May 25, 2016 04:02 CET

Wir sagten beim letzten Mal, dass kontinuierliches gutes bzw. schlechtes Handeln die Personalität eines Menschen prägt bis er schließlich des Paradieses würdig ist bzw. die Hölle verdient.

 

 Doch heute wollen wir über das Reich sprechen, das der Mensch nach dem Tod als erstes betritt – nämlich den Barzach.  

 

Mit Barzach wird etwas bezeichnet, das zwischen zwei Dingen liegt, zum Beispiel eine Schranke. Dieses Wort kommt mehrmals im Koran vor, wie in der Sure Muminun (Sure 23) im Vers 100 und der Sure Firqan (Sure 25) im Vers 53 sowie in der Sure Ar Rahman (Sure 55) im Vers 20.

Aus den relevanten Versen lässt sich schließen, dass zwischen der diesseitigen stofflichen Welt und dem Tag des Jüngsten Gerichtes ein Zwischenreich liegt, der Barzach. Der Barzach wird auch das Reich der Beispiele genannt (Alim-e Mithal). Dieses Reich gleicht dem Reich des Jenseits. Allerdings lernt der Mensch erst dann den Barzach richtig kennen, wenn er ihn betreten hat. In Wahrheit ist die diesseitige Welt im Vergleich zum Zwischenreich Barzach wie die Welt des Ungeborenen im Mutterleib im Vergleich zur diesseitigen Welt. Ein ungeborenes Kind würde es nicht richtig nachvollziehen können, wenn man ihm sagte: Jenseits deines jetzigen Ortes gibt es eine Welt, die viel größer ist als der Uterus deiner Mutter. Ähnlich können auch wir in der diesseitigen Welt keine richtige Vorstellung von der Zwischenwelt Barzach haben. Unsere Vorstellung von dem Barzach ist in jedem Falle unvollendet. Barzach scheint aber dem Reich des Traumes zu ähneln, denn Gott spricht in der Sure Zumar (Sure 39) im Vers 42:

“Allah nimmt die Seelen (der Menschen) zur Zeit ihres Sterbens (zu Sich) und (auch die Seelen) derer, die nicht gestorben sind, wenn sie schlafen. Dann hält Er die zurück, deren Tod Er beschlossen hat, und schickt die anderen (wieder) bis zu einer bestimmten Frist (ins Leben zurück). Hierin sind sicher Zeichen für Leute, die nachdenken.“

 

Aus diesem Vers geht hervor, dass der Tod und der Schlaf von gleicher Beschaffenheit sind. Sowohl beim Tod als auch beim Schlaf nimmt Gott die Seele des Menschen zu sich, mit dem Unterschied, dass Gott die Seele derjenigen, die gestorben sind, bei sich behält und die Seele derjenigen, die noch eine Frist haben, beim Aufwachen zurückgibt.

 

Einmal fragte jemand Imam Dschawad (gegrüßet sei er): „Was ist der Tod?“ Der Imam antwortete: „Der Tod ist wie der Schlaf, der euch jede Nacht überkommt, mit dem Unterschied, dass er lange dauert und der Mensch erst am Jüngsten Tag aus diesem Schlaf aufwacht.“ (Maani al Achbar). Das Reich des Schlafes ist also das beste Beispiel um eine Vorstellung von der Welt des Barzach zu erhalten.

Im Reich des Jenseits gibt es keine Materie und auch nicht im Reich des Barzach, welches zwischen dem Diesseits und Jenseits liegt. Jedoch gibt es Merkmale der Materie, wie Ort, Abmessung und Form. Am Beispiel des Träumens können wir am ehesten an eine Vorstellung von Barzach gelangen. Was wir träumen, besitzt eine Abmessung und eine Gestalt, aber es ist nicht stofflich. Ähnlich ist es mit dem Barzach-Körper. Der stoffliche Körper weist in der Natur tatsächliche Dimensionen, einen realen Umfang und eine Masse auf. Während dieser menschliche Körper im Schlaf, ohne sich zu rühren auf seinem Bettlager ruht, bewegt sich jedoch im Traum sein nicht-stoffliches Abbild. Dieses Traumbild besitzt keine Masse, aber es weist die Form und Abmessungen des stofflichen Körpers auf.

Da in der Welt des Barzach nach dem Tod , die Barzach-Bewohner nicht mehr in dem stofflichen Körper eingepfercht sind, gibt es keine Grenzen mehr für sie. Es dürfte interessant sein zu wissen, dass in der Zwischenwelt Barzach die Wahrnehmungen des Menschen stärker sind, weil keine Materie vorhanden ist. Deshalb sind Freude und Genuss, Schmerz, Kummer und Furcht in dieser Zwischenwelt intensiver.

                         

Wenn die Menschen die Benommenheit des Todes hinter sich gebracht haben, betreten sie also das Zwischenreich Barzach. In diesem Reich erleben sie stärkere Wahrnehmungen. Dem Menschen ergeht es im Barzach wie jemanden, der aus einem schönen Traum aufwacht. Der Prophet (s) sagt: Die Menschen schlummern und wenn sie sterben, wachen sie auf.“ (Mohdschat al Beyza von Feyz Kaschani Band 7)

Hier gibt der Prophet Gottes (Segen sei auf ihm und Friede seinem Hause) einen Hinweis auf das Aufwachen aus der Unachtsamkeit. Beim Tod rücken für den Menschen alle Schleier der Oberflächlichkeit beiseite, die ihn im Leben von der Ewigkeit abgelenkt haben. Wenn nun jemand kein gläubiger Mensch war, erlebt er große Reue und Wehmut und fleht Gott an, dass er ihn in die Welt zurückkehren lässt. In dem Vers 99 und 100 der Sure Muminun (Sure 23) steht:

„Wenn dann der Tod an einen von ihnen (von den Ungläubigen) herantritt, sagt er: ""Mein Herr, bringe mich zurück,"

"auf dass ich Gutes tue von dem, was ich unterlassen habe." …

 

Die Welt strebt unentwegt auf ihre Vollendung zu und diese Bewegung wird bis in die Ewigkeit fortgeführt. Dies ist das absolute Gesetz der göttlichen Weisheit und des göttlichen Willens . Der Barzach ist eine Welt, die bei weitem vollendeter ist als die diesseitige. Dennoch ist sie nicht so vollkommen wie das Jenseits. Das bedeutet: Solange der Mensch nicht die Phase der Zwischenwelt hinter sich gebracht hat, erfüllt er nicht die Voraussetzungen zum Eintritt in das Reich des Jenseits. Er muss im Barzach entsprechend auf den Jüngsten Tag vorbereitet werden. Wie der Embryo im Mutterleib! Das Ungeborene kann nicht die Welt der Natur betreten, solange es noch nicht geistig und körperlich die notwendigen Bedingungen erfüllt.

Ähnlich muss der Mensch um das Ewige Reich zu betreten , die Zwischenwelt hinter sich bringen, damit am Ende sein Körper und seine Seele körperlich und seelisch auf die ewige Zukunft abgestimmt sind.

 

  Ein besonderes Merkmal des Barzach besteht darin, dass auch dort Taten vergolten werden.

Schuldet zum Beispiel jemand Gott und Seinen Geschöpfen etwas, kann er vor dem Tod in seinem Testament bestimmen, dass die Erben diese Schuld begleichen. Durch seinen testamentarischen Willen kann sich seine Situation im Barzach verbessern.

Gemäß Überlieferung hat der Prophet (s) gesagt:

„Hadhrat-e Massih (Jesus) kam an einem Grab vorbei, dessen Bewohner litt. Als er nach einem Jahr an demselben Grab vorbeikam, stellte er fest, dass der Grabbewohner nicht mehr leiden musste. Da trat er mit der Frage nach dem Grund für seine veränderte Lage vor Gott. Gott offenbarte Jesus, dass der Bewohner des Grabes ein rechtschaffenes Kind hinterlassen hat. Dieses war in der Zwischenzeit erwachsen geworden und hatte zwei gute Werke vollbracht. Zum einen hatte der Sohn des Toten einen Weg auf dem die Menschen verkehrten, ausgebessert und zum anderen hatte er einem Waisenkind Unterkunft gewährt. Gott sprach: „Und ich habe die Sünden seines Vaters aus Achtung vor dem Werk seines guten Kindes verziehen.“ (Scheich Saduq)

 

Ein weiteres Merkmal des Barzach besteht darin, dass ein Teil der Mängel bezüglich Wissen und Charaktererziehung der Gläubigen wettgemacht wird. Zwar kann niemand im Barzach eine gute Tat begehen oder religiöse Pflichten erfüllen, aber dennoch kann der Mensch nach dem Tod dank vorhandener Reserven aus dem Diesseits eine Vollendung für das Jenseits im Barzach erfahren. Dies geht aus den Überlieferungen, die von den Großen des Islams vorliegen, hervor.

In einem Hadith (Überlieferung)von Imam Mussa Ibn Dschafar (Imam Kasem aleihe salam) heißt es:

Jeder von unseren Freunden und Anhängern der stirbt, aber den Koran noch nicht vollständig erlernt hat, den lehren wir ihn in seinem Grab, damit Gott ihn deshalb auf eine höhere Stufe stellt, denn die Stufen des Paradies sind so hoch wie die Verse des Korans“ (aus Usul- e Kafi, Band 4).

Ein besonderes Merkmal der Zwischenwelt Barzach stellt die Veränderbarkeit der Stellung des Menschen im Jenseits dar. Ein gutes Vorgehen in der Gesellschaft und ein unvergessliches Vorbild können einem Verstorbenen im Barzach zu einem Aufstieg verhelfen. Imam Husain (gegrüßet sei er)überliefert vom Propheten des Islams (Gottes Segen sei auf ihm und Friede seinem Hause), dass er gesagt hat: „ Wer ein gutes Vorgehen in der Gesellschaft begründet, dem gehört der Lohn für die Durchführung dieser Methode und er wird für alle belohnt, die bis zum Jüngsten Tag nach diesem Vorgehen handeln, ohne dass der Lohn derjenigen, die sich danach richten, vermindert würde.“ (Tuhaf-ul Uqul ,Seite 243)

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Auch sagt der Prophet (s): „Wenn die Kinder Adams sterben, brechen ihre Werke ab, mit Ausnahme von drei Fällen. Erstens im Falle eines rechtschaffenen Kindes, das für sie betet und um Vergebung bittet, zweitens im Falle, dass sie ein Buch und Wissen hinterlassen haben, welches den anderen nutzt und drittens, dass sie gute Werke für das Allgemeinwohl vollbracht haben , wie den Bau von Schulen, Moscheen, Brücken und Straßen und ähnlichem, die nach ihrem Tod noch bestehen und von den Menschen genutzt werden (Dschami` Al Achbar)

Genauso wie die Wirkung eines guten Vorgehens bestehen bleibt, hat natürlich auch ein schlechtes Vorgehen anhaltende Folgen. Gemäß Überlieferung wird für jemanden, der etwas Schlechtes in eine Gesellschaft einführt, jedes Mal wenn seine Befolger nach dieser schlechten Methode handeln, eine neue Sünde registriert. Imam Baqir (gegrüßet sei er) sagt darüber:

„Für jeden der Diener Gottes, der eine abwegige Methode unter den Menschen hervorruft, wird eine Sünde gleich der Sünde dessen, der diese schlechte Tat getan hat, aufgeschrieben, ohne dass die Last der Sünde derer, die sie begehen, vermindert würde.“ (Safinat ul bahar wa madinat ul hikam wal athar,Scheich Abbas Qummi, Band 1) .

Im Barzach kann sich also die Akte des Menschen noch ändern, aber nach Passieren dieser Zwischenwelt und mit Anbruch des Jenseits wird alles endgültig feststehen.

 

 

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