Jul 26, 2020 23:59 Europe/Berlin

Erneut ist es Hadschzeit: die Zeit in der Gott alle zur Teilnahme an der großen spirituellen Versammlung des Hadsches aufruft.

 

 

Denn es heißt im Vers 27 und 28 der Sure 22 (Hadsch):

«و أَذِّنْ فِی النّاسِ بِالْحَجِّ یَأْتُوکَ رِجالاً وَ عَلی کُلِّ ضامِرٍ یَأْتینَ مِنْ کُلِّ فَجٍّ عَمیقٍ

 

لِیَشْهَدُوا مَنافِعَ لَهُمْ»؛

Und rufe unter den Menschen die Pilgerfahrt aus, so werden sie zu dir kommen zu Fuß und auf vielen hageren Reittieren aus allen entferntesten Gegenden

, auf dass sie allerlei Vorteile (bei diesem fruchtbaren Ritual) wahrnehmen

 

An erster Stelle ist die schöne Hadsch-Zeremonie ein prächtiger von der Gemeinsamkeit geprägter Gottesdienst. Der schönste und klarste Ruf des Hadsches ist der Leitspruch von der Einheit Gottes (Tauhid) – Jedes Jahr kommen Millionen Muslime aus aller Welt nach Mekka, um gemeinsam den Leitspruch des Tauhid erklingen zu lassen und Gottes Aufforderung zu erwidern:

 «لبیکْ اللّهمَ لبّیک، لا شریکَ لکَ لبیکْ…».

Hier bin ich, oh unser Allah, hier bin ich, hier bin ich, wahrlich es gibt keinen Teilhaber gleichwertig zu Dir, hier bin ich.“

 

 

 

Der Hadschpilger beginnt seinen Hadsch mit dieser Devise und distanziert sich auf diese Weise von der Götzenverehrung in allen ihren Formen. Der Hadsch spiegelt die Grundzüge des Islams  im Kleinformat wider. Es scheint, dass Gott alle Dimensionen des Islams in einem einzigen gottesdienstlichen Akt vereinen wollte, damit der Pilger zu ein und demselben Zeitpunkt ein Gesamtbild des  Islam vor sich hat, und zwar an dem heiligsten Ort auf der Erde – in Mekka, wo die Kaaba steht – der Mittelpunkt der Achse der Lehre vom Tauhid.  

                            

Während seit Monaten Hunderttausende auf der Welt dem Beginn des Hadschmonates Dhul Hidscha und ihrer Reise in die Heimat der Offenbarung entgegengeblickt haben, hat nun das Ministerium für den Hadsch der saudi-arabischen Regierung bekannt gegeben, dass der diesjährige Hadsch wegen der weiten Verbreitung von Covid-19, welches bereits über eine halbe Millionen Menschen auf der Welt in den Tod gerissen hat, nur in sehr begrenztem Rahmen stattfindet und keine Pilger aus anderen Ländern dieses Jahr am Hadsch teilnehmen können.

Der Hadsch ist für die Muslime religiöse Pflicht.  Über zwei Millionen Pilger kommen jedes Jahr zur Erfüllung dieser Pflicht nach Mekka und versammeln sich zur Teilnahme an dieser beeindruckenden Zeremonie um die Kaaba. Daher hat die Weltgesundheitsorganisation die saudi-arabische Regierung gebeten, dieses Jahr Vorsicht bei der Durchführung des Hadsches walten zu lassen. Dr. Ibrahim Musa – Dozent für Islamische Studien an der Notre Dame Universität des US-Bundesstaates Indiana -  hat angesichts der Anwesenheit von Millionen von Pilgern  in Mekka und Medina hinsichtlich der ernsthaften Gefährdung durch den Corona-Virus Covid 19  gewarnt. In einem Artikel, der in der New York Times erschien, schrieb er aus eigener Erfahrung, dass die Anwesenheit dieser Millionen von Menschen eine Beachtung des angemessenen Abstandes unmöglich macht.  Man habe bislang durch Impfzwang und verstärkte Beachtung von Hygieneregeln ansteckende Krankheiten wie Typhus und Malaria unter den Pilgern unter Kontrolle bringen können, aber dieses Mal gäbe es noch nicht einmal ein Medikament zur Behandlung des neuen Corona-Virus, schrieb er.

                     

Laut Überlieferung darf der Hadsch auf keinen Fall eingestellt werden und die Muslime und  islamischen Regierungen müssen den Pilgern die Möglichkeit zum Hadsch verschaffen. Für alle islamischen Glaubensgruppen, ob schiitische oder sunnitische, gilt der Hadsch als gottesdienstliche Pflicht  und gehört zu den fünf Säulen des Islams. Als der Prophet seinen letzten Hadsch durchführte, hat er dies noch einmal betont.   Der Vers 97 der Sure 3 Al-i Imran verweist nämlich auf die Verpflichtung zum Hadsch und bezeichnet es als Unglauben, wenn jemand den Hadsch ablehnt. Der Hadsch ist so wichtig, dass - wenn ein islamischer Regent ein Verblassen seiner Bedeutung und ein Nachlassen des Interesses unter der Bevölkerung feststellt - mit Geldern aus Bait-ul-Mal, der Gemeinwohlkasse, Pilger auf die Hadschreise schicken muss, damit  es nie leer um das Haus Gottes wird.

 

Aber ein Hadschpilger muss drei Bedingungen erfüllen.

Als erstes muss er die finanziellen Mittel besitzen, um die Pilgerreise nach Mekka zu unternehmen. Dazu gehört auch, dass er nach seiner Rückkehr aus Mekka nicht finanziell in eine Notlage geraten darf.

 Außerdem muss ihm der Weg nach Mekka möglich sein: Es muss unterwegs Sicherheit für ihn geben und es darf ihm keine Gefahr drohen.

Die dritte Bedingung besteht darin, dass er körperlich in der Lage ist auf die Hadschreise zu gehen.

 

Zweifelsohne sind diese Bedingungen des Imstande-Seins nicht immer erfüllbar. Als zum Beispiel gegen Ende des 7. Jahrhundert nach Christus  Abdullah Ibn Zubair für mehrere Jahre über Mekka herrschte,  hinderte er viele Muslime an der Durchführung des Hadsches.  Diese Pilger konnten nicht zum Hadsch nach Mekka kommen und so  erfüllten sie  nicht die Bedingung, dass ihnen der Weg zum Pilgerort möglich sein muss. Seit einigen Jahren sind wir  zudem Zeuge, dass die saudi-arabische Herrscherfamilie die Pilger aus Syrien und aus Jemen aus politischen Gründen nicht zum Hadsch zulässt. Für diese Pilger entfällt also vorläufig die Hadschpflicht, aber für andere Pilger, für die eine solche Beschränkung nicht vorliegt, besteht sie weiter.

 

Es kann aber auch vorkommen, dass eine Gefahr  alle Muslime und Hadschpilger bedroht.  In der Vergangenheit bestand für die Hadsch-Karawanen nach Mekka die Gefahr von Wegelagerern überfallen zu werden und sie konnten nicht zum Hadsch, weil es keine Sicherheit für sie gab. Außerdem berichtet die Geschichte davon, dass sich manchmal unter den Hadschpilgern in Mekka wegen der großen Menschenmenge eine schwere ansteckende Krankheit ausbreitete. Früher gab es ja keine medizinische Equipen, die die Hadschpilger begleiteten, und die Hadschbeauftragten  ließen keine Untersuchungen machen, um Personen, bei denen eine Erkrankung der Verdauungsorgane vermutet wurde, in Quarantäne zu schicken. Außerdem wurden früher nicht die notwendigen hygienischen Maßnahmen vor Ort vorgenommen. So kam es, dass sich Infektionskrankheiten rasch unter den Pilgern ausbreiteten und viele von ihnen erfassten.

                                   

Laut Geschichtsschreibung ist der Hadsch bislang mehr als 40 Mal suspendiert worden. Zu den Gründen gehörten auch Epidemien in anderen Gebieten als in Mekka und Medina.   

So führte der Ausbruch der Pest im osmanischen Imperium dazu, dass 1814 die Zahl der Mekkapilger erheblich schrumpfte.  Im Jahre 1831 wurde die Pest von Indien  nach Mekka verschleppt und drei Viertel der Pilger erlagen dieser Epidemie.

1846 brach in Mekka die Cholera aus und über 15 Tausend Pilger starben an dieser Krankheit. Bis 1850 hatte die Bevölkerung von Mekka gegen diese Epidemie zu kämpfen und in den Jahren 1865 sowie 1883 trat sie dort erneut auf.   

Eine andere Infektionskrankheit hatte sich 1858  nach Mekka hin ausgebreitet, und es heißt  dass Pilger aus Ägypten  in Richtung des Roten Meeres flohen und in Quarantäne gingen.

Vor circa 100 Jahren hatte in einem ähnlichen Fall die Nichtbeachtung der Schutzvorkehrungen gegen  Ausbruch einer Krankheit in Damaskus katastrophale Folgen für die Pilger. Und nun ist es der tödliche Corona-Virus, der die ganze Welt erfasst hat. Er hat  wichtige Veränderungen in den gemeinsamen Gewohnheiten der Muslime überall auf der Welt ausgelöst und zur diesjährigen Annullierung der spirituell so wertvollen Reise nach Mekka geführt hat.

                         

Viele Muslime haben schon Jahre darauf gewartet ihre Reise nach Mekka anzutreten. 

John Mac Loughlin, Professor an der Universität Leeds, England, sagt, dass zahlreiche Muslime  ihr Leben lang für die Erfüllung dieser wichtigen Pflicht im Islam Geld zur Seite gelegt haben, und  die Annullierung der Hadschreise sie um ein Vielfaches mehr bedrückt, als wenn ihr  Sommerurlaub ins Wasser fallen würde.

Doch Imam Dschawad (a.s.) hat ein schönes Gebet hinterlassen, das uns wieder hoffnungsfroh macht. Es lautet:

. «اَللّهُمَّ ارْزُقْنی الْحَجَّ الَّذی افْتَرَضْتَهُ عَلی مَنِ اسْتِطاعَ اِلَیْهِ سَبیلاً وَاجْعَلْ لی فیهِ هادِیاً وَ اِلَیْهِ دَلیلاً وَ قَرِّبْ لی بُعْدَ الْمَسالِکِ وَ اَعِنّی عَلی تَاْدِیَةِ الْمَناسِکِ وَ ..»

„O Gott lass mich in den Genuss des Hadsches kommen, den du für jeden, der sich auf diese Reise begeben kann, zur Pflicht gemacht hast.  Und lass darin für mich Rechtleitung sein und gib mir einen Wegführer in seine Richtung  und mache die Entfernung der Wege nah für mich und gib mir Beistand für die Vollbringung des Hadsches...“

 

 

 

 

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