Europa im Jahr 2016
Wir möchten in diesem Beitrag die wichtigsten Ereignisse in Europa im Jahr 2016 besprechen, wie der Austritt der Briten aus der EU, die wachsende Flüchtlingskrise und die zunehmenden Spannungen zwischen dem Westen und Russland im Rahmen der Nato.
Am 23. Juni fand in Britannien eine Volksabstimmung über den Austritt dieses Landes aus der Europäischen Union statt. 48 Prozent der Wähler stimmten für den Verbleib in der EU und 52 Prozent dagegen. Die Entscheidung der Briten für den Brexit wirkt sich gemäß Analytikern nicht nur entscheidend und schicksalhaft auf die Zukunft von Britannien und die Europäische Union sondern sogar auf die ganze westliche Welt aus. Das Ja für den Brexit war ein großer Schock auf der inländischen, europäischen und internationalen Ebene. Wegen diesem Ergebnis fühlten sich die Separatisten von Schottland und Nordirland noch mehr bei ihren Anstrengungen um eine Loslösung von Britannien motiviert. Der Brexit galt auch als schwerer Schlag für die EU und die Besorgnis hinsichtlich der Stärkung des Standpunktes der EU-Gegner in anderen Mitgliedsstaaten und ähnlicher Volksbefragungen wuchs. Die rechtsradikalen Parteien und Politiker und EU-Gegner in vielen Mitgliedsländern dieser Union begrüßten die Entscheidung der Briten und lobten sie. Auf internationaler Ebene waren viele Länder darunter die USA, als strategischer Verbündeter Britanniens nicht mit dem Ergebnis der Volksbefragung in Britannien zufrieden.
Anscheinend klangen die Gründe, vier Monate vor der Volksabstimmung für den Austritt aus der EU, für die Mehrheit der britischen Bevölkerung überzeugend. Die Befürworter des Brexit hatten die Behauptungen der Regierungspolitiker über die negativen wirtschaftlichen Folgen im Falle einer Nicht-Mitgliedschaft dieses Landes zurückgewiesen und für unrealistisch erklärt. Sie hatten behauptet, dass durch den Brexit die britische Regierung die Kontrolle über die Nationalwährung, die Souveränität über die Grenzen und die Zukunft der Wirtschaft zurückgewinnen werde, und hatten die finanziellen und wirtschaftlichen Vorzüge eines Austrittes hervorgehoben, insbesondere die Befreiung Londons von der jährlichen Zahlung von mehreren Milliarden Pfund an diese Union. Außerdem würde die Trennung von der EU die zunehmenden Importe aus dieser EU erheblich vermindern, hieß es, und durch einen Austritt aus der EU würde das Wirtschaftswachstum des eigenen Landes wachsen. Die Fortdauer der EU-Mitgliedschaft aber würde Wirtschaftsrezession und steigende Einwandererzahlen zur Folge haben. Die Unterstützer des Brexit sind nicht mit der Vorherrschaft der EU einverstanden, insbesondere dass diese ihre Forderungen in einigen Fällen aufzwingt, wie zum Beispiel bei der Annahme von Einwanderern und bei Menschenrechtsfragen.
Doch die Brexit-Gegner haben auf die großen finanziellen Schäden dieser Maßnahme hingewiesen, die für die erste Phase auf mindestens 100 Milliarden Pfund eingeschätzt werden. Außerdem verweisen sie auf den Verlust der Handelsprivilegien Britanniens in Europa durch Verlassen des gemeinsamen europäischen Markes und den Rückgang der Sicherheit wegen verminderter Zusammenarbeit mit den Sicherheitseinrichtungen Europas.
Die hohen Verantwortlichen in der Europäischen Union haben nach dem Entschluss Britanniens auszuscheiden, wiederholt gefordert, dass so schnell wie möglich klare Verhältnisse in Bezug auf diese Angelegenheit geschaffen werden um weitere Schäden für die EU zu verhindern. Da in Britannien die Gesetzmäßigkeit des Brexit seitens seiner Gegner in Frage gestellt wird und diese beim Höchsten Gerichtshof eine Beschwerde diesbezüglich eingereicht haben, bestehen jedoch trotz der Forderung der konservativen Regierungspartei in London den Brexit im Rahmen des Artikels 50 des Lissaboner Vertrages ab März 2017 durchzuführen, noch Zweifel daran, ob dies überhaupt geschehen wird. Die konservative Regierung von Theresa May, der britischen Premierministerin ist sich voll über die negativen und schädlichen Folgen eines schnellen Austritts dieses Landes aus der EU angesichts der weitgehenden Kooperationen mit der EU, bewusst. In Wahrheit wird der Austritt aus der EU, wegen der intensiven komplexen Beziehungen Britanniens zu der EU mehrere Jahre lang dauern. Also kann man zurzeit keine genauen Vorhersagen darüber machen, wie der Brexit in der Praxis verlaufen wird. Die Ausführung des Brexit hängt von der Leistungsfähigkeit der britischen Regierung, der Zusammenarbeit der EU und ihrer Mitgliedsländer in dieser Hinsicht, die Bereitschaft der Briten, die neuen Bedingungen zu akzeptieren, und vielen weiteren Faktoren ab. Außerdem gibt es zahlreiche Hindernisse für die Umsetzung des Brexit, wie zum Beispiel die anhaltenden Meinungsverschiedenheiten Britanniens und der EU in Bezug auf die Einwandererfrage.
Die Flüchtlingskrise kann als ein weiteres wichtiges Problem Europas im Jahre 2016 betrachtet werden. Seit 2014 herrscht eine große Flüchtlingskrise. Hunderttausende von Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika flüchten vor der unsicheren Lage in ihren Ländern und den Gräueltaten der Terrorgruppen und in Hoffnung auf ein besseres Leben in Richtung Europa. Die europäischen Regierungen haben mit verschiedenen Methoden versucht, den Asylanten und illegalen Einwandererstrom zu stoppen. Die Zahl der Flüchtlinge betrug im Jahre 2015 mehr als eine Millionen 300 Tausend. Auch im Jahre 2016 hielt der Zustrom von Flüchtlingen über Griechenland und Italien nach Europa an. Die Art und Weise der Behandlung von Flüchtlingen ist zu einer neuen Herausforderung für die EU geworden und hat zu Uneinigkeiten in dieser Union geführt. Die EU ist in Bezug auf die Art der Bekämpfung der Flüchtlingskrise in zwei große Flügel gespalten von denen jeder versucht, seine Ansicht durchzusetzen. Die EU-Führer haben hinsichtlich des Umgangs mit dem Flüchtlingsproblem, welches sie als eine der größten Herausforderungen für die EU im jetzigen Zeitraum betrachten, eine neuen Weg eingeschlagen und zwar wollen sie den Flüchtlingsstrom an den Grenzen zu Europa stoppen. Als erstes haben sie im März 2016 mit der Türkei ein Abkommen unterzeichnet. Dieses erwies sich als relativ wirksam bei der Eindämmung des Flüchtlingsstromes. Die EU-Führer scheinen daraus zu schließen, eine ähnliche Strategie bei anderen Ländern, die den Zustrom von Flüchtlingen verhindern können, anwenden zu können.
Die Krise aufgrund des Ansturms von Flüchtlingen insbesondere aus Kriegsgebieten im Nahen Osten wie Irak, Syrien und Afghanistan hat den EU-Ländern viele Probleme bereitet. Daher haben sie entgegen ihren vorherigen Versprechungen und Behauptungen hinsichtlich der Menschenrechte härtere Bedingungen für die Annahme von Flüchtlingen aufgestellt.
Die europäischen Regierungen handeln unkoordiniert in der Flüchtlingsfrage. Viele europäische Länder verweigern unter unterschiedlichen Vorwänden die Aufnahme von Flüchtlingen. Die EU sieht sich in der Flüchtlingskrise mit einer grundsätzlichen Herausforderung in Bezug auf seine Identität und der Grenzen zwischen Souveränität der Mitgliedsländer und den Entschlüssen und Bestimmungen der EU konfrontiert. Ein Land, welches Mitglied der EU wird, akzeptiert die Vorrangigkeit der EU-Bestimmungen gegenüber den Inlandsgesetzen. Aber die Flüchtlingskrise und ihre unliebsamen Folgen haben insbesondere die kleinen mittel- und osteuropäischen Länder wie Österreich, Ungarn, Slowakei ,Slowenien, Kroatien, die Tschechische Republik und Polen dazu veranlasst, in der Praxis die eigene Souveränität über die Interessen der EU zu stellen und ihre Pflicht zur Annahme von Flüchtlingen abzuschütteln.
Diese Politik fast aller osteuropäischen EU-Mitgliedsländer rief den Protest der größeren EU-Mitgliedsländer wie Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien und sogar Griechenland hervor. Sie fordern dass die kleineren Länder die Entschlüsse der EU auf der Ebene von Ministern und Staatsoberhäuptern insbesondere in der Flüchtlingsfrage akzeptieren. Es fragt sich, ob die großen Länder wie Frankreich und England, die durch ihre zerstörerische Politik im Nahen Osten die Flüchtlingskrise hervorgerufen haben, nun auch die Verantwortung abwerfen können?
Was 2016 einen beachtlichen Einfluss auf die Politik, Wirtschaft und Sicherheit nahm, war der Anstieg der Spannungen zwischen Russland und dem Westen aufgrund der Ukrainekrise. Seit 2014 und zwar nach dem Sturz der Regierung von Wiktor Janukowytsch und der Machtübernahme einer westorientierten Regierung in Kiew verschärften sich die Konflikte zwischen Russland und der Ukraine, was schließlich zur Annexion der Krim an Russland und zu einem Bürgerkrieg in der Ostukraine zwischen den Regierungskräften und den Russland zugeneigten Regierungsgegnern führte, dem bislang über 10 Tausend Menschen zum Opfer fielen. Als Reaktion auf diese Entwicklungen ist die Nato, deren östlichen Mitglieder an Russland und Ukraine angrenzen, aktiv gegen Russland vorgegangen. Die Konflikte der Nato mit Russland haben sich verschärft und die Beziehungen zwischen Russland und der Nato sind auf das niedrigste Niveau nach dem Kalten Krieg herabgesunken. In den letzten zwei Jahren hat die Nato ihre Militärpräsenz in Europa und besonders in den osteuropäischen Ländern in Nachbarschaft von Russland verstärkt.
Dies insbesondere im Bereich der Ostsee und des Schwarzen Meeres und zwar unter dem Vorwand das Russland sich in der Ostukraine einmischt. Die Nato steigerte ihre Präsenz in den osteuropäischen Ländern obwohl Russland laufend in dieser Beziehung gewarnt hat. Aber die Nato-Spitze hat im Juli 2016 in Warschau die Steigerung der Präsenz seiner Kräfte in den baltischen Ländern und in Polen beschlossen. Im Gegenzug hat Moskau seine militärischen Stellungen an den Westgrenzen Russlands verstärkt.
Aus der Sicht des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin will die Nato mit der Stärkung ihrer militärischen Stellungen an der Ostsee das militärische Gleichgewicht in Osteuropa zu ihren Gunsten verändern. Im Gefolge der Annexion der Krim an Russland hat die Nato spürbar mehr Kriegsschiffe ins Schwarze Meer geschickt. Auch darauf reagierte Russland mit Protest. Die Ukrainekrise hatte die Verstärkung der Marinekräfte der Nato im Schwarzen Meer, in der Ostsee und im Mittelmeer zur Folge und daher hat aus der Sicht der russischen Strategen die westliche Bedrohung von den nahe seiner Westgrenze liegenden Meere aus zugenommen. In der neuen Marinedoktrine Russlands wird daher die verstärkte Präsenz im Schwarzen Meer betont. Das ist ein klares Zeichen für die verstärkte Kampfbereitschaft der russischen Marinekräfte gegenüber den Drohungen der Nato insbesondere der USA. Auf der anderen Seite legt die Nato trotz der Ablehnung Russlands Wert auf die Ausdehnung nach Osten. Ihr jüngster Schritt diesbezüglich war der Beginn des Aufnahmeprozesses von Montenegro in diesen Militärpakt, wogegen sich Russland heftig auflehnt. Aus der Sicht Moskaus kann dieser Schritt die Konflikte in Europa verschärfen. Russland ist der Ansicht, dass die zunehmende Ausweitung der Nato in Europa eine negative Entwicklung ist, die die Sicherheit dieses Kontinents bedroht.
Hohe russische Amtsträger wie der Verteidigungsminister Sergei Schoigu sehen auf drei Ebenen Gefahren von der Nato für Russland ausgehen, als erstes dahingehend, dass die USA als wichtigstes Mitglied der Nato nach Verbesserung ihrer strategischen Atomwaffen streben und diese in der Türkei und einigen anderen europäischen Ländern stationieren wollen.
Eine zweite Gefahr sieht Schoigu darin, dass die nachrichtendienstlichen Aktivitäten der Nato in Umgebung von Russland verstärkt werden. Diesbezüglich verwies er auf die Zunahme der Erkundungsflüge der Nato. Sie hätten sich nahe der russischen Grenzen verdreifacht und im Südwesten dieses Landes verachtfacht. Die dritte Gefahr bestehe, so sagte er weiter, in der zunehmenden Präsenz der Nato-Kräfte und ihrer Militärausrüstung in den Regionen nahe der russischen Grenzen, was aus den Augen Moskaus eine direkte Gefahr für die Sicherheit Russlands bedeutet.