In Iran gerühmt, in der Welt berühmt (12 – Abu Nasr Farabi - 2)
Sie haben bereits etwas aus dem Leben von Abu Nasr Mohammad Farabi erfahren und wir möchten heute über seine Errungenschaften und Werke sprechen.
Abu Nasr Mohammad Farabi hat im dritten und vierten Jahrhundert islamischer Zeitrechnung gelebt, - 9. bis 10. Jahrhundert nach Christus. Er ist in der Stadt Farab zur Welt gekommen, eine von zwei gleichnamigen Städten, die im Gebiet des heutigen Kasachstan bzw. Afghanistan lagen. Farabi verstarb jedoch in Damaskus und wurde dort beigesetzt. Wir haben gesagt, dass kein Forscher seine iranische Herkunft bezweifelt. Die Behauptung einiger, er sei türkischer Abstammung gewesen, wird abgelehnt.
Farabi war in einigen Wissenschaften seiner Zeit allen anderen Gelehrten voraus und hat Werke über sie verfasst. Er gilt als der Wiederbeleber der Philosophie und Begründer der Islamischen Philosophie. Hauptthema seiner Philosophie ist das absolute Sein. Seine Philosophie hat islamischen Charakter, auch wenn er unter dem Einfluss der griechischen Philosophie insbesondere von Aristoteles stand.
In den Augen von Farabi ist der Philosoph das Oberhaupt der Gesellschaft. Ähnlich wie Gott die Welt verwaltet, ist es der Philosoph, der die Angelegenheiten der Gesellschaft regelt. Farabi hatte besonders die politische Philosophie im Auge. Er ist ein Philosoph, der viele soziale und politische Sorgen erlebt hat. Aus diesem Grunde hat er eine philosophische Verbindung zwischen den sozialen und politischen Fragen hergestellt und auf diesem Gebiet verschiedene Werke geschaffen. Aus seiner Sicht lässt sich die Politik in zwei große Bereiche aufteilen – einen, der die Moral und einen anderen, der die zivilen Rechte betrifft. Der ethischen Politik liegen die Orientierung nach Gott und der Glaube an das Jenseits und die Offenbarung zugrunde. Die Grundlagen der Zivilpolitik bilden nach Ansicht von Farabi die Bedürfnisse der Gesellschaft sowie die Zusammenarbeit und Mitbeteiligung aller ihrer Mitglieder. Kennzeichnend ist, dass Farabi das zivile Glück davon abhängig macht, dass es mit der Moralpolitik übereinstimmt. Der iranische Philosoph Dr. Ebrahimi Dinani sagt:
„Farabi ging es im Leben um Fragen der Gesellschaft und den Zusammenhang sozialer Beziehungen zu dem Ursprung des Daseins. Seine Gedanken kreisten zwischen der Physik und Metaphysik. Deshalb ist er auch als Kulturphilosoph bezeichnet worden.“
Das kulturelle Anliegen Farabis tritt in vielen seiner Werke zutage. Zwar haben alle muslimischen Denker immer auf irgendeine Weise über die Gesellschaft gesprochen, aber niemand in der Islamischen Welt hat sich bis heute so sehr dem Thema „Gesellschaft“ gewidmet wie er.
Es heißt, dass Farabi über 100 Bücher über verschiedene wissenschaftliche Zweige geschrieben hat. Einige davon blieben uns und der Welt erhalten. Die drei wichtigsten Bereiche, in denen Farabi sich gedanklich vertieft und über die er geschrieben hat, sind die Philosophie, Logik und Metaphysik.
Auf dem Gebiet der Philosophie ist Farabi der erste muslimische Philosoph gewesen, der unter großem Einsatz die Werke von Aristoteles und Platon inhaltlich vollständig verstanden und sie schriftlich kommentiert, erklärt und kritisch dazu Stellung genommen hat. Es ist in Wahrheit den Anstrengungen Abu Nasr al-Farabi zu verdanken, dass die Welt erneut mit den Werken dieser beiden griechischen Philosophen Bekanntschaft schließen konnte. Er war zwar mit der griechischen Philosophie gut vertraut, aber er begnügte sich nicht mit den Begriffen der griechischen Meister, sondern war ein selbstständiger kritischer Denker. Er hat philosophisch ein Weltbild errichtet, das trotz gewisser Ähnlichkeiten nicht mit der Welt von Platon und Aristoteles verwechselt werden darf.
Farabi hat die Philosophie von den Griechen erlernt, aber diese Philosophie erhielt im Denken von Farabi Merkmale, die den Lehren des Islams nicht fremd waren. Farabi schloss mit der Ansicht von Aristoteles und Platon über Logik, Natur, Metaphysik und Moral Bekanntschaft und hat sie dann im Rahmen der islamischen philosophischen Denkordnung auf geeignete Weise dargebracht. Farabi ging davon aus, dass es nur eine wahre Philosophie gibt und dass die großen Philosophen sich nicht uneinig sein können, da sie alle die gleiche Absicht hegen und alle nach der Wahrheit suchen.
Abu Nasr Farabi war in seinen zahlreichen philosophischen Werken bestrebt, die Philosophie den religiösen Überzeugungen der Menschen anzunähern oder mit anderen Worten, die religiösen Überzeugungen, mithilfe der philosophischen Grundlagen und Methodik, von Aberglauben und Illusionen fernzuhalten. Er beweist zum Beispiel, dass die Philosophie genauere Aussagen über die Wahrheit des Schöpfungsbeginns macht als die Überlieferung und dass sie dem Ein-Gott-Glauben näher kommt.
Zudem hat sich Farabi für die Verbreitung der Philosophie eingesetzt, denn er war der Ansicht, dass die Allgemeinheit die Philosophie genauso wie andere Wissenschaften benötigt. Daher hat er die Philosophie der religiösen Sprache und Begriffswelt angenähert. In zahlreichen Abhandlungen wurde dieses Werk im 10.Jahrhundert nach Christus von dem Philosophenkreis Ichwan-as-Safa (Brüder der Reinheit) vervollständigt. Der iranische Philosoph Dr. Dawari, Autor des persischensprachigen Buches : Farabi Muases-e Falsafeh-e Islami - Farabi, der Begründer der islamischen Philosophie - sagt:
„Farabi hat in der Philosophie die Position der selbstständigen Urteilsfindung erreicht. Er war nicht nur wie Aristoteles Lehrer der Logik, sondern er hat die Wissenschaften kategorisiert und die islamischen Wissenschaften eingeordnet und allen Wissenschaften eine logische und begründete Form gegeben. Farabi ist in Wahrheit der Wiederbeleber der Philosophie und der Begründer der islamischen Philosophie. Aus der Sicht von Farabi bildet die Kunde von dem Einen Gott den wahren Kern der Philosophie und daher ist die Philosophie nicht verschieden von der Religion, welche auf der Einheit Gottes und den Glauben an Ihn aufbaut. Der einzige Unterschied zwischen beiden besteht in der Methodik und nicht in der Absicht und Wesensart. Die eine benutzt die Fähigkeit des abstrakten Denkens und die andere die Vorstellungskraft, und bei Farabi ist der ideale Mensch der oberste Vorsteher und Prophet und Imam.“
Farabi hatte ein besonderes Interesse an der Logik und bedeutende Werke darüber geschrieben. Er war darum bemüht die Bedeutung der Logik, die von einigen abgelehnt wurde, darzulegen und zu zeigen, wieso die Gelehrten die Logik benötigen und welchen Nutzen sie bringt. Farabi ist der Ansicht, dass die Logik den Verstand stärkt und uns in Fällen auf den rechten Weg lenkt, in denen wir falsche Vorstellungen hegen und Irrtümer begehen.
Farabi unterscheidet nach selbstverständlichen und nach abstrakten Aussagen. Bei selbstverständlichen Aussagen begeht die Allgemeinheit nach Ansicht von ihm keinen Fehler. So wird jeder bestätigen dass eine Summe größer ist als ein Teil von ihr. Andere Aussagen müssen jedoch mit Hilfe des Denkens und des Vergleiches nachvollzogen werden und in diesem Moment wird das Bedürfnis an der Logik verspürt. Farabi zieht einen Vergleich zwischen der Wissenschaft der Logik und dem Grammatikwissen der Sprache und sagt: „Die Logik steht zu den Aussagen im gleichen Verhältnis wie die Syntax zu den Wörtern.“
Auch der Metaphysik hat Farabi große Aufmerksamkeit geschenkt und auf diesem Gebiet viele Werke geschrieben. Er war bestrebt, eine Harmonie zwischen Philosophie und der Lehre von der Einheit Gottes herzustellen. Daraus ergab sich eine Denkordnung mit Regeln, die keinen deutlichen Widerspruch zur Religion bilden und ihr nicht fremd sind. Dieses Denkschema ist so aufgebaut, dass der Philosoph es als den Kern der Religion verstehen kann. Die Theologie, welche Aristoteles als die Krone der Philosophie betrachtet, bleibt bei Farabi nicht in der Form, wie Aristoteles sie in seinem Buch über die Metaphysik beschreibt bestehen, sondern Farabi nimmt Änderungen in ihr vor. In seinen Augen bewegen sich die Lebewesen von der niedrigsten Stufe in Richtung der Vollendung, während nichts die Stufe der Vollkommenheit Gottes erreicht.
Beim nächsten Mal möchten wir eine weitere iranische Persönlichkeit vorstellen, nämlich Abu Rayhan Biruni.