Dez 29, 2016 11:19 CET

Wir möchten diesmal über die Schafa`a   am Jüngsten Tag – die Fürbitte im Jenseits - sprechen. Es ist ein wichtiges Thema, über das sowohl im Koran als auch in den Überlieferungen der Makellosen (Friede sei ihnen) geschrieben steht.

Im allgemeinen Sinn bedeutet Schafa`a  Vermittlung und Schafi`im weiteren Sinne ist etwas oder jemand der einem Bedürftigen hilft, sein  Bedürfnis zu stillen.  Zum Beispiel wird der Stock, an dem jemand gehen muss, auch Schafi`genannt, denn er hilft dem Gehbehinderten beim Laufen. 

Im religiösen Sinne  ist von einer   Schafa`a   die Rede, wenn jemand  Gott für einen anderen um Vergebung oder um den Erlass oder die Verminderung der Strafe eines Sündigen bittet.

 

Es gibt fast 30 Verse im Koran über Schafa`a – die Fürbitte. Diese Verse lassen sich thematisch in mehrere Gruppen einteilen. In einer Gruppe von diesen Versen wird eine Fürbitte abgelehnt. So heißt es  im Vers 48 der Sure 2:

„Und meidet den Tag, an dem keine Seele für eine andere bürgen kann und von ihr weder Fürsprache noch Lösegeld angenommen wird; und ihnen wird nicht geholfen.“

 

Auch steht im Vers 254 der gleichen Sure:

„O ihr, die ihr glaubt! Spendet von dem, was Wir euch (an Gut) beschert haben, bevor ein Tag kommt, an dem es kein Handeln, keine Freundschaft und keine Fürsprache (mehr) geben wird. …”.

In einer anderen Gruppe von Verse werden jedoch Ausnahmen gemacht. Ihnen ist zu  entnehmen, dass die Fürsprache unter bestimmten Bedingungen möglich ist, wie im Vers 109 der Sure Taha (Sure 20): 

„An jenem Tage wird keinem die Fürsprache etwas nützen - außer jenem, dem der Allerbarmer (dazu) die Erlaubnis gibt und dessen Wort Ihm wohlgefällig ist.“

 

Und im Vers 86 der Sure Zuchruf (Sure 43) steht: „Und diejenigen, die sie statt Seiner anbeten, haben kein Fürspracherecht, mit Ausnahme dessen, der die Wahrheit bezeugt und Bescheid weiß.“

Diese Verse bestätigen, dass einige Fürbitter sein können, wenn Gott damit einverstanden ist.

In einer weiteren Gruppe von Versen verkündet Gott der Höchsterhabene, dass die Fürsprache nur Ihm gehört, wie im Vers 44 der Sure Zumar (Sure 39):

"Sprich: `Alle Fürsprache gehört Allah. Sein ist das Königreich der Himmel und der Erde. Und zu Ihm werdet ihr zurückgebracht.`“

Dann gibt es noch Verse, in denen die Schafa`a – und die Bedingungen für sie genannt werden.  Sie besagen  wie Vers 28 in der Sure Anbiya (21), dass Gott mit der Fürsprache einverstanden sein muss oder setzen wie in der Sure Maryam (Sure 19) im Vers 87  wie folgt voraus: „Sie werden kein Anrecht auf Fürsprache haben - mit Ausnahme dessen, der vom Allerbarmer ein Versprechen empfangen hat.“

Die Betrachtung der Verse über Fürsprache schafft Gewissheit, dass es sie – die Schafa`a –gibt. Der Koran verkündet jedoch,  dass diese Fürbitte für niemanden gilt, der  das Jenseits leugnet  und die Gebote Gottes nicht befolgt. In einigen Versen wird denjenigen die Fürbitte zugestanden, die es würdig sind.

Bei vielen Fragen begegnen wir im Koran einer ähnlichen Handhabe, dass nämlich neben der  generellen Regel, auch  Ausnahmen genannt werden. Zum Beispiel heißt es über den Tod an einigen Stellen, dass Gott selber die Seele aus dem Körper entgegennimmt  und an anderen,  dass dies der Todelsengel oder auch eine Gruppe von Engeln tut.  Bei der Fürbitte verhält es sich ähnlich: Gott erklärt, dass die Fürbitte nur Ihm gehört,  aber er bestätigt auch, dass eine Fürbitte erfolgen kann, wenn Er damit einverstanden ist.

Durch Vermittlung soll normalerweise ein Vorteil erzielt oder ein Schaden abgewehrt werden.  Sie wird relevant, wenn bestimmte Gesetze gelten. Ein Beispiel:  Ein  Befehlshaber  gebietet oder verbietet seinen Untertanen etwas und  verspricht, die Befolgung zu belohnen bzw. Ungehorsam zu ahnden.  Solche  Regelungen gibt es in allen Regierungssystemen. 

Wenn nun jemand an einen besonderen Vorteil gelangen oder einen Schaden aufgrund eines Versäumnisses abwehren will, braucht er einen Vermittler. Dies ist auch am Jüngsten Tag so.

Wie bei jeder Vermittlung muss der Vermittler aber bestimmte Bedingungen erfüllen.

Außerdem  kann nicht jeder Anspruch darauf stellen, dass jemand für ihn am Jüngsten Tag vermittelt.  Grundsätzlich gilt das allgemeine Gesetz,  dass ein sündiger Mensch, der die Gebote Gottes missachtet hat,  keine Fürsprache erwarten kann.  Dieses allgemeine Gesetz sieht aber auch die Ausnahme vor, dass bei jemandem, der reuevoll umkehrt und sich ändert,  Nachsicht geübt wird und er auf Fürsprache hoffen darf.  Trotz der Ausnahme bleibt aber die Allgemeingültigkeit des Gesetzes bestehen.

In einer Überlieferung von Imam Kadhim (Friede sei mit ihm) steht: „Der Prophet legt Fürsprache für diejenigen aus seinem Glaubensvolke ein, die schwere Sünden begangen haben…“  Da fragte jemand den Imam, wie denn eine Fürsprache für diejenigen, die eine schwere Sünde begangen haben, möglich sei und sie führten den Vers 28 der Sure 21 (Anbiya) an. Nämlich:

„und sie legen keine Fürsprache ein außer für den, an dem Er (Gott) Wohlgefallen hat,…“ Dabei  argumentierten die Fragesteller, dass doch Gott bestimmt nicht mit dem, der eine große Sünde begangen hat, zufrieden ist.“

Der Imam (F) antwortete: „Jeder (wirklich) Gläubige wird automatisch eine begangene Sünde bereuen,  und der Prophet hat gesagt, dass das Bereuen einer Sünde Tauba (reuevolle Umkehr) ist… und wer nicht bereut, ist gar kein wahrer Gläubiger  und es wird für ihn keine Fürsprache geben und sein Verhalten ist Dhulm (Frevel)  und für die Unrechttuenden (Dhulim)  gibt es keinen Fürsprecher.“

Die erste Voraussetzung für eine Fürsprache ist also der Glaube. Er bringt den Sünder dazu, dass er bereut, an sich arbeitet und Sünden wieder gut macht. Der Glaube wäscht ihn wieder vom  Frevel  und dem  Verstoß gegen die Gebote Gottes rein.  

Ein weiser Zweck der Fürbitte, ist die Verhütung der Hoffnungslosigkeit. Wer wegen  seiner Sünden die Hoffnung auf Vergebung aufgibt, sündigt noch mehr. Ein Schüler, der sich während des Schuljahres nicht angestrengt und keine günstige  Ordnungsnote zu erwarten hat,  schöpft neue Hoffnung und gibt sich wieder mehr Mühe, wenn ihm am Ende des Jahres noch einmal eine Chance gegeben wird, sich zu bessern. 

Die Bitte um  Fürsprache ist ebenso  eine Chance, um sich zu ändern und Fehler wieder gut zu machen.

 Der Sünder hat die Möglichkeit, bei  reuevoller Umkehr in den Genuss der Fürsprache zu gelangen.  Deshalb sagen die großen islamischen Gelehrten, dass die Möglichkeit der   Fürsprache eine wichtige Wirkung auf die Charaktererziehung hat und  die Hoffnung auf Fürsprache einen Sünder auf halben Weg wieder zurückzuholen vermag.   Durch die Bitte um  Fürsprache wird die Beziehung zu Gott, den Propheten und Gottesfreunden aufrechterhalten. Der Weg zur Umkehr bleibt für den Sünder bestehen.   

Ein jeder,  der einen anderen auf den Weg Gottes rechtleitet oder irgendwie zu seiner Rechtleitung beiträgt– von den Propheten und Gelehrten bis zu einem guten Freund, kann zum  Schafi`- zum Fürsprecher werden. Derjenige, der Rechtleitung spendete, wird am Jüngsten Tag Gott näherstehen als andere. Daher kann der Prophet des Islams (Gottes Segen sei auf ihm und Friede seinem Hause) am meisten von allen am Jüngsten Tag Fürsprache  einlegen, denn die Zahl derer, die durch sein Wirken als Prophet rechtgeleitet worden sind, ist am größten.  Alle Gottesfreunde können in diesem Sinne auch Fürsprecher sein.  Imam Ali (Friede sei ihm) berichtet: „Der Prophet Gottes(S) hat gesagt: `Drei Gruppen tragen Gott, dem Allmächtigen, Fürbitten vor und ihre Fürbitte wird anerkannt: die Propheten, die Gelehrten und die Märtyrer`“. (Bihar ul Anwar, Band 8, Riwayat 2).

In einem Hadith von Imam Sadiq (F) steht: „Wenn der Jüngste Tag beginnt und ein Gelehrter und ein Gottesdiener vor Gott gebracht werden, wird man den Gottesdiener  ins Paradies führen, aber den Gelehrten zurückhalten. Es wird zu ihm gesagt:  `Bleib stehen,  damit du für die Menschen, die du gut erzogen und rechtgeleitet hast, Fürsprache einlegst.`“ (Bihar ul Anwar,Band 8, Riwayat 66 ).

 

Tags