Jun 03, 2023 07:02 Europe/Berlin

Auswirkungen des Misserfolgs des sog. Jahrhundertseals auf den US-Niedergang

Das Scheitern und der Niedergang der westlichen liberalen Ordnung sind eine Tatsache, die sich im   internationalen System abspielt. Die Vereinigten Staaten von Amerika als Führer dieser Ordnung hat auch Schwäche erlitten und die Komponenten seiner wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und ideologischen Macht schwinden. Die USA sind  laut   verfügbaren Beweisen und Fakten sowie dem Bekenntnis ihrer politischen Persönlichkeiten und Forschungs-Think Tanks, in komplexen Problemen gefangen und die Anzeichen des Niedergangs ihrer globalen Autorität sind in verschiedenen Dimensionen sichtbar. In dieser 12-teiligen Beitragsserie möchten wir Ihnen, liebe Zuhörer, Beispiele für den Machtverlust dieser globalen Hegemonialmacht  in Westasien vorstellen.

Eines der Anzeichen für den US-Niedergang  in Westasien ist das sukzessive Scheitern der Kompromisspläne zwischen Israel  und den Palästinensern. Einer dieser umstrittenen Pläne, der während der Amtszeit des amerikanischen Ex-Präsidenten  Donald  Trump aufkam, war der sog.  Jahrhundertdeal.

Die Ineffizienz  der Kompromisspläne   zur Lösung der Palästinenserfrage veranlasste die mit Israel  verbündeten Länder, allen voran die USA, einen neuen Plan mit dem gleichen Ziel vorzulegen, nämlich  die Interessen Israelis zu schützen  und  seinen Einfluss in der islamischen Welt auszuweiten.

John Bolton – Donald Trumps nationaler Sicherheitsberater – stellte einen Plan zur Versöhnung zwischen den Palästinensern und den Israelis vor, der nach Meinung u.a.  Palästinenser nicht die Probleme des vorherigen gescheiterten „Zwei Staaten für zwei Nationen“-Plans aufweist. Bolton  befürwortete 2009 in einem Artikel der Washington Post einen Drei-Staaten-Ansatz. Die Zweistaatenlösung sah er als gescheitert an. Dieser Lösungsansatz sieht vor, die Kontrolle des Westjordanlandes an Jordanien sowie die des Gaza-Streifens an Ägypten zu übertragen.

Andererseits wird der Ausdruck auch benutzt, um einen Ansatz mit einem vom Westjordanland unabhängigen Gazastreifen darzustellen, sodass neben Israel zwei palästinensische Staaten existieren.

 

Schon im Präsidentschaftswahlkampf 2016 hatte der frühere US-Präsident Donald Trump eine Initiative zur »ultimativen« Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts angekündigt. Dann  hat er die Katze aus dem Sack gelassen und den schon im Vorfeld zum sog. »Jahrhundert-Deal« hochgejubelten Friedensplan in enger Abstimmung mit der damaligen  israelischen Regierung präsentiert.

 

Trotz der zwischenzeitlichen Überlagerung durch andere Konflikte (Irakkrieg der USA 2003, kleiner Weltkrieg in Syrien etc.) ist der Israel-Palästinenser-Konflikt ein Schlüsselproblem des Nahen und Mittleren Ostens, der eine lange Geschichte hat und mit hohen Emotionen auf allen Seiten aufgeladen ist. Worum ging  es bei jenem 2018 präsentierten Trumps Jahrhundert-Deal?

Der Plan sieht im Wesentlichen folgende Regelungen vor:

  • Israel kann nahezu sämtliche mehr als 130 Siedlungen annektieren, was ca. einem Drittel des von ihm besetzten West-Jordanlandes entspräche. Der weitere Siedlungsbau dort soll für vier Jahre ausgesetzt werden. Auch das strategisch wichtige Jordantal an der Grenze zu Jordanien soll unter israelische Souveränität kommen. Auf dem restlichen, stark zersplitterten Territorium des West-Jordanlandes sollen die Palästinenser einen eigenen Staat bilden.
  • Als Ausgleich für die Annexion der Siedlungen und des Jordantals sollen die Palästinenser neue Gebiete erhalten. In den beiden Exklaven in der Wüste südlich des Gazastreifens nahe der Grenze zu Ägypten sollen eine Industriezone und ein Wohngebiet geschaffen werden. Der Gazastreifen soll durch einen Tunnel mit dem Westjordanland verbunden werden. Israel soll aber die Kontrolle über das Seegebiet vor dem Gazastreifen ausüben.
  • Für die Akzeptanz eines Palästinenser-Staates sei die Anerkennung Beitolmoghaddas  als Hauptstadt Israels sowie die Anerkennung Israels als jüdischen Staat durch die Palästinenser Bedingung. Im Gegenzug soll ein Vorort Ost-Beitolmoghaddas  zur Hauptstadt der Palästinenser werden, den Israel durch seine Sicherheitsmauer bereits vom Rest der Stadt abgetrennt hat. Damit bliebe auch der Tempelberg mit der Al-Aqsa-Moschee und dem Felsendom unter israelischer Kontrolle.
  • Der Gaza-Streifen soll demilitarisiert und die Hamas entwaffnet werden.

Die USA bezweckten damit, einerseits enge Beziehungen zwischen den Arabern und dem israelischen  Regime aufzubauen und andererseits der Islamischen Republik Iran  entgegenzutreten.

Die USA  beabsichtigten, den Konflikt zwischen dem israelischen  Regime und Palästina in Form des sog. Jahrhundert-Deals im Sinne Israels  zu beenden. Aus diesem Grund sind palästinensische Verantwortungsträger  gegen die US-Vermittlung  und haben jedes Treffen mit dem Westasien-Team der USA vermieden. Den Angaben, die 2019 in den israelischen Zeitungen  veröffentlicht wurden, zufolge würden die Vereinigten Staaten ihre gesamte finanzielle Unterstützung für die Palästinenser streichen, sollten sie den sog.Jahrhundert-Deal nicht unterzeichnen. Zudem sollte Israel  die Führer der beiden wichtigen  palästinensischen  Widerstandsgruppen „Hamas“ und „Islamischer Dschihad“  eliminieren, sollten sie sich gegen den sog. Jahrhundert-Deal stemmen. Für Trump-Administration war hier nur die Stimme der palästinensischen Autonomiebehörde maßgebend.

 

Aus dem, was oben ausgeführt wurde, geht hervor, dass es   sich bei dem sog. Jahrhundert-Deal nicht um einen Friedensplan oder darum  ging, Frieden zu schaffen. Dieser sog. Deal  zielte darauf ab,  einerseits  die US-Hegemonie in Westasien zu bewahren und andererseits  Israel  in eine regionale Hegemonialmacht  zu verwandeln sowie   den Iran einzuschränken. Vor allem handelte es sich bei dem sog. Jahrhundert-Deal um einen regionalen Plan dahingehend, das israelische  Regime als Feind der islamischen Welt in einen sogenannten Freund der arabischen Länder zu verwandeln und parallel dazu die Iranphobie in der Region  im Einklang mit den US-amerikanisch-israelischen Zielen zu verstärken. Tatsächlich zielte dieser Plan auch darauf ab, die Beziehungen der arabischen Länder zu Israel  zu normalisieren und dieses illegitime Regime zu legitimieren.

 

Je mehr Zeit von dem   2018  vorgelegten  Jahrhundert-Deal vergeht, desto deutlicher wird der Misserfolg  dieses   US-Plans. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass die Forderungen  des palästinensischen Volkes in diesem Plan völlig ignoriert  werden. Der wichtige Punkt ist doch,  dass der sog. Jahrhundert-Deal keine politischen Lösungen vorsieht. In diesem Plan wurden die wichtigen Themen Palästinas, darunter die Rückkehr der Palästinenser in ihr Heimatland, das Ende der Besatzung Palästinas und der Status der heiligen Stadt  Beitolmoghaddas als  die Hauptstadt des zukünftigen palästinensischen Staates und die erste Gebetsrichtung  der Muslime, nicht erwähnt. Hanan Ashrawi, Mitglied des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), betrachtet den Deal des Jahrhunderts als eine Reihe unpraktischer Versprechen und glaubt: Es geht in diesem sog. Deal   überhaupt nicht um den Friedensplan, sondern nur um einige vage, unausgereifte Ansätze, die eine Art wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Entwicklung ermöglichen sollen. Das Ganze entbehrt jeglicher rechtlichen und politischen Dimension und zeugt von einem kompletten Realitätsverlust.   

Darin wird  die Hauptursache für den Nahostkonflikt völlig ausgeklammert, genauso wie der eigentliche Grund dafür, warum wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand nicht möglich sind. Man ignoriert das Faktum der Besatzung völlig: Auf den Begriff der «Besatzung» wird in keiner Weise Bezug genommen. Das Recht der Palästinenser*innen auf Freiheit und territoriale Souveränität wird komplett ausgeblendet – und das, obwohl Palästina und vor allem Gaza von Israel in einem zermürbenden Belagerungszustand gehalten werden; obwohl sich Israel herausnimmt, dort Geschäfte abzuwickeln, zu bomben und zu töten, Kontrollposten zu errichten und das Westjordanland zu zerstückeln; obwohl es wagt, die Palästinenser*innen permanent ihres Landes und ihrer Ressourcen zu berauben, ihre Häuser zu zerstören und zugleich das Area-A-Gebiet, ihre Hoheitsgewässer und die Grenzübergänge zu kontrollieren. Letztlich heißt das, man ist zum Stillstand verdammt, denn Israel hat immense Möglichkeiten, Zerstörung anzurichten, was es auch schon unter Beweis gestellt hat. Und das ist einer der Hauptgründe dafür, dass die Wirtschaft Palästinas am Boden liegt. Das hat nichts damit zu tun, dass wir außerstande wären, eine florierende Wirtschaft aufzubauen, sondern nur damit, dass man uns die Kontrolle über unsere Ressourcen, unser Land, unser Leben, unsere Zukunft und unsere Rechte weggenommen hat.

Der sog. Deal  war ein klarer Versuch, vom eigentlichen Problem abzulenken, nämlich die von Israel ausgehende Unterdrückung, seine Rechtsbrüche und dergleichen. Die Idee ist: «Okay, alles, was wir tun müssen, ist, Palästina unsere Hand auszustrecken, und dann werden sie ihre Gefangenschaft schon hinnehmen.»  Doch das ist kein besonders ausgeklügelter Plan; so etwas wurde schon zuvor versucht, und auch die vorgeschlagenen Projekte sind nichts Neues.

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Aus Sicht westasiatischer Experten waren die Militäraktionen des israelischen Regimes im Jahr 2021 gegen Palästina, den Libanon und sogar den Jemen auf die Angst der Israelis  vor einem Scheitern des US-Plans  „Jahrhundert-Deal“ zurückzuführen. Trump glaubte, dass Europa und die Öl-Scheichs am Persischen Golf Dutzende Milliarden Dollar zahlen sollten, um die Umsetzung  des sog.  „Jahrhundert-Deals“ zu finanzieren, aber er diskutierte dies nie mit den Führern dieser Länder und nicht einmal mit den mäßigen palästinensischen Gruppen und Organisationen. Selbst die palästinensische Autonomiebehörde  wurde nicht konsultiert. Die Natur dieses Plans veranlasste die palästinensische Seite, jegliche Verhandlungen darüber abzulehnen. Letztlich fand  sich Trump, der in der Falle seines Unilateralismus gefangen war, nicht in der Lage, irgendeine Klausel des von ihm vorgeschlagenen Plans umzusetzen.

 

Mit dem Ende der Trumps Amtszeit  scheiterte auch der sog. Jahrhundert-Deal endgültig. Wie das National Security Studies Institute des israelischen  Regimes offiziell betonte, war der sog. Jahrhundert-Deal in der strategischen Bewertung dieses Regimes für 2022 für gescheitert erklärt. Das Scheitern dieses Plans und parallel dazu die Stärkung des palästinensischen Widerstands, einschließlich Angriffe gegen Ziele tief in den besetzten Palästinensergebieten  im 11-tägigen Krieg vom Mai 2021 durch die Hamas sowie die   Ausweitung des bewaffneten Konflikts mit dem israelischen  Regime von Gaza auf das  Westjordanland und  die Intensivierung der Proteste in den seit 1948 besetzten Palästinensergebieten zeigen all das, dass die einseitige US-Unterstützung für Israel  in den letzten sieben Jahrzehnten nicht nur die Flamme des Widerstands des palästinensischen Volkes nicht geschwächt hat, sondern dass mit der Stärkung des Widerstands auch die US-Friedenspläne wiederholt gescheitert sind; eine Tatsache, die  den Niedergang der Vereinigten Staaten in Westasien zeigt.

 

Liebe Hörerfreunde, wir sind  am Endes des 4. Teils unserer Beitragsserie „US-Niedergang in Westasien --…“  angekommen und sagen Ihnen alles Gute, bis zum 5. Teil.

 

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