnügungssucht ebnen und die Menschen dazu anspornen. Ein lehrreiches Beispiel für diese hässliche Methode, ist das Drama, das sich für die Muslime im muslimischen Spanien ereignete. Die Christen sind auf diese Weise vorgegangen , um die Muslime aus Spanien zu entfernen … auf diese Weise konnten sie die Entschlossenheit, den Willen, die Macht und den Mut, und den Glauben und die seelische Reinheit der Muslime vernichten und sie in schwache, vergnügungssüchtige Leute verwandeln, die sich betrinken und viel an Frauen denken. Es ist ganz klar, dass es nicht schwierig ist, solche Leute zu besiegen.“