Jun 07, 2023 06:59 Europe/Berlin

Am 10. und 11. Mai 2023 veranstaltete die Nationale Universität für Verteidigung Irans ein zweitägiges Treffen mit dem Titel „Geometrie der neuen Weltordnung“. Dazu haben wir zwei Beiträge vorbereitet, in denen wir mit einem kurzen Verweis auf die Weltordnungen, die Zeichen und Merkmale der neuen Weltordnung erörtern.

Die „Internationale Ordnung“ umfasst eine Reihe geschriebener und ungeschriebener  Vereinbarungen, Regelungen und Beziehungen zwischen wichtigen Akteuren, die die internationale Politik gestalten und verwalten. In mehreren historischen Perioden, vom Westfälischen Frieden im Jahr 1648 bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion, sind mehrere internationale Ordnungen entstanden und wieder untergegangen.

Mitte des 17. Jahrhunderts und nach 30 Jahren Religionskriegen in Europa versammelten sich Vertreter großer europäischer Länder im Rathaus von Münster und Osnabrück und unterzeichneten die beiden Friedensverträge, die als Westfälischer Frieden bekannt sind.

Dieser Vertrag bildete die erste Weltordnung, auf deren Grundlage vereinbart wurde, dass jedes Land, unabhängig von seiner Größe, als unabhängige politische Einheit mit Souveränität auf seinem Territorium anerkannt wird und die Länder sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen sollten. Das Hauptmerkmal der westfälischen Ordnung war das Kräftegleichgewicht auf Weltebene.

Das sogenannte Westfälische Staatensystem bestand bis zum Ersten Weltkrieg. Aber die westfälische Ordnung war im Laufe von drei Jahrhunderten mit vielen Herausforderungen konfrontiert und wurde schließlich durch den Krieg zerstört. Nach dem Ende dieses Krieges war der Vertrag von Versailles und die Gründung des Völkerbundes ein Versuch, eine neue Ordnung zu schaffen; Ein Versuch, der erfolglos blieb; und der Zweite Weltkrieg mit größeren Ausmaßen und mehr Opfern war das Ergebnis des Scheiterns dieser Ordnung. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Verbündeten mit verschiedenen Mitteln eine „liberale Weltordnung zu etablieren.

Der Marshallplan, die Bildung internationaler Institutionen wie der Vereinten Nationen, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und die Schaffung multilateraler Sicherheits- und Militärstrukturen wie die NATO, gehörten zu den wichtigsten Maßnahmen zur Errichtung der vom Westen gewünschten Ordnung. Der Institutionalismus war eines der Hauptmerkmale der liberalen Ordnung. Unterdessen versuchte die Sowjetunion in Form des Ostblocks als Rivale der liberalen Welt, ihre eigene gewünschte Ordnung zu etablieren. Schließlich endete die bipolare Weltordnung im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks.

 

Nach dem Kalten Krieg wich die bipolare Weltordnung der unipolaren Weltordnung, und der Westen, angeführt von den USA, sprach von einer „Neuen Weltordnung“. Francis Fukuyama stellte die Theorie vom „Ende der Geschichte“ vor. In dieser neuen Ordnung übernahmen die Vereinigten Staaten von Amerika, die einzige Macht mit militärischer Kraft und politischer Autorität, die wirksam eingreifen konnte, die Rolle der Weltpolizei. Die Operation Desert Storm im Zweiten Golfkrieg und die Vertreibung des Irak aus Kuwait, die Rolle der USA bei der „humanitären Intervention“ der NATO zur Vertreibung serbischer Truppen aus dem Kosovo im Jahr 1999 und die Luftangriffe auf Afghanistan, die den Zusammenbruch der Taliban im Jahr 2001 beschleunigten, zeigten diese Position nur zu gut.

Der Niedergang der liberalen Ordnung begann jedoch früher als die beiden Vorgänger (Westfälische und bipolare Ordnung) und erreichte den Punkt, an dem Francis Fukuyama, der Begründer der Theorie vom „Ende der Geschichte“, erneut ein Buch schrieb mit dem Titel „Nach dem Ende der Geschichte“. In diesem Buch und seinen anderen Schriften gab er zu, dass er hinsichtlich des unbestrittenen politischen und wirtschaftlichen Sieges des liberalen Systems in der Welt zu optimistisch war, und die Indizien von etwas anderem zeugten.

Auch Farid Zakaria, der eine neorealistische Haltung vertritt, stellt fest, dass wir in eine postamerikanische Welt eintreten, in der „viele Menschen an vielen Orten“ deren Richtung und Wesen bestimmen. Richard Haas, ein bekannter amerikanischer Theoretiker, sagt dazu: „Obwohl Amerika immer noch das mächtigste Land der Welt ist, ist es nicht in der Lage, Frieden und globalen Wohlstand allein aufrechtzuerhalten, geschweige denn fortzuentwickeln.“

Der Prozess, der vor vielen Jahren begann und auf den auch westliche Denker wie Joseph Nye hingewiesen haben, ist entgegen ihrer Behauptung nicht „die Verlagerung des Schwerpunkts der globalen Macht vom Westen in den Osten“, sondern es geht vielmehr um die Machtverteilung im globalen System und um das Aufkommen neuer Akteure, bei denen es sich überwiegend um nichtwestliche Akteure handelt. In diesem Rahmen ist der Westen und insbesondere die USA nicht mehr wie in der Vergangenheit der Schwerpunkt militärischer, wirtschaftlicher und kultureller Macht, sondern aufstrebende wirtschaftliche, politische und militärische Mächte im Osten, wie China und Wirtschaftsunionen wie die ASEAN leisten ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zu den globalen Gleichungen. Das Scheitern des militärischen und politischen Willens der USA in Ländern wie Jemen, Irak, Syrien und Libanon ist in vielen Fällen eine weitere Bestätigung für das Ende der Ära der Machtkonzentration in der westlichen Welt unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Wissenschaftliche und technologische Innovationen sowie gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten der Weltgemeinschaft haben die Komplexität der Weltordnung erhöht. China und andere Mächte auf der südlichen Halbkugel haben wirtschaftlich und politisch an Bedeutung gewonnen. Länder wie Indien und Brasilien haben ehrgeizige Wirtschafts- und Entwicklungspläne umgesetzt und haben weitere Pläne in Entwicklung. Washington ist damit bei der Gestaltung seiner internationalen Politik und seines Einflusses mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert.

Tatsache ist, dass wir jetzt, nach mehr als zwei Jahrzehnten der Versuche der USA und ihrer westlichen Verbündeten, eine unipolare Weltordnung zu errichten und zu stabilisieren, die Anzeichen des Niedergangs der auf die USA ausgerichteten Weltordnung und die Bildung einer neuen internationalen Ordnung miterleben. Ein Thema, das in den Äußerungen des Oberhaupts der Islamischen Revolution unter Titeln und Konzepten wie: „Änderung in der Geometrie der Weltordnung“, „Historische Wende“, „Endogene Kapazität“, „Strategische Tiefe“ usw. beachtet und in den Fokus gerückt wurden.

Einige Theoretiker sind der Ansicht, dass der Krieg in der Ukraine eines der Ereignisse ist, mit denen die USA und Europa begonnen haben, die derzeitige Ordnung aufrechtzuerhalten und die Bildung einer neuen Weltordnung zu verhindern. Mit anderen Worten: Der Ukraine-Krieg und die umfassende Konfrontation zwischen den USA und Europa mit Russland in diesem Krieg ist selbst ein Zeichen für die Akzeptanz der weltweiten Bewegung in Richtung der neuen Weltordnung.

Während die Westfälische Ordnung rund 3 Jahrhunderte lang bestand, bestanden in den letzten 7 Jahrzehnten zwei Weltordnungen: Die bipolare Ordnung (Ostblock-Westblock) bestand etwa 40 Jahre und die von den USA angeführte unipolare Ordnung nur 30 Jahre, und jetzt sprechen wir über die Entstehung einer neuen Ordnung in der Welt.

Im nächsten Beitrag werden die Zeichen und Merkmale der Neuen Weltordnung untersucht.

 

 

Tags