Aug 22, 2022 07:55 CET
  • Moral – islamisch gesehen (41 – Wirtschaftsethik -3 )

Wir behandeln weitere elementare Aspekte der islamischen Wirtschaftsethik.

Wir haben beim letzten Mal angedeutetو dass aus islamischer Sicht, die materiellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten als Mittel zur Verwirklichung der religiösen und menschlichen Ziele eingesetzt werden sollen. Diese Möglichkeiten sind wie eine Leiter, mit Hilfe derer der Mensch in der Welt nach dem Tod an absolute Vollkommenheit gelangen kann. Mit dieser Lebensweise als Grundlage gedeiht auch das Prinzip der wirtschaftlichen Gerechtigkeit, durch das Extreme verhindert werden. Natürlich ist die Gerechtigkeit ein Prinzip, das nicht nur wirtschaftliche Angelegenheiten betrifft sondern in allen Bereichen Verwirklichung finden muss: in der Gesellschaft, der Kultur, der Politik und juristischen Angelegenheiten. Um die Reichweite der Gerechtigkeit darzustellen, genügt es, wenn wir uns den folgenden Satz im Vers 25 der Sure Hadid, Sure 57, vor Augen halten, wo Gott die Gerechtigkeit als den Grund für die Aussendung seiner Propheten anführt. Es heißt dort:

لَقَد أَرسَلنا رُسُلَنا بِالبَیِّناتِ وَأَنزَلنا مَعَهُمُ الکِتابَ وَالمیزانَ لِیَقومَ النّاسُ بِالقِسطِ…

Wir haben ja Unsere Gesandten mit den klaren (einsichtigen) Beweisen gesandt und mit ihnen (ebenso) die (Himmels)schrift und die Waage(zur Unterscheidung des Rechtes vom Unrecht und gerechte Gebote) herab gesandt, damit die Menschen für die Gerechtigkeit eintreten...

 

Auch hat der geehrte Prophet des Islams über die nach Verbreitung der Gerechtigkeit strebende Bewegung der Gottesboten gesagt: „Mein Herr hat mir befohlen Gerechtigkeit herzustellen.“ 

Historische Erfahrungen zeigen, dass die Inhaber von Macht und Reichtum oftmals den Entbehrenden und Hungernden großes Leid zufügen, damit sie ihr eigenes üppiges Leben fortsetzen können und jeglichen Kampf niederschlagen, bei dem es um die Herstellung der Gerechtigkeit geht. Das mag der Grund dafür sein, dass Gott der Allmächtige, nach dem obigen ersten Satz des Verses 25 der Sure 57 (al-Hadid – das Eisen), wie folgt fortsetzt: "وَأَنزَلنَا الحَدیدَ فیهِ بَأسٌ شَدیدٌ وَمَنافِعُ لِلنّاسِ وَلِیَعلَمَ اللَّهُ مَن یَنصُرُهُ وَرُسُلَهُ بِالغَیبِ ۚ إِنَّ اللَّهَ قَوِیٌّ عَزیزٌ"

Und Wir haben das Eisen herab gesandt. In ihm ist starke Gewalt und Nutzen für die Menschen –, damit Allah kennt, wer Ihm und Seinen Gesandten im Verborgenen hilft. Gewiss, Allah ist Stark und Allmächtig. Dieser zweite Abschnitt des Verses enthält die Botschaft, dass ohne Einsatz von Macht bei dem Widerstandskampf gegen rücksichtslose ausbeuterische Wohlhabende gar keine Gerechtigkeit hergestellt werden kann.

 

Die Vornehmen von Mekka haben den Propheten des Islams, der bestrebt war eine gerechte Ordnung aufzustellen, unablässig bekämpft. Es ist der damaligen Frühgeschichte des Islams zu entnehmen, wie die Mächtigen und Reichen durch Drohung und Verlockung, Rufmord und Krieg sich ernsthaft gegen die Herstellung von Gerechtigkeit gestellt haben, und dass jedoch der Prophet Gottes schließlich durch Gründung einer Regierung und Anwendung von Macht gegen die Benachteiligungen und Klassenunterschiede vorgehen und der Ausbeutung der entbehrenden Bevölkerungsgruppen einen Riegel vorschieben konnte. Der Prophet wusste genau: Wenn es um die Gerechtigkeit in der Wirtschaft geht, dann ist jeder entsprechend seiner gesunden wirtschaftlichen Tätigkeiten berechtigt den Nutzen daraus zu ziehen, und in der islamischen Gesellschaft darf es keine Spur von Unterdrückung und unmenschlichen Zwang durch Raffgierige, keine Armut und kein Elend geben . .

 

Ein Zeichen für die Herstellung der Gerechtigkeit in der Wirtschaft ist die Beseitigung der Kluft zwischen den Reichen und Armen. Folgende Begebenheit aus der Geschichte des Islams mag allen dazu dienen, wie diese Kluft überwunden werden kann.

 

Einmal ermunterte der Prophet einen seiner Gefährten dazu, einen Wohlhabenden um die Hand dessen Tochter zu bitten. Er tat dies obwohl dieser Gefährte sehr arm war. Dieser junge Mann war noch nicht einmal sonderlich attraktiv. Der junge Prophetengefährte folgte der Anweisung des Propheten, ging zu dem reichen Mann und stellte den Heiratsantrag. Der Reiche fragte verwundert: „Hat dich der Prophet Gottes wirklich mit diesem Antrag zu mir geschickt?“ Als der andere dies bejahte, machte sich der reiche Mann auf den Weg zum Propheten, um ihn persönlich zu fragen, ob er einen solchen Vorschlag gemacht hat! Nachdem ihm klar geworden war, dass dies tatsächlich der Fall war, hatte er aber immer noch Zweifel, ob er wirklich dem armen Mann seine Tochter geben soll oder nicht. Da sagte seine kluge Tochter: „Willst du die Forderung des Propheten Gottes (S) abweisen? Ich möchte , weil der Prophet dieser Meinung ist, diesen jungen Mann heiraten und auch du solltest mit dieser Vermählung einverstanden sein, um den Gesandten Gottes (S) zufrieden zu stellen.“ Al-Kafi- /34/5/ 

 

So ist es: Wenn das Gerechtigkeitsdenken in einer Gesellschaft verankert wird , verblassen alle ungerechten Benachteiligungen und künstlichen Privilegien und Abgrenzungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und der Geist der gegenseitigen Unterstützung , Menschenliebe, des Mitgefühls und des Zusammenhalts zwischen allen Mitgliedern der Gesellschaft erwacht. Der Prophet des Islams (S) hat auch, dank seiner Grundeinstellung zur Gerechtigkeit, die Muslime miteinander verbrüdern können. Er schloss jeweils zwischen einem Auswanderer aus Mekka und einem Helfer aus Medina ein Brüderbündnis, um die ideale islamische Gesellschaft aufzubauen. Die Verbrüderung von jeweils zwei Muslimen durch den Propheten bedeutete, dass sie ihr Leben gütig miteinander teilen, ihre gemeinsamen Möglichkeiten brüderlich nutzen und sich gegenseitig unterstützen. Zum Beispiel wenn einer von beiden in den Kampf auszog, so sollte der andere, der mit ihm verbrüdert war, für dessen Familie sorgen. 

Davon abgesehen haben die Gläubigen in Medina ohne irgendwelche Gegenerwartungen zu stellen, all den Muslimen geholfen, die wegen der Bedrohungen, Sanktionen und Schikanen und Foltermaßnahmen des Mekkaner Adels, gezwungen waren, sämtliche Habe zurückzulassen und nach Medina auszuwandern. Die Muslime in Medina haben ihre Möglichkeiten mit den Auswanderen geteilt. Dieser gerechte und menschenfreundliche Lebensstil wurde allmählich zu einer Grundlage für den Geist des Selbstverzichtes (Ithar) – und dieser Geist, nämlich das Bedürfnis der anderer über das eigene zu stellen, verhalf der Islamischen Gesellschaft auf den Gipfel der Gerechtigkeit und Opferbereitschaft. Dieses herausragende und inspirierende Merkmal beschreibt der Koran im Vers 9 der Sure 59 (Haschr) – wie folgt:

"وَلَا یَجِدُونَ فِی صُدُورِهِمْ حَاجَةً مِمَّا أُوتُوا وَیُؤْثِرُونَ عَلَىٰ أَنْفُسِهِمْ وَلَوْ کَانَ بِهِمْ خَصَاصَةٌ"

Und diejenigen, die in der Wohnstätte und im Glauben vor ihnen zu Hause waren, lieben wer zu ihnen ausgewandert ist, und empfinden in ihren Brüsten kein Bedürfnis nach dem, was (diesen) gegeben worden ist, und sie ziehen (sie) sich selbst vor, auch wenn sie selbst Mangel erlitten.

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