In Iran gerühmt, in der Welt berühmt (24 - Ghiyathuddine Dschamdschid Kaschani)
May 21, 2022 03:36 CET
Wir stellen heute einen weiteren iranischen Mathematiker und Astronomen aus der Islamischen Zivilisationsära vor. Mit vollem Namen hieß er Ghiyathuddin Dschamschid bin Masʿud bin Muhammad al-Kaschani.
Ghiyathuddin Dschamdschid Kaschani verbesserte und vereinfachte die vier althergebrachten Hauptrechnungsmethoden und erfand einfachere. In Wahrheit ist er der Begründer der heutigen 4 Hauptrechnungsmethoden, insbesondere der Multiplikation und der Division. Sein Buch Miftah al Hisab (Schlüssel des Rechnens) ist ein Lehrbuch über die Grundlagen der Mathematik, welches im Mittelalter hinsichtlich seiner Themenvielfalt und seines flüssigen Stils als das beste galt.
Dschamschid war Sohn eines Arztes namens Mas`ud. Geboren wurde er um 790 nach der Hidschra und dem Mondkalender, sprich 1388 nach Christus, in der zentralgelegenen Stadt Kaschan im Iran. Er hat sich in allen Werken bescheiden vorgestellt als den „geringfügigsten Diener Gottes oder den am meisten auf Gottes Barmherzigkeit angewiesenen Gottesdiener Dschamschid, Sohn des Kaschaner Arztes Mas`ud (welches der) Sohn des Mahmud, Sohn des Mohammad (war).“
Das meiste was wir über sein Leben wissen, lässt sich aus seinen wertvollen wissenschaftlichen Werken und aus zwei Briefen an seinen Vater und an die Bevölkerung von Kaschan entnehmen. Ghiyathuddin Dschamschids Kindheit und Jugendzeit fällt mit den schweren Angriffen der Timuriden unter Timur Leng auf den Iran zusammen. Dennoch befleißigte sich Dschamschid des Wissenserwerbs. Darüber wer seine Lehrmeister waren und wo er studierte, lassen sich nur Vermutungen anstellen. Wahrscheinlich studierte er in Kaschan und in einer oder mehreren Städten der Provinz Fars. Sein Vater war zwar Arzt, besaß jedoch auch umfassendes Wissen auf anderen Gebieten. Aus einem der Brief seines Sohnes geht hervor, dass er einen Kommentar zu dem Werk Miy`ar al Asch`ar (Kriterium der Dichtung) von Chadsche Nasiruddin Tusi verfassen und seinem Sohn Dschamschid schicken wollte.
Die erste wissenschaftliche Tätigkeit des Dschamschid al-Kaschanis, deren genaues Datum bekannt ist, stellt die Beobachtung einer Mondfinsternis am 12. Dhul Hadscha 808 nach der Hidschra, 2. Juni 1406, in Kaschan dar. Sein erstes wissenschaftliches Werk namens Risala Sullam al Sama (Leiter des Himmels) schrieb er auf Arabisch, ebenso in Kaschan, und zwar 809 nach der Hidschra, 1407 nach Christus. Es waren gerade zwei Jahre nach dem Tod von Timur Leng und seinem Übel vergangen. Mit 23 lebte al-Kaschani noch immer in Kaschan und schrieb dort eine kurze Abhandlung in der Farsi-Sprache über Sternkunde. Doch erhielt er keine Unterstützung von den Herrschern, und daher war seine wissenschaftliche Tätigkeit mit Schwierigkeiten verbunden. Im Jahre 816 nach der Hidschra verfasste dieser Gelehrte in persischer Sprache (Farsi) sein wichtiges Werk über die Astronomie. Es trug den Titel Zidsch-Chaqani. Ghiyathuddin schickte es dem Ulugh Beg in Sarmakhand (heutiges Usbekistan) dem Enkel Timur Lengs und Sohn des Schah Ruch. An einer Stelle in seinen Schriften hat Ghiyathuddin Al-Kaschani mit Hinweis auf seine begrenzten finanziellen Möglichkeiten eingestanden, dass er das Zidsch Chaqani nur mit Hilfe von Ulugh Beg zu Ende bringen konnte. Er hoffte mit Hilfe dieses Timuridenherrschers leichter seine wissenschaftliche Forschungsarbeit weiterführen zu können.
Als Dschamschid in Kaschan lebte, unterlag Iran der Herrschaft der Timuriden. In dieser Zeit hatten Astronomie und Mathematik eine enorme Verbreitung gefunden, was an den aus dieser Zeit erhalten gebliebenen Büchern über Mathematik, Astronomie und ihre Methoden und den Sterntabellen (Zidsch) zu sehen ist.
Ulugh Beg war ein großer Freund der Wissenschaften und der Gelehrigste aus der Familie der Timuriden. Sein eigentlicher Name war Muhammad Tariq ibn Schāh-Ruch ibn Timur. Er wurde aber unter dem Titel Ulugh Beg – Großer Herrscher – bekannt. Ulugh Beg, Sohn des Schah Ruch und der Gauhar Schad war selber ein Astronom und Mathematiker. Sein Vater hatte ihm Transoxanien überlassen, und er herrschte dort bis zu seinem Tode im Jahre 850 nach der Hidschra. (1449 n. Christus). Ulugh Beg gründete in Sarmakhand eine große wissenschaftliche Ausbildungsstätte (Madressa) und lehrte dort selber Theologie und Wissenschaften. Das Zentrum wurde weit und breit berühmt und erreichte eine Bedeutung wie die Nizamiyya in Bagdad, Al Azhar in Kairo, Ägypten, und Cordoba in Andalusien, Spanien.
Ulugh Beg hatte in seiner Kindheit die Sternwarte in Maragha, welche al-Tusi erbaut hatte, gesehen und 823 nach der Hidschra (um1420 n. Christus) beschloss er, auch in Samarkhand eine Sternwarte zu errichten. Zu diesem Zweck lud er versierte Gelehrte aus anderen Städten, darunter auch Schiraz und Kaschan nach Samarkhand ein. Mit Hilfe großer iranischer Gelehrten gelang ihm sein Vorhaben und er verwandelte seinen Regierungssitz Samarkhand in ein Zentrum für wissenschaftliche Tätigkeiten, insbesondere für Mathematik und astronomische Studien.
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Ghiyathuddin Dschamdschid Kaschani nach Vollendung seines Werkes Tachlis ul Miftah – (zusammengefasster Schlüssel) im Jahre 824 nach der Hidschra (1421 n. Christus) noch eine Zeitlang in seiner Heimatstadt Kaschan in Zentraliran gelebt hat. Andere Quellen sprechen dafür, dass er schon früher die Stadt in Richtung Samarkhand verließ. Er soll 1420 nach Samarkhand berufen worden sein.
Es ist jedenfalls verwunderlich, dass ein gelehriger Mann wie Ulugh Beg beim Studium des Zidsch-Chaqani nicht sofort die außerordentliche Begabung des Ghiyathuddin gewahr worden ist. In einem seiner beiden Briefe beklagt Ghiyathuddin Dschamschid al-Kaschani indirekt, dass die politische Spitze erst ziemlich spät auf ihn aufmerksam geworden ist, bringt aber auch seine große Freude darüber zum Ausdruck, dass er in eine Stadt wie Samarkhand eingeladen worden war.
Es steht fest, dass Ghiyathuddin Dschamschid einer von denen gewesen ist, die für die Gründung des Observatoriums in Samarkhand ausgewählt worden waren. Die Einladung erging damit an einen jungen begabten Physiker, Mathematiker und Astronomen, der bis dahin keine geeignete Möglichkeiten für wissenschaftliche Tätigkeiten zur Verfügung gehabt hatte. Er hatte eines seiner wichtigen Bücher mithilfe der finanziellen Unterstützung von Ulugh Beg angefertigt und es mit der Betitelung Zidsch Chaqani dem Timuridenherrscher Schah Ruch, Vater von Ulugh Beg gewidmet. Einige sagen Ulugh Beg lud ihn aufgrund dieses Buches nach Sarmakhand ein aber anderen denken, dass die Entdeckung von al-Kaschani dem Mathematiker und Astronomen Qazizade Rumi zu verdanken ist und Ulugh Beg dann erst den jungen Gelehrten bat, nach Samarkhand zu kommen.
Dazu gibt es folgende überlieferte Geschichte:
Qazidzadeh war ein Gelehrter aus dem Oströmischen Reich. Er machte sich über den Irak auf den Weg nach Samarkhand, um dort mit dem Befehlshaber in Transoxanien, dem Timuriden Ulugh Beg, zusammenzutreffen. Sein Weg führte über Kaschan. Dort versuchte er jemanden zu finden, der wie er selber Mathematiker war. Er kam auf dem Basar an einem kleinen Laden vorbei, in dem ein kleinwüchsiger Mann saß und - umgeben von Büchern, Kugeln und astronomischen Geräten, darunter auch Astrolabien - in ein Buch vertieft war. Qazizadeh schloss daraus, dass es sich um einen Astronomen und Mathematiker handeln muss. Erfreut begrüßte er ihn und sagte:
„Mein Herr, was sind diese Sachen?“
Der Mann fragte: „Was möchtest du denn?“
Qazizadeh sagte: „Ich will etwas davon kaufen! Ich will ein Astrolabium haben.“
Da fragte ihn der Mann: „Welches Astrolabium brauchst du?“
Qazizadeh nannte eine Art von Astrolabium. Der Mann im Laden sagte zu ihm:
„Ich verkaufe nur jemandem dieses Astrolabium, der meine Fragen über die Astronomie und Mathematik klären kann.“
Dann stellte er ihm einige Fragen, aber Qazizadeh konnte sie nicht beantworten. Qazizadeh wiederum nannte dem Ladenbesitzer einige komplizierte Fragen der Astronomie, die der Mann ihm eine nach der anderen richtig beantwortete. Da staunte Qazizadeh über sein großes Wissen und fragte nach seinem Namen. So lernte er Ghiyatuddin Dschamschid kennen.
Die beiden schlossen Freundschaft und als Qazizadeh nach Samarkhand kam und erfuhr, dass Ulugh Beg eine Sternwarte errichten und neue Sternentabellen aufstellen will, sagte er zu ihm: „Zur Durchführung dieses Vorhabens taugt in meinen Augen nur ein bestimmter kleinwüchsiger Mann, der jede Handbreit zwischen Erde und Himmel kennt.“
Als Ulugh Beg über Ghiyathuddin Dschamschid erfuhr, schickte er jemanden nach Kaschan, damit dieser den jungen Gelehrten mit dem Bau des Observatoriums in Samarkhand beauftragt. Gemäß dieser Geschichte, ist Ulugh Beg also erst durch Qazizadeh auf Ghiyathuddin Dschamdschid aufmerksam geworden.
Einige vermuten dass sich Al Kaschani zwischen 819 und 822 nach dem Mondkalender auf den Weg nach Samarkhand machte. Sein Neffe Muinuddin Kaschani, ein bekannter Mathematiker seiner Zeit, begleitete ihn. Er schrieb von Samarkhand aus zwei Briefe an seinen Vater. Diese enthalten nützliche Informationen über den Stand der Wissenschaft in Samarkhand und die Verbindungen zwischen den Gelehrten und dem König und über viele damalige soziale, kulturelle und wissenschaftliche Angelegenheiten.
Auch in unserem nächsten Teil wird es um den Gelehrten Ghiyatuddin Dschamdschid al Kaschani gehen.
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