An der Festtafel des Frühlings (1 – iranische Sofrehs)
Zum Neujahresfest am ersten Frühlingstag versammeln sich die iranischen Familien um das Sofreh eHaft-Sin und warten gemeinsam auf den Beginn des Neuen Jahres. Wer gerne wissen möchte, was der Begriff Sofreh bedeutet und welchen Platz ein Sofreh in der iranischen Kultur einnimmt, der ist herzlich zum nachfolgenden Beitrag eingeladen.
Wieder ist Noruz: das Fest, in dem sich die Renaissance in der Natur und die Beständigkeit der iranischen Kultur widerspiegeln.
Der alte wertvolle Brauch des Noruzfestes gehört fest zur iranischen Gesellschaft und ist von besonderer Bedeutung.
Für jeden neuen Jahresbeginn breiten die Iraner das Sofreh-e Haft Sin aus, damit sich die Mitglieder der Familie um dieses Sofreh versammeln und gemeinsam auf den Beginn des Neuen Jahres warten. Was ist eigentlich ein Sofreh und welche Bedeutung hat es in der iranischen Kultur? Gibt es noch andere Sofrehs außer dem Sofreh-e Haft Sin?
Mit Sofreh ist im weiteren Sinne ein großes Tuch gemeint, das ausgebreitet wird. Das Wort Sofreh lässt sich auch mit Tafel übersetzen – zum Beispiel Festtafel oder Essenstafel. Auf einem Sofreh kommt ja nach Anlass etwas Bestimmtes zu stehen. Das Sofreh-e Taam ist die häusliche Essenstafel oder die Gasttafel. Das Sofreh-e Aghd wird für die Vermählungsfeier geschmückt, auf dem Sofreh-e Haft Sin stehen sieben gute Dinge mit dem persischen S, dem Sin, als Anfangsbuchstaben. Das Sofreh-e Schab-e Yalda ist das Tuch, welches in der längsten Winternacht hergerichtet wird. Außerdem gibt es noch weitere Sofrehs zu religiösen Anlässen.
Frau Jila Dehbozorgi lässt uns in ihrem Buch „Sofrehhay-e Kohan Irani“ (die alten iranischen Sofrehs) wissen, dass in der Antike auch zu anderen Anlässen wie zum Mehregan- und zum Sadeh-Fest, sowie zum Suri-Mittwoch, dem letzten Mittwoch des alten Jahres - ein Sofreh – ein Tuch – auf besondere Weise gedeckt wurde. Das Sofreh ist nicht nur ein Tuch, auf dem Speisen zu stehen kommen, sondern es spiegelt Überzeugungen wieder und sagt einiges über die iranische Kultur aus.
Seyed Mohammad Beheschti, bekannt für seine völkerkundliche Forschung, bezeichnet das iranische Sofreh als eine Tradition, welche schon immer für ein warmes Zuhause gesorgt hat.
Es gibt im Persischen viele zusammengesetzte Wörter mit Sofreh:
Das Sofreh-e Aghd – ein festlich geschmücktes Tuch anlässlich einer Vermählung (Aghd) haben wir schon genannt.
Das Sofreh-e Meyhmani – ist ein Sofreh, auf dem ein Essen für Gäste aufgetragen wird und das Sofreh-e Nazri ist ein Sofreh mit Speisen gemeint, zu dem der Gastgeber anlässlich eines Gelübdes einlädt, welches er Gott für die Erfüllung einer Bitte gemacht hat. Dann gibt es noch das Sofreh am längsten Winterabend (Yalda) und das Sofreh am ersten Frühlingstag Noruz. Weitere Sofrehs sind das Iftari-e Sofreh zum Fastenbrechen, das Walima-Sofreh bei der Rückkehr vom Hadsch oder der Geburt des ersten Kindes, oder das Kafareh-Sofreh zur Wiedergutmachung versäumter religiöser Pflichten oder Ruzeh-Sofreh anlässlich religiöser Trauer oder auch das Sofreh-e Aitam-nawazi zur Speisung von Waisenkindern und weitere.
Mohammad Beheschti erklärt, dass einmal jedes dieser Sofreh auf besondere Weise gedeckt wurde und mit besonderen Sitten verbunden war.
Die Einladung zu einem Sofreh dient verschiedenen Zwecken: zum Beispiel zur Festigung der guten Beziehungen in der Verwandtschaft, vom Islam als Silih-e Rahim empfohlen, zur Bekanntgabe der Geburt eines Kindes, als Dekor bei der Vermählungszeremonie, zum Empfang von Gästen nach einer Pilgerreise usw.
Das Sofreh-e Nazri ist nach wie vor eine weitverbreitete Sitte, die vor allem seitens der gläubigen Frauen überall im Land gepflegt wird. Dieses Sofreh ist besonders im Monat Muharam, dem Trauermonat um Imam Husain (F) üblich und in Hoffnung auf Erfüllung einer Bitte oder zur Erfüllung eines Gelübdes werden Speisen an die Nachbarn und Vorübergehende verschenkt oder werden die Frauen und Mädchen aus der Verwandtschaft und Nachbarschaft zuhause bewirtet. Das Sofreh-e Nazri eine schöne Sitte mit religiösen Wurzeln und stärkt die menschlichen Beziehungen.

Bei der Vorbereitung eines iranischen Sofrehs sind alle Mitglieder der Familie mitbeschäftigt. Das Sofreh muss an den besten Platz im Hause kommen. Am Kopf des Sofrehs sollen die Familienältesten sitzen. Dieser Platz nennt sich Sadr-Sofreh. Hat man Gäste, so bietet man ihnen diesen Platz am Sofreh an und der Gastgeber setzt sich selber zum Zeichen der Bescheidenheit auf die gegenüberliegende Seite - zu Fuße des Sofrehs.
Sofrehs werden in der iranischen Kultur geschätzt. Ein Sofreh darf nicht verachtet werden. Das Sofreh muss rechtzeitig ausgebreitet und gedeckt werden. Früher galt, dass der Gastgeber – auch Bozorg-e Sofreh- genannt, als letzter aufhört sich vom Essen zu nehmen und dann erst das Esstuch abgeräumt wurde. Es ging dabei darum, dass die anderen sich nicht scheuen, ihren Teller nachzufüllen, und sich nicht schämen, wenn es etwas länger dauert bis sie mit dem Essen fertig sind. Die Gastfreundlichkeit der Iraner lässt sich gewissermaßen an ihrem Sofreh ablesen: an ihrer Bewirtung. Nicht-Iranern prägt sich das Erlebnis, einmal an einem Sofreh von Iranern zu Gast gewesen zu sein, als deutlichste Verbildlichung für iranische Gastfreundschaft ein. Das meinte schon der bekannte französische Weltreisende Jean Chardin im 17. Jahrhundert in seinen Reiseberichten über Iran.
Musik
Das iranische Sofreh ist nicht nur ein Sofreh auf dem Essen aufgetragen wird. Sofreh kann auch ein Tuch sein, das nur zum Schmuck dient. Aber jedes iranische Sofreh spiegelt Überzeugungen der Bevölkerung wieder. Von einem Sofreh-Taam welches mit Speisen gedeckt wird spricht man nicht nur bei Einladungen, sondern auch bei der häuslichen Essenstafel. Das Sofreh-e Taam – dass mit Essen gedeckte Tuch - ist ein Anlass für die Mitglieder der Familien zum Zusammensein. Am Essens-Sofreh blühen die Beziehungen auf und kommt der gegenseitige Respekt zur Geltung. Die Ausbreitung des Sofrehs ist nicht selber das Ziel, sondern es dient dazu, die Menschen zusammenzubringen, ob nun bei einer Einladung oder im Kreis der Familie. Die Iraner legen viel Wert auf das Zusammensein. Vielleicht rührt es von dieser Bedeutung her, dass das Sofreh-e Taam fast etwas Heiliges ist und es nicht gern gesehen wird, wenn jemand die guten Sitten am Speisetuch außer Acht lässt. Gemeinsam an einem Sofreh zu sitzen und Essen einzunehmen bedeutet in der iranischen Kultur Freundschaft und Einigkeit und das man einander gegenüber verpflichtet ist.

Das Sofreh-e Haft Sin zu Beginn des neuen Jahres ist besonders bekannt. Es ist das Sofreh für Noruz und Wahrzeichen für Freude und Energie. Auch dieses Sofreh dient der Versammlung der Mitglieder der Familie, und zwar zum Neujahrsbeginn. Diese Noruz-Tafel wird vor dem neuen Jahr gedeckt und geschmückt und es kommen die 7 „Sin“ darauf zu stehen. Das sind Dinge, die mit dem Persischen S beginnen wie Sib und Sir und Sendsched. Das Ausbreiten des Haft-Sin-Festtuches zu Eyd-e Noruz hat einen tieferen Sinn und die sieben guten Dinge die dieses Sofreh schmücken sind alles Wahrzeichen. Sie versinnbildlichen Wachstum und Fruchtbarkeit und Segensfülle. Wir werden im nächsten Teil ausführlich über dieses besondere iranische Sofreh berichten.