Auf den iranischen Inseln im Persischen Golf (26 - letzter Teil: Qabr Nachoda)
Unsere Reise über den Persischen Golf zu den iranischen Inseln neigt sich ihrem Ende zu. In diesem letzten Teil stellen wir noch eine Insel in Chuzistan vor.
Am Persischen Golf steht die Wiege mehrerer Weltkulturen. In seiner Tiefe birgt dieses Gewässer viele alte Legenden und Geschichten. Da ist mal die Rede von den Sassanidenkönigen und dort wird von den Segelschiffen erzählt oder der Volksmund bewahrt Märchen von den Meerjungfrauen und von Seemännern, die ihr Leben lang auf den Ozeanen verbracht haben.
Die Märchen vom Persischen Golf haben alle einen Gegenstand gemeinsam ist dies ist das Wasser. Ob es sich nun um das Wasser des Meeres handelt, welches den Küstenbewohnern den Unterhalt beschert oder um den Regen, auf den die Dürstenden am Meeresufer warten. Die Namen und manchmal sogar die Geschichte einiger der Inseln im Persischen Golf sind mit alten Geschichten und Legenden verknüpft und manchmal füllt der Volksmund die Lücke aus, wo historische Dokumente und geschichtliche Berichte fehlen.
Die Insel Qabr Nachoda - Grab des Kapitäns - ist eine solche sagenumwobene Insel. Sie ist unbewohnt und liegt in dem Meeresarm Chur Musa.
Die Insel Qabr Nachoda liegt im Norden der Inseln Buneh und Dara. Bei Flut ist sie 4,2 Hektar groß und bei Ebbe schließen sich große Sandrücken, die vorher unter Wasser geraten waren, an und ihre Fläche nimmt um einige hunderte Hektar zu. Abgesehen von den Sandrücken ist die Insel völlig flach. Ihr zentraler Teil weist eine Vegetationsdecke aus verschiedenen Pflanzen auf. Aber Süßwasser gibt es auf dieser Insel nicht. Sie ist unbewohnbar.
Der Name Qabr Nochoda (Grab des Schiffskapitäns) ist schon sehr alt. Unter den Einheimischen des Festlandhafens Mahschahr heißt es: Vor langer Zeit, als man noch mit Ruderschiffen in See stach, war ein unbekannter Kapitän mit seiner Familie auf dem Persischen Golf unterwegs, als seine einzige Tochter schwer erkrankte. Der Kapitän legte unterwegs auf dieser Insel an. Er schaffte es nicht, seine kleine Tochter ans Festland zu bringen, weil es bis dort zu weit war. Auf der Insel starb sein Kind und er begrub es dort. Gemäß dieser Erzählung aus Maschahr wurde diese Insel zum Grab des Mädchens und nicht zum Grab des Kapitäns, obwohl Ghabr Nachoda – Grab des Kapitäns bedeutet.
Gemäß einer anderen Version erhielt die Insel den Namen Ghabr Nachoda, weil dort ein indischer Schiffskapitän beerdigt liegt.
Als die Achämeniden noch im Iran herrschten, was vor Christus war, war Qabr Nachoda noch mit dem Festland verbunden und bot sehr günstige Bedingungen für den Bau einer Hafenanlage. Inoffiziell vermutet man daher unter der heutigen Insel noch die Reste einer Hafenstadt und Schiffsbauanlagen aus der Zeit der Achämeniden und daher denken einige, dass die Insel ihren Namen diesem Umstand zu verdanken habe.
Wie dem auch immer sei: Diese Insel, in der anscheinend ein Kapitän oder seine Tochter oder andere begraben wurden, ist heute Wohnstätte der Seeschwalben. Wer die sagenumwobene Insel besuchen möchte, der muss nach Chuzistan kommen und in den Osten dieser südiranischen Provinz reisen. Er muss ein Boot oder einen Kutter besteigen und bis zum Delta des Chur Musa am Persischen Golf fahren. Vom Hafen Mahschahr aus ist es mit einem schnellen Motorboot anderthalb Stunden bis Qabr-Nachoda.
Die Insel gehört zu den wichtigen Lebensräumen in Chuzistan. Da sie den Gezeiten im Persischen Golf unterworfen ist, nehmen Flut und Ebbe Einfluss auf die Nahrungs- und Ruhezeiten der Vögel, die dort leben. Der Strand der Insel besteht aus Sand und Tonschlamm und ist daher als Nahrungsgebiet für Strandvögel sehr geeignet. Zu den Vögeln, die Qabr Nachoda in Scharen als Nistplatz bevorzugen, gehören Feenseeschwalben, Zügelseeschwalben und Reiherläufer. Weitere Vogelarten sind die Möwengattung Larus, Schnepfenvögel, Küsten- und Silberreiher. Auf der Insel gibt es auch Schildkröten, Echsen und Ratten.
Wie gesagt sind unter den Küsten- und Inselbewohnern überall auf der Welt viele Geschichten und Märchen über das Meer und die Seefahrer verbreitet. Am Persischen Golf ist es nicht anders. In den Märchen der Bevölkerung am Persischen Golf ist auffällig viel von Wassermännern die Rede, wahrscheinlich deswegen weil sie in der Folklore als gutes Omen galten. Hamdallah Mustaufi, der iranische Historiker und Geograf des 14. Jahrhunderts nach Christus ist gemäß seinen Ausführungen über die Biologie in seinem Buch Nuzhat ul Qulub (Amüsement der Herzen) davon überzeugt, dass der Persische Golf dank der vielen verstreuten Inseln ein Ort ist, an dem Wasserelfen leben. Anders als viele Seefahrer waren gemäß den legendären Geschichten über den Persischen Golf die iranischen Seefahrer erfreut, wenn sie Wasserelfen zu Gesicht bekamen, weil sie dachten, das bringe Glück. Und Mustaufi schreibt in seinem Buch: „Ihr Erscheinen im Meer sorgte für Freude unter den Seefahrern und sie glaubten daran, dass dadurch das Meer ruhig bleibt.“
Zweifelsohne geht es bei diesen Geschichten vor allem darum, den Namen eines Gebietes zu pflegen, von dem der Persische Golf ein wichtiger Teil bildet. Für unsere Vorfahren waren diese phantasiereichen Geschichten vielleicht ein wichtiger Weg um die Geschichte des Persischen Golfes zu hüten. So waren an den iranischen Küsten schon immer die Märchen von Seejungfrauen und Tieren, die halb Mensch waren und halb Fisch, oder von der Nane Mahi – der Mutter Fisch - üblich und wurden von einer Generation zur nächsten weitergegeben, so dass sie bis heute erhalten geblieben sind.
Mit diesem Hinweis auf die Folklore der Küsten- und Inselbewohner geht unsere Serie „Auf den iranischen Inseln im Persischen Golf“ zu Ende. Im Rahmen von 26 Teilen waren wir bestrebt, Sie mit der Geografie, der Geschichte und der Natur und Tierwelt und ebenso mit der Kultur und den touristischen Sehenswürdigkeiten dieser Region vertraut zu machen. Hoffentlich ist es uns gelungen, mit dieser Sendung ein interessantes Stück Iran vorzustellen.