Rechtmäßigkeit der Fürbitte – im Koran verbrieft
Vor kurzem unterhielt der Autor dieses Beitrages sich mit einem Freund über die Vorwürfe, die dem Schiiten zurzeit im virtuellen Raum wegen angeblicher Verfälschung der Religion gemacht werden.
Unter anderem stellte sein Freund die folgende Zweifel erweckende Frage seitens der Wahhabiten: „Kann deiner Meinung nach jemand sich sowohl zur Größe Gottes bekennen und gleichzeitig sich mit einer Bitte an jemand anderen als Gott wenden?“ Ich fragte ihn zurück: Weshalb fragst du mich das?“ Er sagte: „Ich meine: „Ist es nicht Götzenanbetung, wenn die Schiiten die Imame um Erfüllung ihrer Bitten fragen und sie als ihre Fürbitter betrachten? Ist es denn nicht so, dass der Mensch immer wenn er sich an Gott wendet, nicht ohne Antwort bleibt und keinen Übermittler braucht?“
Was mein Freund sagte, ist ein Punkt, der zurzeit im virtuellen Raum seitens der wahhabitischen Sekte häufig propagiert wird.
Meine Antwort lautete: „Ist es denn Götzendienst wenn wir jemanden bitten, uns einen Wunsch zu erfüllen? Wenn das der Fall sein würde, dann wären doch alle Menschen Götzenanbeter, oder? Ist denn deiner Meinung nach ein Kranker, der bei einem Arzt anklopft und ihn bittet, er solle ihm helfen und von seinen Schmerzen befreien, ein Götzenanbeter? Oder begeht ein Ertrinkender, der die Hände in die Luft streckt und um Hilfe ruft, Götzenanbetung? Lass mich doch das Wort von Gott selber anführen! Denn es steht im Heiligen Koran, welcher uns als gemeinsame zuverlässige Beweisschrift lenkt, dass wir uns über die Fürbitter an die hohe Audienz Gottes wenden können. Im Vers 35 der Sure Maidah (Sure 5) spricht Gott der Höchsterhabene:
„O ihr, die ihr glaubt, fürchtet Gott und bemüht euch um ein Mittel, Ihm nahezukommen, und kämpft auf Seinem Wege, auf dass euch der wahre Erfolg beschieden sei!“
: "یَا أَیُّهَا الَّذِینَ آمَنُوا اتَّقُوا اللَّـهَ وَابْتَغُوا إِلَیْهِ الْوَسِیلَةَ وَجَاهِدُوا فِی سَبِیلِهِ لَعَلَّکُمْ
تُفْلِحُونَ
Das Mittel, auf das in dieser Stelle im Koran hingewiesen wird, ist im Grunde die Anstrengung um Annäherung selber oder etwas, was dazu führt, dass wir Gott näher kommen. Dieser Begriff hat eine weitgespannte Bedeutung. Unter Mittel ist hier jedes Tun und alles zu verstehen, was dabei hilft, Gott nahezukommen.
Das wichtigste Mittel ist der Glaube an Gott und an den Erhabenen Propheten ( Gottes Segen sei auf ihm), sowie die Anstrengung für die Sache Gottes (Dschihad), aber auch Gott-Dienen wie das Ritualgebet und die Zakkat-Abgabe , das Fasten und die Pilgerreise zum Hause Gottes (der Kaaba in Mekka) und ebenso die gütige Pflege der Verwandtschaftsbeziehungen und Spenden auf dem Wege Gottes und allgemein jedes gute rechtschaffene Werk.
Unter den Begriff Mittel fällt daher auch die Fürsprache der Propheten und Imame und rechtschaffenen Gottesdiener und auch sie verhelfen in größere Nähe zu Gott. Wir müssen allerdings dazu wissen, dass hier nicht gemeint ist, dass wir unabhängig von Gott uns die Erfüllung eines Bittgebetes von Propheten oder einem Imam wünschen. Gemeint ist, dass wir wegen der hohen Stellung, die diese Auserwählten bei Gott genießen, sie als einen Mittler, nämlich als einen bei Gott in Ehren stehenden Menschen, wählen und über sie eine Bitte an Gott stellen. Dies verstößt in keiner Weise gegen den Grundsatz des Glaubens an den Einen Gott.
Ich sagte meinem Freund daraufhin, dass er einen Blick auf den Vers 64 der Sure Nisa (4) werfen soll, um noch besser zu verstehen, was mit Fürsprache gemeint ist, denn dort steht:
: " ... وَ لَوْ أَنَّهُمْ إِذْ ظَلَمُوا أَنْفُسَهُمْ جاؤُکَ فَاسْتَغْفَرُوا اللَّهَ وَ اسْتَغْفَرَ لَهُمُ الرَّسُولُ لَوَجَدُوا اللَّهَ تَوَّاباً رَحِیماً /
„Und wären sie zu dir (o Prophet) gekommen, nachdem sie sich gegen sich selber vergangen (und gesündigt) hatten, und hätten sie zu Allah um Verzeihung gefleht, und hätte der Gesandte (hättest du, o Prophet) für sie um Verzeihung gebeten (und wärest ihr Mittler für die Bitte um Verzeihung geworden) , hätten sie gewiss Allah Allvergebend, Barmherzig gefunden.“
Dieser Vers bestätigt indirekt, dass Gott es befürwortet hat, wenn einige anstatt direkt Ihn um Verzeihung zu bitten, den Propheten Gottes (s) zum Fürsprecher wählten. Es ist bezeichnend, dass die Wahhabiten in vielen Koranübersetzungen, etwas in diesem Vers weglassen. Wenn du auf deinem Handy einen Koran mit wahhabitischer Übersetzung hast, dann schau ihn dir an. In der persischen Übersetzung, die ich heruntergeladen habe, haben sie den Abschnitt „und hättest du für sie um Verzeihung gebeten“ weggelassen.
Zur weiteren Erläuterung habe ich meinen Freund auch auf den Vers 97 der Sure Yusuf (Sure 12) aufmerksam gemacht, laut dem die Brüder des Yusuf (Josef) ihren Vater bitten, dass er Gott um Verzeihung für sie anfleht und ihr Vater , der Prophet Yaqub (Jakob), ihrer Bitte nachkommt. Ist hier Yaqub etwa kein Medium für seine Söhne, um die Bitte um Vergebung Gott vorzutragen? An dieser Stelle unserer Unterhaltung kam meinem Freund eine weitere Frage in den Sinn und zwar sagte er:
„Als die Söhne Jakobs sich an ihn wandten und um seine Fürbitte baten, lebte er. Aber kann man von jemandem Fürsprache erbitten, der nicht mehr lebt?“
Da stellte ich folgende Gegenfrage: „Sind deiner Meinung nach die Gottespropheten und die makellosen Imame und die großen Gottesfreunde tot?“
Seine Antwort lautet: „Ja, wenigsten nach außen hin.“ Daraufhin meinte ich: „Wie erklärst du dann den Vers 169 der Sure Ale Imran, in dem es heißt, dass die Schuhada (die Märtyrer auf Gottes Wegen) leben.
: "وَلَاتَحسَبَنَّ الَّذینَ قُتِلُوا فِی سبیلِ اللّهِ أَمواتاً بَلْ أَحیاءٌ عِندَ رَبِّهِمْ یرزقونَ
„Und betrachte nicht diejenigen, die auf Allahs Weg gefallen sind, als tot. Nein! Sie leben bei ihrem Herrn, und sie werden dort versorgt“?
Wegen dieses Glaubensgrundsatzes sind sowohl die Schiiten als auch die Sunniten der Überzeugung, dass die Gottespropheten erst recht leben, da sie ja einen noch viel höheren Rang haben als die Märtyrer. Wenn jemand bei ihnen um Fürsprache bittet, dann richtet er sich also an einen Lebenden und nicht an einen Toten!
Der sunnitische Rechtsgelehrte und Koranexeget Al Alussi schreibt darüber, dass die Propheten (gegrüßet seien sie) leben: „Das Leben der Propheten (a) ist ein Leben im Barzach (der Zwischenwelt zwischen Diesseits und Jenseits)und von höherer Qualität als das Leben der Schuhada (der Märtyrer) über die Gott der Höchsterhabene gesagt hat, dass sie bei Gott leben und versorgt werden.“
In zahlreichen Geschichtsbüchern wird außerdem überliefert, dass der Prophet des Islams (s) zu den Götzendienern, die im Krieg von Badr getötet worden waren, gesprochen hat und als Umar Ibn Chattab Einspruch erhob, antwortete er ihm: “Du kannst nicht besser hören als sie“. Diese Geschichte, für die es nicht wenige Belege gibt, zeigt, dass nicht nur die Gottesfreunde, sondern auch die Götzendiener nach dem Tod ein Leben in der Zwischenwelt führen und die Stimmen derer, die noch auf der Welt leben, hören können.
Der Autor dieses Beitrages fährt fort: „Ich merkte, dass ich meinen Freund immer mehr überzeugen konnte und sagte daher: „Also ist es ein anerkannter Grundsatz des Korans, dass wir jemanden als Mittler wählen, damit er für uns Gott um Verzeihung bittet. Dabei ist jedoch wichtig, dass Gott den Fürbitter wählt und nicht wir! Der Fürsprecher muss von Gott die Erlaubnis zur Fürsprache erhalten haben.
Gott der Allmächtige hat Auserwählte vorgestellt, die Gottesbeweis auf Erden sind. Nicht jeder kann nämlich ein Mittler und Fürbitter für die anderen sein.
Im Vers 57 der Sure Isra (Sure 17) steht:
: "أُولَـٰئِکَ الَّذِینَ یَدْعُونَ یَبْتَغُونَ إِلَىٰ رَبِّهِمُ الْوَسِیلَةَ أَیُّهُمْ أَقْرَبُ ....
„Jene, die sie (die Götzendiener) anrufen, suchen selbst ein Mittel für die Nähe zu ihrem Herrn, – ein Mittel so nahe wie möglich.“
Die Götzendiener selber suchen nach einem Mittel um Gott näherzukommen, allerdings wählen sie das falsche Mittel. Oder besser gesagt: Sie wählen, was ihnen gefällt. In dem Vers 3 der Sure Zumar steht eindeutig, dass diejenigen, die Götzen anbeten, in diesen, z.B. in Figuren aus Stein und Holz oder sogar in einigen Tieren ein Mittel sehen, um Gott nahe zu kommen. Es heißt dort:
„Wahrlich! Gott allein gebührt der reine Glaube. Die Götzendiener, die außer Ihm Beschützer nehmen, sagen: "Wir dienen ihnen nur, damit sie uns Gott näherbringen." Gott wird zwischen ihnen entscheiden über die Fragen, über die sie zu streiten pflegten. …“
Betrachten wir doch die Erschaffung des ersten Menschen und den Befehl Gottes zur Niederwerfung vor Adam. Gott hatte alle Engel und Satan aufgefordert, sich niederzuwerfen. Aber der Dschin Satan warf sich nicht nieder. Er war zwar unentwegt mit Gottesanbetung beschäftigt und zweifelte nicht an der Einheit Gottes, aber er erkannte nicht die Wilayat an – die Statthalterschaft. Er war bereit bis in alle Ewigkeit sich vor Gott niederzuwerfen, aber den Menschen zu ehren - dazu war er nicht bereit. Dabei wäre seine Niederwerfung vor Adam nichts anderes gewesen als Gott-Dienen und Ihm gehorchen.
Wir müssen also beachten, dass das Mittel um Gott nahezukommen von Gott festgelegt wird und nicht von uns oder einem anderen.
Mein guter Freund! Um an die Wahrheit zu gelangen, müssen wir uns an die Quelle wenden. Ajatollah Khamenei, das Oberhaupt der Islamischen Revolution Iran drückt es so aus: „ Man muss versuchen, die Religion unmittelbar aus ihrer Quelle kennenzulernen.“ Er fordert dass man die aufgrund übler Absichten vorgenommene Verzerrung einer vitalen Wahrheit nicht akzeptiert.