Aug 28, 2016 20:55 CET

Als erstes , liebe Hörerfreunde, hören Sie wieder eine Geschichte aus dem Buch Kalileh wa Demneh“

In der Nachbarschaft eines reichen Ölhändlers lebte ein Darwisch. 

Der Darwisch besaß nur wenig und sein reicher Nachbarn half ihm. Nach jedem guten Handelsabschluss schickte er dem Darwisch ein wenige Speiseöl ins Haus. Der genügsame Darwisch verbrauchte nur wenig davon und goss den Rest in einen großen Tonkrug. Als der Krug schließlich bis zum Rande voll war, überlegte er sich: „Vielleicht sollte ich das überflüssige Öl jemandem geben, der es nötiger hat. Aber wem soll ich es denn bringen? Den Nachbarn geht es doch allen gut.“ Da kam er auf einen neuen Gedanken.

Der Darwisch dachte: Wenn ich den Krug mit Öl jemandem schicke, nützt ihm das ja nicht viel, denn er wird es bald aufgebracht haben. Warum soll ich eigentlich im Leben hinter den anderen zurückbleiben? Warum sollte ich nicht heiraten und Kinder haben? Es ist besser wenn ich das Öl verkaufe und mit dem Geld etwas unternehme. Nehmen wir an, es sind 15 Kilo Öl in dem Krug und er ist 200 Toman wert. Dann kann ich doch mit dem Geld 5 Schafe kaufen. Wenn mir jedes Schaf in den nächsten 6 Monaten zwei Lämmer gebärt, dann werde ich bald 15 Schafe besitzen. Für den Winter werde ich Gras für sie trocknen. Und dann in den darauf folgenden 6 Monaten werden noch mehr Schafe auf die Welt kommen. Wenn jedes Schaf nur ein Lamm zur Welt bringt, werde ich bald 30 Schafe haben. Die werde ich mir ungefähr zwei Jahre lang halten und bald eine große Herde besitzen. Ich werde deren Milch und Wolle sowie Joghurt, Käse, Butter und Rahm verkaufen. Schafe sind wirklich nützliche Tiere!

Dann kaufe ich mir ein Haus, werde angesehen wie die reichen Leute und kann um die Hand eines Mädchens aus einer adeligen Familie anhalten.

Der Darwisch träumte weiter von seiner Zukunft:

Wenn ich geheiratet habe, wird Gott mir ein Kind schenken und ich werde versuchen, es optimal zu erziehen und jemanden einstellen , der auf meine Kinder achten. Wenn mein Kind 6 Jahre alt ist, kann es sein, dass es mit dem Schafen spielen will. Vielleicht will es sich auch auf ein Schaf setzen. Dann könnte den Schafen etwas passieren. Wenn mein Kind so etwas tun will, dann soll mein Diener es erst liebevoll davon abhalten und ihm beibringen, dass Schafe nicht zum Reiten da sind. Aber nein! Vielleicht wird mein Diener ungeduldig werden und mein Kind schlagen, wenn es einem Schaf auf den Rücken steigt.

Auch wenn mein Kind nicht auf den Schafen reifen darf, so möchte ich nicht, dass jemand es Kind schlägt. Ja sollte ich sehen, dass mein Diener es schlagen will, dann werde ich ihm mit diesem Knüppel hier feste auf den Schädel schlagen.

Der Darwisch hatte sich ernsthaft in seine Phantasien verstrickt und stellte sich vor, dass sein Diener sein geliebtes Kind schlägt. Da packte er sich seinen Knüppel und führte einen kräftigen Schlag durch. Dieser traf genau auf den Ölkrug. Der zerbrach unter den Wucht des Schlages und alles Öl spritzte dem Darwisch auf Gesicht und Kleidung.

Da wachte der gute Mann aus seinem Traum auf und stellte nüchtern fest, dass ein großer Unterschied zwischen der Wahrheit und sinnlosen Träumen besteht.

Er dankte Gott und sagte sich: „Es war ein Glück, dass ich nicht den Diener sondern den Ölkrug bestraft habe. Wenn ich mit dieser Wucht meinem Diener auf den Kopf geschlagen hätte, hätte ich bis an mein Lebensende vor dem Richter und im Kerker zugebracht.“

Liebe Hörerfreunde! Unser heutiges Sprichwort lautet übersetzt: „Weder Kamelsmilch, noch ein Besuch beim Araber“.

Ein Araber lebte in der freien Natur außerhalb der Stadt. Er führte ein Beduinenleben und hatte eine Kamelherde. In der Stadt hatte er einen Freund, und jedes Mal wenn er etwas in der Stadt zu erledigen hatte, stattete er auch seinem Freund einen Besuch ab und brachte ihm bei dieser Gelegenheit stets einen Krug mit Kamelsmilch mit.

Der Freund des Beduinen liebte Kamelsmilch und freute sich auch deswegen immer auf den Besuch des Arabers. Der Araber kam mindestens einmal im Monat in die Stadt. Bis eines Tages ein Problem auftrat und er mehrere Wochen lang selber nicht das Zeltlager verlassen konnte und andere Beduinen bat, für ihn die nötigen Einkäufe zu machen.

So verstrichen einige Wochen und der Mann in der Stadt dachte: „Mensch! Jeden Besuch sollte man doch mit einem Gegenbesuch beantworten. So lange habe ich nichts mehr von meinem Freund, dem Beduinen, gehört. Ich sollte ihn aufsuchen und nach ihm sehen.“

Der Freund des Beduinen sattelte sein Pferd. Er kaufte einige Geschenke und machte sich auf den Weg. Nicht weit entfernt von der Stadt kam plötzlich Wind auf und je weiter er zog desto stärker wurde dieser Wind und entwickelte sich schließlich zu einem Sturm. Bis zu dem Ort wo sein Freund in der Wüste sein Zelt aufgeschlagen hatte, war es noch ein ganzes Stück. Der eingefleischte Stadtbewohner hatte noch nie einen solchen Sandsturm erlebt und hoffte bald das Zelt seines Freundes zu erreichen und dort in Sicherheit zu sein. Sein Freund würde ihm sicherlich sofort frische Kamelsmilch bringen .Er würde sich gemütlich mit ihm unterhalten und genüsslich seine Kamelsmilch trinken können.

Während er so nachsann, ritt er weiter. Doch der Sandsturm wurde so stark , dass er um sein Leben fürchtete. Eilig stieg er vom Pferd ab und hockte sich, vor dem heftigen Sturm Schutz suchend, unter den Bauch des Tieres . Da sah er plötzlich ganz in seiner Nähe dunkle Gestalten. Es waren Räuber.

Die Räuber stahlen dem armen Reitersmann alles was er bei sich hatte und nahmen ihm sogar das Pferd fort. So besaß er nichts mehr außer der Kleidung, die er am Leib trug. Der Sandsturm hatte sich gelegt aber er dachte nur noch an eines: Zurück in die Stadt. Und unterwegs sagte er zu sich: „Ich will weder Kamelsmilch trinken noch den Araber besuchen.“

Aus dieser Geschichte entstand das Sprichwort: nah Schire schetor, nah didare arab. Weder Kamelsmilch noch ein Besuch beim Araber. Dieses Sprichwort wendet man dann an, wenn jemand auf dem Weg zu einem Ziel auf ein großes Problem stößt und auf halbem Weg umkehrt.