Rolle der USA in der Ukraine-Krise
Die egoistischen Staaten von Amerika
Die politische Krise der Ukraine nutzt Russlands Präsident Wladimir Putin eiskalt aus. Dass es jedoch überhaupt soweit kommen konnte, ist der fahrlässigen Außenpolitik der USA zu verdanken.
Ein Gastbeitrag von: Mohssen Massarat
Vorwort des Autors
„Die USA sind - im Gegensatz zu der Annahme vieler Linken - nicht ein imperialistischer Staat wie jeder andere westlich kapitalistische Staat. Sie sind mehr als das, viel mehr als ein bloß imperialistischer Staat. Die US Ukraine-Politik, und wenn sie über viele verborgene Ecken analysiert wird, ist im Grunde ein lehrreiches Anschauungsmaterial, um das Wesen der USA als einer imperialistischen Hegemonialmacht zu verstehen.“ Dazu hängt der Autor zwei sich ergänzende Texte an, die seiner Meinung nach „zusammen genommen ein wenig Licht in die verborgenen Geheimnisse dieses gefährlichen Ausnahmestaates werfen dürften.“ Das deutsche Programm der staatlichen Rundfunk-, und Fernsehanstalt wird allerdings nur den Text von Herrn Prof. Massarat veröffentlichen, da es für die Veröffentlichung des zweiten Textes nicht autorisiert ist.
Der Text stammt aus seiner eigenen Feder und zwar von 2014 anlässlich des ersten Ukraine-Konflikts in 2014. Er wurde seinerzeit am 16.05. in "Stern-Online" in zwei Teilen veröffentlicht.
Der vorliegende Text ist also lange vor dem russischen Angriff auf die Ukraine entstanden und daher auch eine originelle Analyse der US-Hegemonie aus völlig unterschiedlichen Perspektiven.
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An der Oberfläche erscheint der Konflikt in der Ukraine als ein Konflikt zwischen dem Westen und Russland: Die USA und die EU möchten die Ukraine an die EU heranführen, um die Grenzen der EU und vielleicht auch der Nato an die russische Grenze heranzurücken. Und Russland möchte dieses Ansinnen auf seine Weise torpedieren. Doch diese Erzählung ist lediglich die halbe Wahrheit. Um die ganze Wahrheit zu erfassen, muss in die Vergangenheit zurückgeblickt und vor allem genauer hinter die Logik des nuklearen Abschreckungssystems während der Blockkonfrontation geschaut werden. Im Kern beruhte die Abschreckung auf gegenseitiger nuklearer Vernichtung. Wer also mit einem Nuklearkrieg als erster begänne, stürbe ganz sicher als zweiter. Rein äußerlich hat dieses System zwar einen Nuklearkrieg verhindert, tatsächlich zementierte es gleichzeitig auch die jeweils innerhalb beider Blöcke nach dem zweiten Weltkrieg entstandenen ökonomischen, politischen und militärischen Abhängigkeiten von der jeweiligen Hegemonialmacht. So ersichtlich diese Abhängigkeiten im Sowjetblock angesichts sowjetischer Panzer in Ostberlin während des DDR Aufstandes 1953 und des Prager Frühlings 1968 für jeden waren, so verborgen blieben sie im westlichen Block.
Leben zwischen Paramilitärs und Gewaltexzessen
Schutz gegen Geldmacht
Hier regierte nicht die nackte Gewalt, sondern ganz marktwirtschaftlich der Tausch Sicherheit für westeuropäische Staaten und Japan de facto militärische Protektorate der USA gegen allerhand ökonomische und politische Zugeständnisse: Besetzung aller für die Hegemonialmacht sensiblen Posten bei der Weltbank, der Welthandelsorganisation (WTO) und vor allem des Internationalen Währungsfonds (IWF). Aufkauf umfangreicher US Dollar als Reservewährung im Rahmen des Bretton Woods Systems, damit der US Dollar seine Position als Weltgeld festigen kann. Unterordnung unter das amerikanische Ölregime und Versorgung mit saudi-arabischem Öl, das sich in einem Geheimabkommen verpflichtet hatte, ihren Rostoff nur in US Dollar zu verkaufen, um die steigende Nachfrage nach dem Dollar auch nach dem Zusammenbruch des Bretton Woods Systems sicher zu stellen; Versuche, den Euro durch amerikanische Hedgefonds zu schwächen und schließlich die Beteiligung der Europäer an den teilweise völkerrechtswidrigen Hegemonialkriegen im Balkan, in Afghanistan, Irak, Libyen und im syrischen Bürgerkrieg sowie an der Aufheizung des Nuklearkonflikts mit dem Iran und nunmehr womöglich auch die Hineinziehung der EU in einen ukrainischen Bürgerkrieg.
Machtoption Dollar
Immerhin haben die USA es geschafft, trotz sinkender Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft und der seit 26 Jahren andauernden Handelsbilanzdefizite, den US Dollar als Leitwährung zu halten und sämtliche Finanzkrisen mit Bravour durchzustehen. Diese für die USA besonders vorteilhaften Dominanz Unterordnungs-Beziehungen mit ihren sicherheitspolitischen Protektoraten erklären auch gewissermaßen, warum die USA an einer nuklearen Abrüstung nach dem Zusammenbruch der Blockkonfrontation absolut kein Interesse hatten und warum sie die 1986 auf Gorbatschows Initiative mit Ronald Reagan in Reykjavik vereinbarten Abrüstungsschritte beendeten, bevor sie überhaupt begonnen wurden.
Man stelle sich vor, die USA hätten sich Gorbatschows Vorschlag, sämtliche Atombomben zu vernichten, zu Herzen genommen. Unsere Angst, von den Russen überrollt zu werden, wäre dann über Nacht verschwunden, die Europäer hätten endlich die volle Souveränität erlangt, mit allen anderen Staaten, einschließlich Russlands, ohne Bevormundung Handel zu betrieben. Dadurch hätten sie zum Beispiel ihren fossilen Energiebedarf nach eigenen Prioritäten gedeckt und nicht danach, dass der Ölhandel auf Dollarbasis zu einer für die USA fundamentalen und weltumspannenden Konstante wurde.
Die EU und Japan hätten eine eigenständige Russland , Nah und Mittelostpolitik entwickelt, diese Staaten hätten ihrerseits die Chance erhalten, den Wettbewerb zwischen USA, EU und Japan für einen wirklich freien Handel und zum Wohle ihrer Völker zu nutzen.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wären der Welt das bewusst geschürte Wettrüsten im Mittleren Osten und der zwangsläufig daraus hervorgegangene Austausch seiner Rohstoffe gegen Waffen sowie unzählige Kriege erspart geblieben. Wir hätten auch eine Welt mit mehr Wohlstand für alle, mit mehr Schutz für die Umwelt und mit weniger Kriegen vorgefunden, die im Anschluss an den Kalten Krieg entstanden wäre. Dann hätten sich selbstverständlich sämtliche Machtoptionen der USA gegenüber ihren Protektoraten in Luft aufgelöst, hätten die USA sich einem fairen Wettbewerb mit der EU, mit Japan und China stellen müssen, anstatt sich hinter dem Schutzschirm ihrer Währung zu verschanzen, die längst ihre Bedeutung als Leitwährung verloren hätte.
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Danke dem Autor für die Zusendung des Beitrags