Aug 09, 2022 03:30 CET
  • Moral – islamisch gesehen (39 -  Wirtschaftsethik)

Wir möchten uns nun näher mit den islamischen Moralprinzipien für die Wirtschaft beschäftigen.

 

 

Zweifelsohne wirkt sich die Wirtschaft entscheidend auf das Schicksal einer Gesellschaft und Staatsordnung aus. Daher schenkt der Islam auch der Wirtschaft große Beachtung, denn er ist ja eine umfassende Lehre.  Im Gegensatz zu einem oberflächlichen Islamverständnis ist er nicht - wie ein Teil des Judentums -  nur auf materialistische Ziele ausgerichtet, noch konzentriert er sich ausschließlich  auf immaterielle Aspekte, wie ein Teil des Christentums. Vielmehr ist der Islam eine Religion, die einhergehend mit der Stärkung der Glaubensgrundlagen auch ernsthaft die materiellen Bedürfnisse und den Unterhalt beachtet. Der Koran sieht in der Wirtschaft einen Faktor für den Erhalt der Gesellschaft. Deshalb heißt es auch in der Sure 4 im Vers 5:

وَلَا تُؤْتُوا السُّفَهَاءَ أَمْوَالَکُمُ الَّتِی جَعَلَ اللَّهُ لَکُمْ قِیَامًا

Und gebt nicht den Toren euren Besitz, den Allah euch zum Unterhalt bestimmt hat,

                                  

Die Wirtschaft führt nicht nur zur Versorgung des Einzelnen im Leben sondern sie lässt auch das islamische System erstarken und unabhängig werden. Die Menschheit hat bis zum heutigen Zeitalter verschiedene Wirtschaftssysteme erprobt. Aber das islamische Wirtschaftssystem hat seine besonderen Merkmale. Durch seine besonderen Eigenschaften ist es in jeder Hinsicht im Vergleich zu dem kapitalistischen und sozialistischen System vorteilhafter.

Die beiden wichtigsten Prinzipien welche das islamische Wirtschaftssystem kennzeichnen, sind das Prinzip der Zentralität Gottes in allen Dingen und der Jenseitsglaube. Diese beiden Prinzipien verleihen allen wirtschaftlichen Planungen, politischen Maßnahmen und Strategien ein Ziel und einen Wert.

Aufgrund der Weltanschauung, die auf dem Glauben an den Einen Gott basiert, gilt der Hang des Menschen zu den äußerlichen Dingen des Lebens als etwas Natürliches. Es ist nämlich eine Tendenz, die Gott dem Menschen in seine Natur gelegt hat. Der Koran sagt hierüber:

زُیِّنَ لِلنَّاسِ حُبُّ الشَّهَوَاتِ مِنَ النِّسَاءِ وَالْبَنِینَ وَالْقَنَاطِیرِ الْمُقَنْطَرَةِ مِنَ الذَّهَبِ وَالْفِضَّةِ وَالْخَیْلِ الْمُسَوَّمَةِ وَالْأَنْعَامِ وَالْحَرْثِ ۗ ذَٰلِکَ مَتَاعُ الْحَیَاةِ الدُّنْیَا ۖ وَاللَّهُ عِنْدَهُ حُسْنُ الْمَآبِ

Verlockend ist den Menschen gemacht worden die Liebe zu dem, was man begehrt: Frauen, Söhne, aufgehäufte Mengen von Gold und Silber, Rassepferde und Vieh und Ackerland. Dies ist (aber) der (flüchtige ) Genuss des irdischen Lebens; doch bei Gott ist die schöne Heimstatt.

 

Es ist also gemäß Islam natürlich und logisch, die weltlichen und materiellen Gaben zu nutzen. Gott hat daher auch Seinem Propheten wie folgt im Vers 32 der Sure Araf offenbart:

 

 

قُلْ مَنْ حَرَّمَ زِینَةَ اللَّهِ الَّتِی أَخْرَجَ لِعِبَادِهِ وَالطَّیِّبَاتِ مِنَ الرِّزْقِ ۚ ....

Sag: Wer hat den Schmuck Allahs verboten, den Er für Seine Diener hervorgebracht hat, und (auch) die guten Dinge (aus) der Versorgung (Allahs)?...

                                 

In diesem Zusammenhang ist ein wichtiger Punkt zu beachten, nämlich der, dass wir uns niemals innerlich von den blendenden Äußerlichkeiten des Lebens und seinen Verlockungen abhängig machen dürfen. Denn dies wird uns davon abhalten, das Schöpfungsziel von uns Menschen anzustreben, nämlich unsere wahre Vervollkommnung. Im Zusammenhang mit der Nutznießung bedeutet das:

Aus islamischer Sicht sind alle wirtschaftlichen und materiellen Möglichkeiten nur Mittel zur Erreichung des Ziels „Vervollkommnung“,  und wir dürfen sie unter keinen Umständen selber als das Ziel in unserem Leben betrachten. Im Weltbild Gottes kommt der Mensch nämlich höher zu stehen als die ganze Welt. Gott hat gemäß einer Heiligen Überlieferung(Hadith Ghodsi) gesagt:

Ich habe alles (mitsamt aller Daseinserscheinungen) für den Menschen und ihn für mich Selber erschaffen.“

 (Siri der Nahdsch-ul Balagha, S. 276 )

 

Dieses überlieferte Gotteswort spiegelt Seinen göttlichen Willen wieder, der in dem Vers 30 der Sure 2 (Baqara) zum Ausdruck kommt. Diese Offenbarung lautet:  

 

 وَإِذْ قَالَ رَبُّکَ لِلْمَلَائِکَةِ إِنِّی جَاعِلٌ فِی الْأَرْضِ خَلِیفَةً

Und als dein Herr zu den Engeln sagte: „Ich bin dabei, auf der Erde einen Statthalter (für mich)  einzusetzen“, …

 

Imam Ali, dieser ideale Mensch und vollendetes Beispiel für den Statthalter Gottes sagt (gemäß 32. Predigt im Nahdschul-Balagha):

 

Wie schlecht ist doch das Handelsgeschäft, wenn du diese Welt als Preis für deine Seele erachtest (und die Welt als gleichwertig mit deiner Menschenwürde betrachtest).

                            

Der Gedanken der Zentralität Gottes nimmt in der Islamischen Wirtschaft einen besonderen Platz ein. Daher muss allen wirtschaftlichen Plänen und wirtschaftlichen Tätigkeiten, in welcher Form und in welchem Bereich auch immer, die Motivierung durch den Gottesglauben zugrunde liegen. Dies ist eine Eigenschaft, die nur im islamischen Wirtschaftssystem zum  Vorschein tritt.  Der Koran sagt zur Veranschaulichung dieser Richtlinien über die wahren Gläubigen im Vers 37 , Sure 24 (Nur):  

رِجَالٌ لَا تُلْهِیهِمْ تِجَارَةٌ وَلَا بَیْعٌ عَنْ ذِکْرِ اللَّهِ وَإِقَامِ الصَّلَاةِ وَإِیتَاءِ الزَّکَاةِ ۙ 

 

Männer, die weder Handel noch Kaufgeschäft ablenken vom Gedenken Allahs, von der Verrichtung des Gebets und der Entrichtung der Abgabe…

 

Der gläubige Mensch betrachtet ja Gott als den wahren Eigentümer und Herrn der Welten und sieht sich selber nur als vorübergehenden Besitzer, ebenso wie er  die Möglichkeiten, die ihm Gott bereitstellt, als vorübergehend betrachtet. Infolgedessen wird er einerseits sich nicht die Wirtschaft selber zum Ziel machen,  noch wird er sie so sehr lieben, dass er alle religiösen und menschlichen Werte für seine wirtschaftlichen Interessen opfert.  Er verlässt sich außerdem nicht nur auf die eigenen Verwaltungsfähigkeiten und finanziellen Berechnungen, sondern lässt nicht außer Acht, dass  Gott der Herr und eigentliche Ernährer aller Lebewesen ist. Und so vertraut er bei allen wirtschaftlichen Verläufen auf Gott und bittet Ihn in jeder Situation um Seinen Beistand. Er bittet Gott, dass Er ihn nicht sich selber überlässt, so dass er berauscht vom Reichtum,  ein Widersacher Gottes wird.

Denn im Koran heißt es im Vers  6 und 7 der Surre 96 (Alaq)

 

کَلَّا إِنَّ الْإِنْسَانَ لَیَطْغَىٰ/أَنْ رَآهُ اسْتَغْنَىٰ

 

Keineswegs! Der Mensch lehnt sich wahrlich auf,

falls er von sich meint, unbedürftig zu sein.

 

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