Jun 16, 2017 13:06 CET

Wie Sie wissen besprechen wir zur Zeit die Fabeln. Wir sagten, dass es in diesen volkstümlichen Erzählungen oft darum geht, dass man einem Feind nicht vertrauen darf sondern im gegenüber weitsichtig sein und wenn nötig eine List anwenden muss.

Es werden aber auch noch andere Dinge in Fabeln empfohlen,

wie zum Beispiel die Genügsamkeit.  Dabei wird hervorgehoben, welche schädlichen Folgen die Gier hat.

Die Genügsamkeit nimmt in  Büchern über Moral und Ethik einen festen Platz ein. In vielen volkstümlichen Erzählungen aus dem Iran und ganz besonders in den Fabeln wird unterstrichen, dass die Abkehr von der Genügsamkeit  zu schweren Irrtümern und Problemen und sogar zur Vernichtung führt.

Der Held einer Geschichte, oder auch sein Feind wird oft durch seine Unersättlichkeit geblendet und stürzt sich ins Unglück.

Wissenschaftler, die sich mit den volkstümlichen Erzählungen befassen, sagen sogar, dass es mehr Geschichten über den Schaden der Gier gibt als Geschichten mit anderen moralischen Empfehlungen wie die Empfehlung, auf Gott zu vertrauen, Geduld zu üben und barmherzig und nachsichtig  zu sein.

In den Erzählungen, die vor der Begierde warnen, spiegelt sich der gute Rat der Weisen wider, welche die Gier mit einem Strick um den Hals und einer Fussfessel verglichen haben.

Manchmal ist die Begierde nur durch Genügsamkeit einzudämmen. Das heißt, der Mensch bewahrt  sich vor Leid und Sorgen, wenn er sich mit dem, was er hat,  begnügt.

In den Tierfabeln wird die Begierde oftmals dem Vertrauen in Gott gegenüber gestellt. D.h. manch einer häuft bis zu seinem Tod  immer mehr Reichtum an aus Angst irgendwann einmal keinen Unterhalt zu haben. Dies geht auf seinen Mangel an Gottvertrauen zurück.  Wenn ihn dann der Tod ereilt, muss er aber alles, was er nicht verbraucht hat, zurücklassen und gehen.

In den  Fabeln über die  Begierde zeigt sich diese schlechte Eigenschaft von zwei Seiten:  Die Gier äußert sich entweder beim ungezügelten Konsum oder beim Geiz und Nicht-Konsum durch Anhäufung von Reichtümern.

Beides führt schließlich  zu Komplikationen und  Enttäuschung.

Aber wenn jemand mit dem zufrieden ist, was er hat und sich vor der Raffgier und Unersättlichkeit hütet und auf Gott,  der jedem seinen Unterhalt schickt, vertraut, so wird er Rettung finden und ein gutes Leben haben.

Nun  die Geschichte vom Jäger, dem Reh, dem Wildschwein und dem Wolf. Auch diese Fabel  stammt aus Kalila wa Dimna.

Ein Jäger war mit Pfeil und Bogen in den Wald gegangen. Es war ein heißer Tag und ihm lief der Schweiß übers Gesicht. Da legte er Pfeil und Bogen zur Erde  und wischte sich den Schweiß ab.  Dabei schaute er um sich. Kein anderer Jäger war in der Nähe. Auch war kein einziger Vogel am Himmel zu sehen. Da murrte er vor sich hin: „Heute ist kein guter Tag. Wo sind die ganzen Vögel? Es gibt nichts zu jagen!“

Gerade wollte er wieder zurückkehren, als ein Geräusch ihn aufhorchen ließ. Es kam aus dem hohen Gras. Leise hob er Pfeil und Bogen hoch und verbarg sich. Dann lauschte er wieder. Er hörte Tierhufe und dann sah er ein schönes Reh zwischen dem hohen Gras hervortreten.Das Reh schien nicht auf seine Umgebung zu achten und stolzierte verträumt einher. Der Jäger aber freute sich: „O was für eine gute Beute! Die muss mir gehören!“ Er steckte den Pfeil vorsichtig in den Bogen und spannte die Bogensehne. Das kleinste Geräusch genügte, um das Reh aufzuschrecken.Dann richtete er den Pfeil auf das Reh und schoß ihn ab. Er traf das Reh mitten ins Herz.

Das arme Reh sank zu Boden.  Der Jäger kam und zog den Pfeil heraus. Er schulterte das tote Tier und machte sich ,  vor sich hersingend, auf den Heimweg. Bis zu seinem Hause war es nicht weit.

Während er erfreut weiterging, hörte er plötzlich ein Rascheln.Da dachte er bei sich: „Vielleicht ist das noch ein Reh! Ich sollte mich still verhalten.“ Dann ging es ihm durch den Kopf:  „Eigentlich brauche ich doch kein anderes Tier zu jagen, dieses Reh genügt.“

Doch dann sagte er sich: „Aber nein!. Ich kann doch das zweite verkaufen!“

Also lud er das Reh ab und bereitete Pfeil und Bogen vor. Wieder hörte er dieses Geräusch im Gebüsch.

Er war schon darauf vorbereitet, das nächste Reh zu töten, als er plötzlich ein großes Wildschwein auf sich zurennen sah. Rasch schoss er seinen Pfeil ab. Der bohrte sich in den Hals des Tieres. Dem Wildschwein  lief das Blut über den Körper, aber es fiel nicht zu Boden sondern kam wutentbrannt auf den Jäger zu.

Der zückte den nächsten Pfeil . Doch da hatte in das Wildschwein schon erreicht und fiel über ihn her. Nach einem harten Zweikampf fielen beide verletzt und erschöpft zu Boden.Jäger und Wildschwein waren so schwer verwundet,  dass sie beide schließlich neben dem toten Reh starben. Der  Pfeil des Jägers war  abschussbereit im Bogen des Jägers steckengeblieben.

Die drei boten einen schauerlichen Anblick.

Ein hungriger Wolf witterte den Geruch von Fleisch und Blut. Er folgte der Spur und fand die Leiche des Jägers und die beiden Tierkadaver.

Da freute er sich riesig, mühelos an einen Fraß gelangt zu sein.

Er lachte laut: „O du armer hungriger Wolf, da hast du nun genug zum Fressen! Lass es dir schmecken!“

Und dann dachte er: Am besten sollte ich nicht alle drei auf einmal fressen und zwei davon verstecken. Dann brauche ich ein paar Tage lang nicht auf die Jagd zu gehen.Erst werde ich mein Mittagessen zu mir nehmen und dann nach einem Versteck für die beiden anderen suchen.

 

Als erstes wollte der Wolf den Jäger verschlingen. Aber kaum hatte er sich ans Werk gemacht, da berührte er mit der Schnauze den Pfeil, der noch im Bogen steckte . Der Pfeil schnellte aus dem Bogen und traf den Wolf. Der Wolf wusste nicht wie im geschah, er taumelte ein paar Schritte hin und her und fiel dann neben die anderen tot zu Boden.

 

An dieser Geschichte aus Kalila wa Dimna kann jeder sehen, was die Begierde  dem Jäger eingebracht hat!  Er war nicht mit der ersten Beute zufrieden und stürzte sich mit seiner Begierde in den Tod.