Jul 29, 2023 09:07 CET

Im Anschluss an die letzte Folge möchten wir weiter über Leben und Wirken des iranischen Gelehrten, Dichter und Mystiker Rumi berichten.

Dschalal ad din Mohammad Maulawi verließ am Sonntag, dem 17. Dezember 1273, dem 5. DschumudiulUchra im Jahre 672 nach der Hidschra, die irdische Welt, doch sein Glanz ging auch nach ihm nicht verloren und ist auch heute– nach mehreren Jahrhunderten – noch nicht verblasst. Seine Gedichte und Werke sprechen auch jetzt noch die Menschen an und lassen mit ihrer Faszination Leser und Hörer aufhorchen. Die Werke Maulawis (Rumi) wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und es  wurden Biografien über sein Leben  verfasst und seine Denkweise und seine Reden wurden schriftlich kommentiert. Die bekannte deutsche Islamwissenschaftlerin Frau Professor Dr. Annemarie Schimmel hat Bücher und Artikel zu Rumi geschrieben. Sie  bestätigt, dass die Ghaselen aus dem großen Gedichtband (Divan), und Ausschnitte aus  dem MathnawiMa`nawi (spirituelle Zweizeiler)  bzw. dessen voller Text und  das Werk Fihi Ma Fihi (Darin ist, was darin ist) bislang in mehreren Versionen und in verschiedenen Sprachen übersetzt wurden, zahlreiche Autoren und Denker auf der Welt tief beeinflusst  und viele andere dazu veranlasst haben, forschend in das Gedankenmeer Maulawis einzutauchen.

Der pakistanische Forscher Mohammad Nadhir hat festgestellt, dass bis jetzt  195 Kommentare bzw. Übersetzungen  des Mathnawis von Maulawi in verschiedenen Sprachen wie Persisch, Arabisch, Türkisch, Urdu, Paschtu, Pandschabi, Englisch und Schwedisch herausgegeben wurden. Bei einem Blick auf  Neuerscheinungen, ob Literatur oder Artikel oder Computer-Software ist der Einfluss  Maulawis zu verspüren und zwar nicht nur der Einfluss auf die junge Generation im Iran sondern auch auf die anderer Länder. Zum Beispiel ist in den USA eine Musik-CD zum Bestseller geworden, deren Liedertexte auf der Übersetzung von Maulawis Ghaselen beruhen. Dies zeigt wie aktuell und frisch das Denken Rumis nach mehreren Jahrhunderten geblieben ist. 

Dschalal ad din Mohammad Maulawi, im Westen als Rumi bekannt, hat uns Prosa und Poesiewerke hinterlassen:

Seine Prosawerke sind Makatib ,FihimaFihi,Madschalis Saba (die sieben Sitzungen) und seine Poesiewerke heißen Diwan-e Kabir (Großer Gedichtband) und MathnawiMa`nawi. Sein Makatib enthält Briefe Maulawis an verschiedene Personen und Persönlichkeiten seiner Zeit.  Es werden Maulawi noch andere Prosawerke zugeschrieben. Doch die Literaturforscher lehnen die Meinung ab, dass diese von Maulawi verfasst oder von ihm zusammengestellt worden seien.

Seine Gedichte wurden von seinem treuen Schüler Hisam ad dinTschalabi niedergeschrieben. Er las sie Maulawi vor, und Maulawi korrigierte sie. Die Werke FihimaFihi und Madschalis Saba sind von seinen Schülern zusammengestellt worden. FihimaFihi gibt Gespräche Maulawis (Rumis) auf inoffiziellen Sitzungen wieder. Auf diesen Sitzungen stellten Schüler oder Gelehrige in Konya Fragen und Maulawi beantwortete sie. Gemäß den Maulawi-Forschern ist FihimaFihi vor allen Dingen deshalb so bedeutend, weil es als Schlüssel für das Verständnis der Anspielungen und Fingerzeige Maulawis in seinem Mathnawi und in dem Diwan-e Schams, wie der Diwane Kabir auch genannt wird, dienen. Denn wegen der Treue zu den einschränkenden Elementen und Regeln der Dichtung wie  Metrum und Reim, konnte Maulawi nicht immer poetisch alles  mit Leichtigkeit darstellen, aber in seinem FihimaFihi hat er problemlos seine Ansichten und Gedanken dargelegt. 

 

Das Werk Madschalis Saba von Maulawi umfasst den Inhalt von sieben Sitzungen Maulawis in jenen Jahren, wo er noch den Rednerstuhl in der Moschee bestieg. Nach seiner Begegnung mit dem Mystiker Schams-e Tabrizi und dem inneren Wandel, den Maulawi erfuhr, hatte er nur noch ein einziges Mal gepredigt. Somit kann das Werk Madschalis Saba (die sieben Sitzungen) Aufschluss darüber geben, wie Maulawi dachte, bevor er den Mystiker aus Tabriz kennenlernte. 

Mathnawi Ma`nawi (spirituelle Zweizeiler) und Diwan-e Kabir enthalten Ghaselen und Vierzeiler Maulawis und sind große Werke. Über diese beiden Werke, die die Gedanken Maulawis enthalten werden wir noch ausführlicher sprechen.

Der Literaturkenner Abdul Husain Zarinkub sagt über Maulawi und seine Denkweise, dass seine leidenschaftliche Liebe ihn zum Philosophen und Dichter gemacht hat. Er schreibt: „Er dichtet und beschreibt darin nicht nur seine spirituellen Regungen sondern legt auch seine philosophischen Gedanken dar.  Obwohl er nicht mit der Denkweise und der Darstellung jener, die alles auf logische Weise begründen wollen zufrieden ist, führt er genauso wie sie bei der Schilderung seiner Meinung und Gedanken Argumente an...“

Maulawi hat in seinen Gedichten über die Welt und Gott, den Geist und die Seele, die Rückkehr zu Gott und über den Menschen sowie über seine Probleme in der materiellen Welt und auf dem Pfad zu Gott und dem Erreichen der Wahrheit gesprochen.  Einige Wissenschaftler, die sich mit seinen Werken befasst haben, sagen, dass er den Entwicklungsprozess des Menschen beschrieben hat, der von der leblosen Materie zur vegetativen Existenz und von der vegetativen Existenz zur menschlichen und engelhaften Existenz überspringt. Er zeigt die Grenzen des Zwangs und der Entscheidungsfreiheit des Menschen auf   und verbildlicht die spirituelle Stufe der Entwerdung des Menschen in Gott.  Maulawi schaut bei der Darstellung dieser Dinge mal wie ein Philosoph  und mal wie ein Mystiker und sogar manchmal wie ein romantischer Dichter auf die Welt, jedes Mal mit Erfolg.

In der Dichtung von Maulawi ist seine Liebe zur Natur und zur menschlichen Gesellschaft zu verspüren.

Der türkische Iranologe und Islamwissenschaftler Gölpinarli (verstorben 1982), ein Kenner der Sufi-Mystik , sagt über dieses Merkmal in der Poesie Maulawis (Rumi):

„Er war ein Dichter der sich niemals vom Volk trennte. Alle seine bildlichen Vergleiche entnahm er der Sprache des Volkes und daher steckt eine lebensspendende Kraft in seinen neuen Ideen. Der Boden und die Felder, Erde und Wasser, das heißt  Leben, von dem wir uns nicht trennen können -  sind die wichtigsten Elemente in seiner Dichtung.“

Gölpinarli weiter :

„Maulawi sieht in der Natur etwas, in dem Gott sichtbar wird und manchmal sieht er überall auf der Welt nichts anderes mehr als Gott. Diese Gedanken zeugen von seiner Vertiefung in die Existenz Gottes. Was Maulawi in seiner Dichtung beschreibt sind das Gefühl und die Entdeckung der Einheit und Verbindung des Menschen mit allen Geschöpfen und der Welt, bei der der Mystiker nur noch die Existenz Gottes und sonst nichts anderes mehr sieht. Maulawi ist der Meinung dass Wissenschaft und Handeln  wahrhaftige Gottergebenheit und eine rein gottorientierte Motivation erfordern. Er empfiehlt, dass der Mensch bei seinen Taten nur an Gott denken soll und betont, dass der Mensch nicht an die Quelle der Helligkeit gelangt, solange sein Blick noch  nicht von dem Staub und der Lust und dem Trieb des Egos rein geworden ist.