Profitgier – eine der Gefahren für afghanisches Kulturerbe
(last modified Mon, 13 Sep 2021 06:40:42 GMT )
Sep 13, 2021 08:40 Europe/Berlin

In Afghanistan gibt es viele historische Denkmäler. Vieles davon ist noch unbekannt. In diesem Land existieren mehr als 10 Tausend archäologische Anlagen. Nach Ägypten besitzt Afghanistan die reichsten archäologischen Schätze der Welt.  

 

                             

Alles hat mit den Warnungen und Forderungen hinsichtlich des Schutzes der historischen Gegenstände des afghanischen Nationalmuseums begonnen. Es ging darum, die Wiederholung einer Tragödie zu verhindern, die sich vor 20 Jahren ereignete.

Mohammad Fahim Rahim, der Leiter des afghanischen Nationalmuseums hat am 16. August dieses Jahres auf der Face-Book-Seite des Museums die Weltbevölkerung und die Verantwortlichen für den Schutz historischer Denkmäler und Gegenstände Afghanistans und des Nationalmuseums um Hilfe gebeten. Er unterstrich, dass in Kabul ein Chaos herrscht  und einige dies ausnutzen, um allgemeines und privates Eigentum zu plündern oder zu zerstören. Er betonte,  die Direktion dieses Museums befürchte ernsthaft, dass der Museumsschatz nicht davon verschont bleibt.

                              

Im Gefolge der jüngsten Entwicklungen in Afghanistan hat die UNESCO den Schutz des Kulturerbes dieses Landes gegenüber eventuellen Schäden gefordert. Sie gab im Zusammenhang mit der erneuten Machtübernahme der Taliban-Kräfte  eine Erklärung heraus, in der sie unterstrich, dass das Kulturerbe in Afghanistan bewahrt werden muss, und forderte entsprechende Vorbeugungsmaßnahmen. Die UNESCO nennt in dieser Erklärung das Kulturerbe und die historischen Plätze in Afghanistan einen Teil der abwechslungsreichen Geschichte dieses Landes, der untrennbar mit dessen nationalen Identität  verknüpft ist. Jegliche Beschädigung oder Zerstörung dieses Kulturerbes würden sich – so hieß es - negativ auf die Friedensperspektiven und menschenfreundlichen Hilfen an die afghanische Bevölkerung auswirken.

Daraufhin hat auch ICOM – der Internationale Museumsrat – hinsichtlich der zukünftigen Lage des Kulturerbes  seine Besorgnis kundgetan  und in einer Erklärung geschrieben: „Seit kurzem verfolgt der Internationale Museumsrat zusammen mit der Völkergemeinschaft besorgt die Ereignisse in ganz Afghanistan. ICOM ist insbesondere über die Gefahren besorgt, die den afghanischen Zivilisten, Männer und Frauen, drohen, die ihr Leben dem Schutz des reichen und vielfältigen Kulturerbes dieses historischen Volkes gewidmet haben.  

ICOM äußerte die Hoffnung, dass alle Verantwortungsträger in ganz Afghanistan die Unversehrtheit der Museen, ihrer Kollektionen, des kulturellen Erbes und ebenso - ungeachtet politischer Fragen oder der Frage des Geschlechtes oder der Ethnie – die Unversehrtheit  der Experten respektieren, die dieses materielle und immaterielle Erbe beschützt haben.

 

afghanisches Kulturerbe unter der Macht der Taliban

 

Der Zugang zum Kulturerbe ist ein Menschenrecht und daher sind dessen Schutz und die Pflege eine allgemeine Pflicht und insbesondere eine Pflicht von Regierungen. Dies wird in der internationalen Menschenrechtserklärung und in internationalen Abkommen verbrieft. Internationale Konventionen untersagen die Zerstörung und unrechtmäßige Besitzergreifung  von Kulturerbe während eines Krieges und bewaffneten Konflikten. Sie  verpflichten die Konfliktparteien zur Wahrung dieses Erbes.

Der UN-Sicherheitsrat hat im März 2017 die Zerstörung von Kulturerbe als Kriegsverbrechen bezeichnet und eine Resolution verabschiedet, die dazu dienen soll, den Schutz von Kulturerbe in Kriegsgebieten zu unterstützen.  In dieser Resolution heißt es, dass die Urheber der Zerstörung von Kulturerbe als Kriegsverbrecher gerichtlich verfolgt werden können.

Gemäß inländischer Gesetze, so auch der Gesetze Afghanistans, ist die Zerstörung, Vernichtung und  Beschlagnahme von Kulturerbe verboten und werden Strafen für die Urheber vorgesehen. In Artikel 2 des Gesetzes zum Schutz von historischen und kulturellen Werken heißt es:  „Die historischen und kulturellen Werke des Landes gehören der afghanischen Bevölkerung und spiegeln ihren Anteil an dem Weiterentwicklungsprozess des allgemeinen Kulturerbes der Menschheit wieder.  Der Schutz der kulturellen und historischen Werke ist Pflicht der afghanischen Regierung und des afghanischen Volkes.“

Gemäß Artikel 8, 9, 23 und 57 dieses Gesetzes ist die illegale Verlegung, Beschlagnahme und unerlaubte Ausgrabung sowie der illegale Kauf und Verkauf von historischen Werken und der Handel mit ihnen verboten.

 

Das Kulturerbe Afghanistans hat wegen der vielen Jahre der politischen Instabilität erheblichen Schaden erlitten. Die Taliban haben 2001  durch Zerstörung der Buddha Statuen das Land eines wichtigen Weltkulturerbes beraubt.  Sie haben auch zahlreiche andere wertvolle antike und kulturelle Werke des Landes, auf denen Menschen oder Tiere abgebildet waren, zerstört.

 Der Diebstahl von historischen Gegenständen Afghanistans, der sich in den vergangenen Jahrzehnten abgespielt hat, ließ Afghanistan mehr als alle in einen Krieg verwickelten Länder der Region von seinem Kulturerbe verlieren. Es gibt zahlreiche Berichte über die Entwendung von kostbaren historischen Gegenständen der Museen in diesem Land, die von Schmugglern an Abnehmer in anderen Staaten  verkauft wurden.

Auch in den 20 Jahren nach der ersten Regierungsperiode der Taliban hielt leider das Schmuggelgeschäft mit archäologischen und kulturellen Werken an. Erst vor kurzem gingen Gerüchte über den Schmuggel mit Gegenständen aus dem als „baktrisches Gold“ bekannten Fund am  archäologischen Hügel Tilla Tepe – im Norden Afghanistans - um.

Dass tatsächlich historische Gegenstände geplündert und ins Ausland geschmuggelt werden ist an sporadischen Nachrichten über solche Gegenstände, die wieder ins Land zurückgeholt werden, zu sehen.  Am 23. April 2021 gab Euro News bekannt, dass eine Kollektion von 33 antiken Gegenständen, welche bei einem New Yorker Verkäufer für Kunstwerke beschlagnahmt wurden, von den USA der afghanischen Regierung  übergeben wurde.  Laut Auskunft der verantwortlichen Stellen stammen diese wertvollen Gegenstände aus dem zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus  und wurden bei einem der aktivsten Schmuggler von antiken Gegenständen auf der Welt gefunden. 

Ebenso kehrten kürzlich 600 historische Gegenstände Afghanistans aus England nach Kabul zurück. Der Leiter des afghanischen Nationalmuseums sagt, dass diese im Laufe von Kriegen  gestohlen und nach England geschmuggelt wurden. Im Februar 2009 seien außerdem zweitausend andere historische Gegenstände aus Afghanistan  von England ins Land zurückgeholt worden.

 

Afghanisches Nationalmuseum in Kabul

 

Seit 2007 bis zum April des laufenden Jahres  wurden insgesamt  9 Tausend in Afghanistan entwendete historische Gegenstände  an das Nationalmuseum dieses Landes zurückgegeben.  Aber die Zahl solcher Werke, die sich noch immer in den ausländischen Museen und Privatkollektionen befinden, ist groß. Als die Kommunisten in Afghanistan herrschten, wurden wertvolle Gegenstände in die ehemalige Sowjetunion gebracht und es ist nicht klar, was mit ihnen geschehen ist.

 Sachverständige vermuten, dass historische Gegenstände aus Afghanistan über Pakistan aus dem Land gebracht werden und einige Wohlhabende diese in Pakistan oder an einige in den  Anrainerstaaten des Persischen Golfes verkaufen und diese Gegenstände  von da aus in europäische Länder gebracht werden.

Seit einigen Jahren ist das Informations- und Kulturministerium Afghanistan darum bemüht gewesen, die gestohlenen Gegenstände wieder ins Land zurückzuholen. Zugleich hieß es in der Presse,  dass die entwendeten Gegenstände sich bei einigen Staatsmännern Pakistans befinden und diese eine Rückgabe von geschmuggelten Gegenständen verhindern.

Nach 2007 hat Interpol jedenfalls im Gefolge der Bemühungen Afghanistans einen Teil der historischen Werke, die sich in europäischen Ländern befanden,  wieder an Afghanistan zurückliefern können. Es handelte sich u.a. um 4382 historische Gegenstände, die sich in Dänemark befanden. 1423 historische und kulturelle Gegenstände wurden aus der Schweiz und 2028 historische Gegenstände aus England zurückgeliefert. Aus Norwegen erhielt Afghanistan 58 Manuskripte mit buddhistischem Inhalt zurück.

Die Schmuggler haben sich verschiedener Methoden bedient, um das historische Diebesgut aus dem Land zu bringen.   Im Jahre 2013 haben Volksvertreter im Verwaltungsrat von Herat und Karukh-Destrikt berichtet, dass die Leiter eines saudi-arabischen  Straßenbauunternehmens heimlich mit Ausgrabungen und der Entwendung von historischen Gegenständen beschäftigt waren. Diese hatten im Gebiet Chadscheh Tschaharschanbeh antike Gegenstände gefunden und sie für 4 Millionen Afghani an jemanden verkauft, der Schmuggel mit Antiquitäten betrieb.


 

In den letzten Jahrzehnten haben die Angestellten des afghanischen Nationalmuseums immer wieder die archäologischen und  historischen Funde versteckt, um sie vor der Vernichtung zu retten.

 

Balch, Bamiyan, Nimruz, Kabul, Herat und Marw in Afghanistan blicken auf eine mehrere tausend Jahre alte Vergangenheit. Die alte Seidenstraße führte Jahrhunderte lang durch dieses Gebiet. Dies hat diesem Land eine besondere Bedeutung bei der Entstehung eines Mosaikes aus verschiedenen antiken Zivilisationen  wie der des griechischen und Persischen Reiches des Zweistromlandes und Indiens  verliehen. Afghanistan ist ein kulturreiches Land  - von den griechisch-buddhistischen Statuen und den Illustrationen auf den Felswänden von Bamiyan bis  hin zu den Verzierungen und Kalligrafien der Gebäude aus der Islamischen Ära.

Bleibt zu hoffen dass dieses reiche Kulturerbe in Zukunft von der Zerstörung, dem Diebstahl und der Vernachlässigung verschont bleibt.

 

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