40 erloschene Sterne in der Dascht-e Barchi
(last modified Mon, 24 May 2021 03:21:57 GMT )
May 24, 2021 05:21 Europe/Berlin

In diesem Beitrag geht es um eine Tragödie, die sich in Westkabul abgespielt hat: Der grausame Anschlag auf eine Grundschule für Mädchen.

 

                      

Die muslimische Bevölkerung von Afghanistan, bestehend aus Schiiten und Sunniten, hat in der Vergangenheit immer friedlich zusammengelebt. Die Geschichte bezeugt, dass es niemals zu einem Zwiespalt wegen unterschiedlicher religiösen Rechtsschulen unter ihnen gekommen ist. Aber seit einigen Jahren ist die Fratze der Zwietracht und des Brudermordes in diesem Land aufgetaucht. Zahlreiche Muslime in Afghanistan in der Hauptsache Schiiten wurden bereits  in den letzten Jahren ermordet und jedes Mal hat die groteske Gruppe der Daisch – des so genannten Islamischen Staates – die Verantwortung für diese Verbrechen übernommen. Die IS-Terrorbande wird weder von der afghanischen Bevölkerung unterstützt noch hat sie einen festen Aufenthaltsort in diesem Land.

                  

Das Leid der afghanischen Bevölkerung in diesem Land scheint nicht enden zu wollen, insbesondere das Leid der Schiiten. Am 8. Mai, dem 25. des Fastenmonats Ramadan, waren mehrere Explosionen im Westen Kabuls im Distrikt Dascht-e Barchi  zu hören und langsam sickerte die Schreckensnachricht durch, dass eine große Zahl von Schülerinnen im Alter von 9 bis 14 Jahren Opfer eines Bombenanschlags geworden waren.

Es war am 8. Mai um 20 Minuten nach vier Uhr nachmittags.  Der Unterricht in der Seyyed ul Schuhada-Schule in der Dascht-e Barchi war zu Ende. Die Mädchen räumten ihre Bücher in die Taschen und verließen gerade in Grüppchen lachend und lärmend die Schule, als plötzlich vor dem Gebäude eine Autobombe explodierte. Plötzlich war kein Lachen mehr zu hören sondern nur noch Weinen und Schreien.  Ein Teil der Kinder wollte in das Schulgebäude zurücklaufen um dort Schutz zu suchen, als  sich die nächste Explosion ereignete.  Viele dieser armen Schulmädchen kamen ums Leben oder erlitten Verletzungen.  Ein großes  Entsetzen verbreitete sich in der Stadt.

 

Ein Augenzeuge berichtet: „Nach der Explosion sah ich viele kleine Mädchen vor der Schule am Boden liegen. Besonders eine Szene hat mich schockiert:  ein kleines Mädchen, das verletzt war und sich in seinem Blut hin und her wälzte, während seine Schultasche Feuer gefangen hatte. Sie bat mich um Hilfe und ich dachte, sie möchte, dass ich sie sofort ins Krankenhaus bringe. Aber sie klagte unter Schmerzen: „Wo ist meine kleine Schwester? Ich sehe sie nicht!`“

Weshalb wurden diese afghanischen Kinder in Stücke zerrissen? Was hatten sie denn verbrochen?

بِأَيِّ ذَنْبٍ قُتِلَتْ

 

Die Ermordung eines unschuldigen Menschen zählt zu den unverzeihlichen Sünden.  Durch die Tötung eines Menschen ohne berechtigten Grund wird ihm sein Recht auf Leben verweigert.

Gott der Allmächtige stellt im Vers 9 der Sure 81   (Takwir) im Zusammenhang mit der üblen Sitte der Araber in der vorislamischen Zeit, eine Tochter bei lebendigem Leibe in der Erde zu verscharren, die Frage:

...Wegen  welcher Sünde es (das lebendig begrabene Mädchen)  getötet wurde,

Der Heilige Koran mahnt ausdrücklich vor der Wahrung von unschuldigem Leben. Er hebt das Recht auf Leben so sehr hervor, dass er den Mord eines unschuldigen Menschen dem Mord an allen Menschen gleichstellt. Mit dem folgenden Koranvers  wird die  absichtliche Tötung eines unschuldigen Menschen absolut verworfen: 

Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (dass es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte

Vers 32 Sure 5 (Maida)

 

   (wegen welcher Sünde wurde das Mädchen getötet?) بِأَیِّ ذَنْبٍ قُتِلَتْ

 

Dschawid ist an dem Ort des schrecklichen Geschehens in Kabul gewesen. Er berichtet: „Ich war gerade an der Uni, als sich die Explosion ereignete. Im Büro sah ich zwei Mitarbeiter weinen und erfuhr, was passiert war. Sofort bin ich zu dem Unglücksort geeilt. Ein Mädchen aus meiner Familie ging an diese Schule. Dort sah ich Szenen, die selbst ein Herz aus Stein bewegt hätten. In jeder Ecke lag eine Leiche und jemand war über sie gebeugt und weinte.

Ich sah einen alten Mann, dem die Tränen von seinem weißen Bart herabtropften.  Er sagte, er habe in einem der Schulhefte die Schrift seines Mädchens erkannt, aber er habe sein Mädchen noch nicht gefunden. 

Es war eine Katastrophe. Überall Blut  und kleine Mädchen, die sich in ihrem Blut wälzten.“

 

Die meisten Schülerinnen, die Opfer der Explosion in Dascht-e Barchi wurden, kamen aus armen Verhältnissen. Dieser Distrikt ist einer der ärmsten Bezirke Kabuls. Viele von diesen Mädchen halfen zuhause beim Teppichknüpfen und sie besuchten die Schule in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

 

 

Es gab viele Reaktionen in den sozialen Netzwerken auf diese  entsetzliche  Bluttat.  Die erschütternden Bilder von den blutigen Leichen der kleinen Schülerinnen der Seyyed ul Schuhada-Schule von Kabul wurden in diesen   Netzwerken veröffentlicht und die Anwender haben den Hinterbliebenen dieses Terroranschlages ihr Beileid mit Hilfe von  entsprechenden Hashtags und Clips  ausgedrückt.  Einer der iranische Anwender  auf Twitter namens Husain Yekta schrieb:

„Der Tag ist nahe, an dem sie die kleinen Mädchen, die in ihrer Schulklasse mit dem Wiegelied einer Explosion für immer entschlafen sind, fragen werden:  بِأَیِّ ذَنْبٍ قُتِلَتْ

 wegen welcher Sünde wurdest du  getötet?

Wann wachen wir endlich auf?“

Ein anderer Anwender erinnerte an die Predigt 27 von Imam Ali in Nahdsch-ul-Balagha und schrieb:

„Imam Ali (F) hat gesagt: `Ich habe gehört, dass sie einer Jüdin gewaltsam den Schmuckreifen an ihrem Bein entrissen haben`,  und er nahm dazu wie folgt Stellung:

Wenn irgendein Muslim deswegen vor Kummer gestorben wäre, kann man ihn nicht tadeln, sondern er wäre bei mir wertgeschätzt.

Wehe uns, wenn wir teilnahmslos zuschauen, wenn solche kleinen unschuldigen Mädchen in Afghanistan niedergemetzelt werden.

Wie sehr fehlt in dieser Zeit ein Mann, der den Kampfplatz betritt.“

 

Ein anderer Anwender namens Ali Resa schrieb:

„Gibt es einen schöneren Märtyrertod als der Märtyrertod in der Schule des Seyyed ul Schahada (des Fürsten der Märtyrer, Imam Husain (F)). Euch gereicht er zur Ehre, aber für eine Welt, die gegenüber eurem vergossenen Blut schweigt, ist euer Tod eine Schande.“

 

Viele bekannte Politiker,  Persönlichkeiten und Organe in Afghanistan  haben den Terroranschlag auf die schiitischen Schulmädchen in Kabul verurteilt.

Es ist nicht das erste Mal gewesen, dass die Menschen in Afghanistan, insbesondere die Schiiten und die drittgrößte, vornehmlich schiitische Minderheit der Hazara in Kabul blutigen Anschlägen ausgeliefert wurden. Wiederholt gab es Terroranschläge auf Moscheen, Schulen und Universitäten in Afghanistan.

Doch jedes Mal begnügen sich die afghanischen Regierungsverantwortlichen sowie die Völkergemeinschaft und die westlichen Ländern, die wegen ihrer militärischen Präsenz in diesen Jahren den Terrorismus gefördert haben, mit der verbalen Verurteilung der  Tragödie und bleiben lediglich Zuschauer der  Leiden der unterdrückten afghanischen Bevölkerung.

Die Verurteilung solcher Anschläge ist schon Routine geworden und hat eine klischeehafte Form angenommen.  Keine der internationalen Organisationen und keiner in der  Hegemonieordnung will eine Antwort darauf liefern, wer die Urheber dieser schrecklichen Verbrechen in Afghanistan sind und warum die Menschen in Afghanistan tagtäglich die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschheit erleben müssen!