Jul 23, 2018 12:30 Europe/Berlin

"Der Präsident Trump ist möglicherweise der letzte Versuch in den Vereinigten Staaten vor einem Zusammenbruch noch rettendes Ufer zu erreichen."

Interview auf Youtube: https://youtu.be/ek5MOuyfOsI

ParsToday: Herr Wimmer, seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump haben sich die transatlantischen Beziehungen verschlechtert. Trump nutzt jede Gelegenheit,  um europäische Politiker anzugreifen, z.B. beim NATO-Gipfel in Brüssel oder bei seinem Besuch in London. Wie schätzen Sie diese Beziehungen gegenwärtig ein?

Wimmer: Ja, ich glaube Herr Shahrokny, dass wir diese Beziehung zu unserer Lebzeit nicht mehr in einer anderen Verfassung sehen werden. Denn es ist ja schon ganz merkwürdig, niemand in Europa,  insbesondere nicht die Bundeskanzlerin, hat mit einem Wahlerfolg des Kandidaten Donald Trump gerechnet. Man hat ja in einer Art und Weise, wie es also jedenfalls in der Nachkriegszeit auch noch nicht vorgekommen ist, auf die Kandidatin Hillary Clinton gesetzt. Und dann ist da auf einmal der Präsident Donald Trump gekommen und gewählt worden. Und die europäischen Regierungen waren nicht nur sprachlos, sondern haben - für jedermann erkennbar - auf den ehemaligen Präsidenten Obama und die Kandidatin Hillary Clinton weiter gesetzt. Selbst die evangelische Kirche in Deutschland hat ja noch zu einem gemeinsamen Auftritt auf dem Kirchentag von der Bundeskanzlerin und dem ehemaligen Präsidenten Obama, das hat sie ja noch durchgeführt und durchgezogen. Also das macht deutlich, die politischen Beziehungen sie eigentlich völlig zerrüttet. Und da muss man mal sehen, wie man aus dieser Schwierigkeit wieder rauskommt.

 

ParsToday: Herr Wimmer, aber das hat sicherlich auch seine Gründe. Wie sie wissen,  war das Leitmotiv Trumps "America First". Statt als globale Ordnungsmacht aufzutreten, sollten sich die USA danach auf den Schütz der eigenen Grenzen, den Wiederaufbau der heimischen Industrie und auf die Infrastruktur, nur um einige Bereiche zu nennen, konzentrieren. Hat die aber nicht die Befürchtung in Deutschland und Europa ausgelöst, die USA könnten als wichtige Partner in Europa in der Frage der europäischen und  internationalen Zusammenarbeit wegfallen?

Wimmer: Natürlich, weil man ja hier in Europa offenkundig auf den Kriegskurs der Vereinigten Staaten seit dem Präsidenten Bill Clinton weiterhin setzt. Man muss ja sehen, dass die Vereinigten Staaten unter dem Präsident Clinton, Bush und Obama wirklich global ausgreifend tätig geworden sind und einen Krieg nach dem anderen vom Zaun gebrochen haben. Die ganze Gegend zwischen Afghanistan und Mali spricht ja Bände dafür. Und für Europa kommt natürlich erschwerend hinzu, dass wir im November 1990 bei der Charta von Paris uns feierlich versprochen haben, dass Krieg aus Europa verbannt werden soll. Wir müssen heute sehen, dass diese alte Politik von Clinton, Bush und Obama jetzt zu dem Aufmarsch gegen die Westgrenze der Russischen Föderation geführt hat. Wenn Clinton Präsidentin geworden wäre, hätte es mich nicht gewundert, wenn wir schon längst einen Krieg mit der Russischen Föderation haben würden. Das macht natürlich deutlich, dass die europäischen Staaten eigentlich mit der politischen Linie von Trump nichts zu tun haben wollen. Sie setzen weiter auf Krieg und Destabilisierung anderer und das macht die Problematik aus. Das der amerikanische Präsident Trump auf "America First" setzt, das kann ich in gewisser Weise nachvollziehen. Wenn man das nüchtern sieht, wie er sich verhält und wie wir die Vereinigten Staaten zu beurteilen haben, sind die Vereinigten Staaten, bei aller Macht und allen Möglichkeiten, die es weiter natürlich gibt,  eigentlich pleite. Sie haben sich seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien gnadenlos übernommen. Wir haben die Finanzkrise des Jahres 2008 erleben dürfen, zwecks Bezahlung der amerikanischen Schulden für die Endloskriege, die die Vereinigten Staaten geführt haben. Und wir müssen sehen, dass die Vereinigten Staaten eigentlich vor unlösbaren Problemen standen und stehen. Und der Präsident Trump ist möglicherweise der letzte Versuch in den Vereinigten Staaten,  vor einem Zusammenbruch noch rettendes Ufer zu erreichen. Also das ist die Situation, die man nüchtern sehen muss. Und der wird auf Europa und auch auf andere nur Rücksicht nehmen, wenn es um neue Absatzmärkte für die amerikanische Industrie geht. So erklärt man auch die Politik gegen die Russische Föderation. So sieht man auch die Entwicklungen in Nordkorea und Umgebung. Und wer weiß, welche Teile des Globus noch von dieser veränderten amerikanischen Politik, die auf Absatzmärkte für die eigene Industrie gerichtet ist, in welchen anderen Gebieten das auch noch stattfinden wird?

 

ParsToday: Herr Wimmer, unter diesem neuen amerikanischen Kurs leiden vor allem die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Man konnte dies beim Umgang von Trump mit der Bundeskanzlerin beim NATO-Gipfel in Brüssel sehen, aber auch beim Besuch von Frau Merkel in den USA. Hat Trump also diese Beziehungen verändert?

Wimmer: Natürlich sind die Beziehungen verändert worden, aber sie sind zunächst einmal von der Bundeskanzlerin verändert worden. Es waren seit Jahrzehnten Staatspraxis in Deutschland, in der alten Bundesrepublik und jetzt natürlich auch in Berlin, dass man bei einem amerikanischen Präsidentschaftswahlkamp gute Beziehungen zu jedem Lager eines Kandidaten unterhalten hat. Das hat dazu beigetragen, dass man bis auf Regierungspapiere Einfluss genommen hat,  auf amerikanische politische Entscheidungen, denn man wollte ja im Bündnisverband zusammenarbeiten. Die deutschen politischen Parteien und auch die Bundeskanzlerin für die Bundesregierung haben ja zu dem Kandidaten Trump überhaupt keine Beziehungen während des Wahlkampfes unterhalten. Nach dem Wahlkampf und der Wahl des Präsidenten Trump war es ja der Bundesregierung nur unter Einschalten von irgendwelchen Freunden in Amerika möglich,  zur Umgebung von Präsident Trump Beziehungen aufzunehmen. Das heißt, wir haben professionell uns in einer Art und Weise verhalten, wie das in der deutschen Politik noch nie vorgekommen ist und das hat mit Trump nichts zutun , sondern mit Merkel.

 

ParsToday: Herr Wimmer, hat man nicht den Eindruck, dass es mit den USA unter Trump gar keine Gemeinsamkeit gibt?

Wimmer: Ja, das wird man sehen müssen, in welche Richtung das geht. Ich habe ja eben darauf aufmerksam gemacht, dass aus meiner Sicht die Vereinigten Staaten eigentlich gnadenlos pleite sind. Und die ganze Politik von Trump ist ja darauf gerichtet und er findet ja auch die Zustimmung seiner Wähler, das wirtschaftliche,  gesellschaftliche und politische System der Vereinigten Staaten aufrecht zu erhalten. Der setzt da natürlich seine Schwerpunkte und er setzt da auch seine Prioritäten. Da interessiert ihn zunächst einmal das eigene Land und in gewisser Weise kann ich das ja auch verstehen. Die amerikanischen Wähler haben ja sehr deutlich gemacht, dass sie den Präsidenten Trump schätzen, sonst hätten sie ihm nicht die Mehrheit gegeben. Und man muss ja heute feststellen, dass das politische Kriegsestablishment, das es ja in Washington leider gibt, dass das ins Hintertreffen kommt, weil Trump die republikanische Partei inzwischen ja fast übernommen hat. Wer sich gegen Trump ausspricht, in der republikanischen Partei, wird als Kandidat für die Kongresswahlen im November nicht aufgestellt. Das ist ja die Wirklichkeit. Dass das Auswirkungen auf Europa hat, das haben wir ja mit seinen zufälligen Bemerkungen in einem Fernsehinterview, ich glaube über Montenegro oder Mazedonien, eines dieser kleinen Länder auf dem Balkan, in Zusammenhang mit dem NATO-Vertrag gesehen. In Europa wird immer der Eindruck erwägt, jedenfalls in den zurückliegenden Jahrzehnten, als gäbe es eine unmittelbare Beistandspflicht im NATO-Vertrag, im Falle eines Angriffes insbesondere seitens der Vereinigten Staaten. Ich kenne nun die Vertragssituation der NATO und auch der Vereinten Nationen und sonstiger internationale Organisationen gut genug,  um zu sagen, das war immer ein Traum. Der Artikel 5 des NATO-Vertrages hat keine unmittelbare militärische Konsequenz.   Da kann man diplomatisch beraten. da kann man Beileidstelegramme schicken. Da kann man auch militärisch handeln. Und diese Unsicherheit hat der amerikanische Präsident Trump deutlich gemacht, weil er eins nicht will: über regionale Probleme in einen möglicherweise nuklearen Krieg mit der russischen Föderation verwickelt zu werden. Also wenn der amerikanische Präsident Trump gegen Krieg ist und zwar überall dort, wo wir uns Krieg vorstellen können und ihn nicht haben wollen, dann ist er mir willkommen und jedenfalls willkommener, als die Kriegspräsidenten Clinton, Bush und Obama.

 

ParsToday: Herr Wimmer, aber, um die amerikanische Wirtschaft wieder anzukurbeln, braucht Trump auch Europäer, vor allem auch Deutschland. Aber das, was wir von ihm wissen, geht  in eine ganz andere Richtung.

Wimmer: Ja, er denkt daran, dass die ökonomische Basis der Vereinigten Staaten in Amerika selbst gestärkt werden muss. Und wir haben ja gesehen, dass die amerikanischen multinationalen Konzerne, die ihre Gewinne alle in Europa gebunkert halten, nach der Wahl von Trump ihre Gelder alle nach Amerika überwiesen haben und dieser Prozess wird weitergehen. Wir sehen ja interessante Dinge in Zusammenhang mit der europäischen ökonomischen Basis. Wenn wir die Vereinigten Staaten auf der anderen Seite des Atlantik sehen. Und da sind die Prioritäten eindeutig. Die Prioritäten sind deshalb so eindeutig - und jetzt muss ich mich wiederholen - weil die Vereinigten Staaten sich gnadenlos mit ihrer Kriegspolitik übernommen haben und aus dem letzten Loch pfeifen und bankrott sind. Und das will er verhindern und es gibt eine mächtige Bewegung in den Vereinigten Staaten selbst und natürlich auch im Ausland, die genau auf das Scheitern von Trump in diesem Zusammenhang setzt, um den Globus weiter mit Kriegen zu überziehen. Also wir kennen doch alle diese Namen.

 

ParsToday: Herr Wimmer, wie sehen Sie die weiteren Entwicklungen in den transatlantischen Beziehungen vor allen in den deutsch-amerikanischen Beziehungen?

Wimmer: Ja, wir werden, wenn die Dinge so weitergehen, wie sie sich in Helsinki abgezeichnet haben, in dem Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten Putin und Trump, werden wir sehen, auch über einen Besuch des russischen Präsidenten in Washington, dass es offensichtlich neue Achsen, neue Entwicklungen, neue gemeinsame Linien oder Kampflinien auf dem Globus gibt. Und wenn ich da nicht völlig falsch liege, besteht eine dieser Kampflinien in den Namen Putin, Trump und Netanjahu, muss man ganz nüchtern sehen, und die dagegen gerichtete Kampflinie ist mit den Namen Soros, Merkel Clinton verbunden. Und wenn es Trump gelingt, politisch zu überleben. Es hat ja jedenfalls nicht zu meiner Lebzeit noch nie einen amerikanischen Präsidenten gegeben, der so mit Kübeln von Schmutz überzogen worden ist wie Trump. Aber wenn es dem gelingt, den Herz zu erreichen und das Ende seiner Amtszeit und zu Vereinbarungen mit der Russischen Föderation und mit anderen zu kommen, dann wird es eine neue Wirklichkeit auf dem euro-asiatischen Kontinent geben. Und da werden die europäischen Staaten über kurz oder lang sich dieser neuen Wirklichkeit stellen müssen. Denn offensichtlich gibt es zwischen diesen drei genannten Trump, Putin, Netanjahu so etwas, wie eine gemeinsame Überzeugung, dass der nächste Krieg, der ausbrechen könnte, der letzte Krieg ist, den die Welt überleben könnte. Und da kann ich nur sagen, da müssen die Europäer wissen, was wie wollen. 

 

 

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