Sep 20, 2022 10:24 CET
  • Moral islamisch gesehen (45 – politische Ethik)

Nachdem wir uns im Laufe von einigen Teilen der Wirtschaftsethik im Islam gewidmet haben, soll es ab jetzt um die politische Ethik gehen.

Eine der Grundlagen dieser Debatte ist das Bündnis der Religion mit der Politik. Von daher, dass die Menschheit bittere und unangenehme Erinnerungen aus der Welt der Politik hat, taucht jedoch als erstes im Geiste die Frage auf: Kann es denn überhaupt zwischen Religion und Politik eine Verbindung geben?!Diese Frage kommt von daher, dass es in der Welt der Gottesreligionen so viel Reinheit und Tugenden und hohe moralische und menschliche Werte gibt während in der Welt der Politik hingegen nichts von moralischen und menschlichen Tugenden zu spüren ist. Nicht nur das: Es ist eine Welt voller Heimtücken, Unterdrückung, Entrechtung  Benachteiligung, Hässlichem, Anschüren von Krieg und Streben nach Macht. Wie also kann es da ein  Bündnis zwischen Religion und Politik geben?

                               

In der Tat scheint es angesichts unserer Kenntnis von den willkürlichen Gewaltherrschern ganz logisch zu sein, dass Religion und Politik nichts miteinander gemeinsam haben. Fassen wir jedoch die politische Welt ins Auge, welche der Koran und der unversehrte Islam des Prophet Mohammad (S) definieren, gehören Politik und Religion unzertrennbar zusammen. Dann haben wir nämlich eine politische Welt vor uns,  die auf der Gerechtigkeit und Freiheit, Brüderlichkeit, Gleichstellung und Menschenliebe fußt. Es ist eine Welt, in der die Kultur der inneren Reinheit und der Tugenden das Klima in der Gesellschaft bestimmen.

                                

Nachdem Imam Ali (F) auf Drängen des Volkes das Kalifat akzeptiert hatte und Herrscher über das große Islamische Reich geworden war, sah Ibn Abbas ihn einmal seine Schuhe flicken und wunderte sich sehr darüber. Imam Ali (Friede sei mit ihm) fragte ihn: „Was meinst du wie viel dieser Schuh wert ist?“ Ibn Abbas antwortete: „Nichts!“ Da sagte der Imam:

Dieser alte verschlissene  Schuh ist für mich mehr wert als das Regieren über euch, es sei denn ich kann durch das Regieren eine Gerechtigkeit herstellen und ein Recht, das verletzt wurde, verteidigen oder ein Unrecht  beseitigen. (Nahdsch-ul Balagha 33)

Der Prophet hatte Ali als seinen Nachfolger und den Vorsteher der muslimischen Gemeinde vorgestellt. Aber nach seinem Verscheiden hatten andere unter sich einen Statthalter bestimmt und Alis Recht auf die Statthalterschaft war von ihnen übergangen worden. Als schließlich das Volk Ali (Friede sei mit ihm) drängte, das Kalifat zu übernehmen, weil es unzufrieden geworden war, stellte Ali (f) klar, dass er die Verwaltung der Muslimgemeinde nur übernimmt, um den Unterdrückten und Entrechteten zu dienen. Er sagte der Rede 3(Nahdschul-Balagha) :

 

Wenn nicht die vielen Menschen auf dem Schauplatz erschienen wären und der Aufstand des Volkes mir nicht den letzten Beweis geliefert hätte, so dass  keine Entschuldigung mehr für mich bestand, und wenn Allah den Gelehrten nicht aufgetragen hätte, dass sie die Übersättigung der Ungerechten und den Hunger der Unterdrückten nicht hinnehmen sollen, würde ich die Zügel (des Kalifats) auf seine Schultern abwerfen und wie am ersten Tag(wo ich zur Wahrung des Islams und der Einheit der islamischen Gemeinde auf mein selbstverständliches von Gott verliehenen Recht verzichtet habe) mich zurückziehen.

                      

Trotz aller Aufklärung haben einige oberflächlich denkende Scheinheilige, die meinten dass Religion und Politik nicht zusammengehören , die Notwendigkeit der Bildung einer islamischen Regierung angezweifelt und  gedacht , für die Durchführung der islamischen Gesetze sei keine solche Regierung erforderlich. Aber Imam Ali (F) setzte ihrer abwegigen Ansicht folgende Worte entgegen:

Es ist richtig dass nur Gott herrscht, aber die Gesetze Gottes müssen von Hand (rechtschaffener) Menschen durchgeführt werden. Die Menschen müssen außerdem (so gebietet es die Vernunft) einen Gebieter haben, (ob) einen guten oder schlechten. Denn dank einer Regierung kann ein gläubiger   Mensch sich für Gott einsetzen und ein Ungläubiger kann auch seinen weltlichen Nutzen erzielen, und die Angelegenheiten der Gesellschaft werden durch die Regierung geregelt, welche Steuern eintreibt und Feinde bekämpft. Und die Straßen werden sicher und das Recht der Schwachen wird bei den Reichen geholt, so dass die Rechtschaffenen Sicherheit und Ruhe finden und sich von ihnen und den Schlechten befreien (können).“  (Nahdschul Balagha, Predigt 4)

 

                           

Ein anderer herausragender Aspekt der islamgerechten Politik besteht darin, dass die Regenten und Bürger beidseitige Rechte haben die beachtet werden müssen. Damit bildet die islamisch gestaltete Politik einen deutlichen Gegensatz zu der Methodik von Gebietern und Diktatoren, die wegen ihrer eigenen Interessen ihre Bürger  wie Sklaven behandeln. In diesem Zusammenhang hat Imam Ali in der Ansprache 216 im Nahdschul Balagha gesagt: 

Denn der Untertan kann nicht rechtschaffen sein, wenn die Herrscher nicht rechtschaffen sind, und die Herrscher können nicht rechtschaffen sein ohne die Redlichkeit der Untertanen. So wenn dann die Untertanen das Recht des Herrschers erfüllen, und wenn der Herrscher ihnen ihr Recht erfüllt, dann wird das (gegenseitige) Recht geehrt, die Wege der Religion werden begradigt, die Symbole der Gerechtigkeit aufgerichtet, und die (richtigen) Verfahrensweisen gehen ihren Weg. So werden damit die Zeiten besser, die Beständigkeit des Staates wird ersehnt, und die ehrgeizigen Hoffnungen der Feinde werden enttäuscht werden. 

                       

 

Eine der wichtigsten Rückhalte für die Erfüllung der Rechte von Bevölkerung und Regierung ist darin zu sehen, dass die Regenten keine Opportunisten sind, denn dann werden sie sich nicht daran halten, das Recht zur Geltung zu bringen und die Rechte der Allgemeinheit missachten. Daher hat Imam Ali (F) an seinen Befehlshaber in Aserbaidschan in einem Brief (dem Brief 5 Nahdschul-Balagha) wie folgt geschrieben:

Wahrlich, dein Amt ist kein Leckerbissen für dich, sondern es ist ein auf dir lastendes Anvertrautes, und du wurdest als Hüter eingesetzt von denen, die über dir stehen. Es steht dir nicht zu, dass du willkürlich herrschst...