Jul 01, 2022 05:03 CET
  • Moral – islamisch gesehen (34 – Kulturethik)

Dieser Teil behandelt die Tatsache, dass Wissen und Glauben einander begleiten müssen.

 

 

Beim letzten Mal haben wir daran erinnert, dass der Prophet des Islams (Gottes Segen sei auf ihm und Friede seinem Hause) in einer Ära seine Kulturrevolution begonnen hat, in der es auf der Arabischen Halbinsel dermaßen wenige Schriftkundige gab, dass man sie an einer Hand hätte abzählen können. Fast die ganze Bevölkerung bestand aus Analphabeten. Es herrschte weitgehend Unwissenheit.

 

Dies war die Atmosphäre in der Gott, der Weise und Allwissende zum Lesen und Schreiben auffordert und erklärt, dass der Prophet (S) den Auftrag hat,  jene  Leute die in Unwissenheit zubrachten und dem Irrtum verfallen waren,  das Buch und Weisheit zu lehren. Dieselben Menschen,  die einst in Unwissenheit zugebracht hatten,  begründeten bald darauf  die glänzende Islamische Zivilisation. Wir möchten nun einen weiteren wichtigen Aspekt der islamischen Kulturethik behandeln.

                                    

Ein besonderes Merkmal der islamischen Kulturethik ist die Verknüpfung von Wissen und Glauben.

Der Koran sagt hierüber (am Ende des Verses 11 der Sure Mudschadila (Sure 58 )

 

"... یَرْفَعِ اللَّهُ الَّذِینَ آمَنُوا مِنْکُمْ وَالَّذِینَ أُوتُوا الْعِلْمَ دَرَجَاتٍ ۚ وَاللَّهُ بِمَا تَعْمَلُونَ خَبِیرٌ"

 

... so erhöht auch Allah diejenigen von euch, die glauben, und diejenigen, denen das Wissen gegeben worden ist, um Rangstufen. Und Allah ist dessen, was ihr tut, Kundig.

An diesem Vers ist zu erkennen, dass im Islam Wissen und Glauben unzertrennlich zusammengehören.

                                   

Historische Erfahrungen und Ereignisse in unserer jetzigen Zeit zeigen, welche irreparablen Schäden die Trennung von Wissen und Glauben zur Folge gehabt haben. Einmal ganz abgesehen davon, bleibt der Glaube dank Aufklärung durch die Wissenschaft, Wissen und Erkenntnis von Aberglauben befreit. Wenn sich der Glaube von der Wissenschaft abkehrt, wird er zu einer starren Überzeugung  und treibt den Menschen in die Ziellosigkeit und den Irrtum.

Aber umgekehrt gilt auch, dass Wissen und Wissenschaft minus Glauben so viel bedeuten, wie wenn man eine Waffe einem bösartigen Unruhestifter überlässt oder im nächtlichen Dunkel einem professionellen Dieb eine Leuchte in die Hand gibt, damit er kostbare Gegenstände entwendet.  

 

                           

Ostad Motahhari, der große islamische Denker und Märtyrer, hat  die Notwendigkeit von sowohl Wissen als auch Glauben  wie folgt beschrieben:  

“Wissen und Wissenschaft spenden uns Erhellung und Macht und Glauben spendet uns Liebe und Hoffnung. Die Wissenschaft konstruiert die Mittel und der Glaube baut das Ziel auf. Die Wissenschaft beschleunigt und der Imam gibt die Richtung an. Wissen bedeutet Können und Glauben bedeutet das Gute wollen...Die Wissenschaft ist die externe Revolution und der Glaube die innere. Die Wissenschaft macht die Welt zu einer menschlichen Welt und der Glaube die Seele zu einer menschlichen Seele... Die Wissenschaft gestaltet die Natur und der Glaube den Menschen. ... Wissen und Wissenschaft machen den Verstand schön und der Glaube verleiht der Seele Schönheit.  Wissen ist das Schöne am Denken und Glauben das Schöne der Empfindungen... Die Wissenschaft ist externe und der Glaube interne Sicherheit.  Die Wissenschaft bringt Sicherheit  gegenüber der Gefahr von Krankheiten, Überschwemmungen, Erdbeben und Orkanen  und der Glaube bringt den Menschen vor seelischem Stress, Einsamkeit und dem Gefühl der Schutzlosigkeit und Sinnlosigkeit in Sicherheit.” 

 

Es ist also notwendig, dass Wissen und Glaube parallel zueinander auf allen Schauplätzen des Lebens eine Rolle spielen. Dies ist so wichtig, dass Imam Sadschad (Friede sei mit ihm) gesagt hat:

“Wenn die Menschen wüssten, welche Werte in dem Erwerb von Wissen und Kenntnis verborgen liegen, würden sie sich um den Wissenserwerb bemühen, selbst wenn dabei ihr Blut vergossen würde oder sie gezwungen wären (in die Tiefe der Ozeane) abzutauchen.

(Kafi – Buch Fadhl ul Ilm)

                               

 

Aus der Verknüpfung von Wissen und Glauben gemäß der islamischen Kultur ergibt sich der wichtige Punkt, dass Wissen Verantwortung mit sich bringt. Das Wissen eines Gelehrten, der seine Kenntnisse nicht im Interesse der Gesellschaft einsetzt, nichts für die Erhellung der öffentlichen Meinung tut  und keinerlei Mühe auf sich nimmt, um zu verhindern, dass die Gesellschaft in den Abgrund der Unwissenheit stürzt, gilt gemäß der islamischen Moralordnung als wertlos. Ein solcher Gelehrter wird heftig getadelt.

 Über einige jüdische Gelehrte, die nicht ihren Pflichten nachkommen, spricht Gott in der Sure Dschumua (Sure 62 ) im Vers 5 :

 

"مَثَلُ الَّذِینَ حُمِّلُوا التَّوْرَاةَ ثُمَّ لَمْ یَحْمِلُوهَا کَمَثَلِ الْحِمَارِ یَحْمِلُ أَسْفَارًا ۚ بِئْسَ مَثَلُ الْقَوْمِ الَّذِینَ کَذَّبُوا بِآیَاتِ اللَّهِ ۚ وَاللَّهُ لَا یَهْدِی الْقَوْمَ الظَّالِمِینَ"

Das Gleichnis derjenigen, denen die Thora auferlegt wurde, die sie aber hierauf doch nicht getragen haben, ist das eines Esels, der Bücher trägt. Schlimm ist das Gleichnis der Leute, die Allahs Zeichen für Lüge erklären. Und Allah leitet das ungerechte Volk nicht recht.

 

 

 

 

Wenn einige Gelehrte keine solche Verantwortung verspüren, liegt es gemäß der islamischen Überlieferung daran, dass sie sich von weltlichen Reizen dazu verleiten lassen, ihr Wissen nur im eigenen Interesse zu nutzen.

Imam Sadiq (Friede sei mit ihm) war das Sinnbild für Wissen und Glauben in Person. Er hat gesagt:

“Wenn ihr einen Gelehrten seht der das Weltliche liebt, dann klärt die Gesellschaft über seine wahre Position auf (und wisset dass er nur Religiosität vorgibt) , denn jeder umwirbt das, was er liebt.”

Dann fügte der Imam hinzu:

“Gott hat dem David offenbart:

`lass zwischen Mir und dir keinen Gelehrten, der vom  Diesseits geblendet ist, stehen, denn er wird dich aus dem Reich Meiner Freunde vertreiben. Solche Leute sind wie Straßenräuber, die den Dienern auflauern, die nach Mir streben.”

                  

Ein weiterer Grund dafür, dass Gelehrte nicht ihrer Pflicht nachkommen ist der, dass sie den Zentren weltlicher Macht zugeneigt sind und ihnen dienen. Sie stellen ihr Wissen unverantwortlich den Herrschsüchtigen zur Verfügung und werden zu ihren Handlangern. Jeden Befehl, den das Machtzentrum herausgibt, führen sie kritiklos durch, auch wenn es zum Nachteil der menschlichen Gesellschaft sein sollte. Sie  handeln wie willige Sklaven im Interesse des Herrscherapparates.

Der Prophet des Islams (S) sagt in diesem Zusammenhang:

“Solange die Religionsgelehrten nicht den Schauplatz der Weltenliebe betreten, sind sie die zuverlässigen Stützen der Propheten Gottes.“

Da wurde er gefragt, was denn mit dem Betreten des “Schauplatz der Weltenliebe” gemeint sei. Er sagte:

“Diese Religionsgelehrten sind daran zu erkennen, dass sie denen gehorchen, die  nach (politischer) Vorherrschaft streben.  Wenn ihr seht, dass sie sich den Zentren der Macht(süchtigen) genähert haben, dann trennt eure Reihen  von ihnen.” (siehe obige Quelle).

 

 

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