Sep 08, 2016 13:55 CET

Liebe Hörerfreunde. Heute hören Sie eine iranische Tierfabel und erfahren über die Anwendung eines Sprichwortes.

Den Abschluss bildet eine Weisheit von einem bekannten französischen Schriftsteller.

Wir beginnen mit der Tierfabel aus Kalileh wa Demneh

Eine Schildkröte lebte in Nachbarschaft zu einem Skorpion. Sie hatten sich aneinander gewöhnt. Eines Tages wollte es das Schicksal, dass sie ihren Ort verlassen müssen, um in Sicherheit zu sein. So machten sie sich gemeinsam auf den Weg. Schließlich gelangten sie an ein Flussufer. Als der Skorpion den Fluss erblickte sagte er zur Schildkröte: „Was für ein Pech ich habe!“ Die Schildkröte fragte: „Wieso denn?“ Der Skorpion klagte: „Ach, nun kann ich nicht mehr weiter.“ Aber die Schildkröte tröstete ihn: „Keine Angst. Wir sind Freunde und müssen einander helfen. Für mich ist es einfach, den Fluss zu durchqueren. Du kannst mir auf den Rücken steigen. Ich nehme dich mit rüber. Haben nicht die Weisen gesagt: Ein Freund ist der, der seinem Freund hilft?“

Der Skorpion dankte und sagte: „Du bist wirklich ein treuer Freund. Das werde ich wieder gut machen.“ Dann bestieg er den Rücken der Schildkröte.

Die Schildkröte glitt ins Wasser und begann zum anderen Ufer hinüber zu schwimmen.

Nach einiger Zeit bemerkte die Schildkröte ein Kratzen auf ihrem Rücken und fragte den Skorpion: „Bist du das?“

Der Skorpion antwortete: „Ja! Aber sorg dich nicht! Ich suche nur nach einer Stelle, an der ich dich beißen kann.“ 

Die Schildkröte war empört: „Wirklich! Du bist aber sehr undankbar. Ich will dich retten und du willst mich beißen?

Hör! Dein Biss wird mir nichts anhaben, denn ich habe ein Schild auf dem Rücken . Aber wieso willst du gegen unsere Freundschaft verstoßen?“

Da sagte der Skorpion: „Von dir hätte ich nicht erwartet, dass du so denkst. Ich habe doch keinen Treuebruch begangen. Weißt du: Ich bin wie das Feuer. Es verbrennt sogar seinen besten Freund. Das liegt in seiner Natur. Und in meiner Natur liegt das Beißen. Aber deshalb bin ich nicht dein Feind, sondern weiter dein Freund. Hast du nicht gehört dass es heißt: Der Biss des Skorpions kommt nicht vom Hass, seine Natur bedingt ihn (Saadi)?“

Die Schildkröte gab zu, dass der Skorpion recht hat, sagte dann aber: „Ich bin selber schuld. Es gibt so viele andere Tiere, aber ich habe ausgerechnet dich als Freund gewählt. So nett ich auch zu dir sein mag, du hast einfach eine raue Natur. Daher möchte ich nicht mehr mit dir befreundet sein!“ Und mit diesen Worten schüttelte sie den Skorpion ab und schwamm schnell weiter.

Unser heutiges Sprichwort heisst „Taube mit Taube, Habicht mit Habicht!“

Ein Vogelfänger trieb im Wald sein Unwesen. Er fing Vögel, steckte sie in seinem Geschäft in einen Käfig und verkaufte sie . Sein Laden war voller Spatzen, Nachtigallen; Kanarienvögeln, Papageien usw.

Der Vogelfänger hatte viele verschiedene Kunden. Einige kauften sich eine Nachtigall wegen ihres schönen Gesanges oder eine Taube für ihren Taubenschlag oder ihre Speisetafel. Andere kamen zu ihm und wollten einen Vogel, der sprechen kann.

Wieder einmal war dem Vogelhändler eine Reihe von Vögeln ins Netz gegangen. Es waren lauter Spatzen und darunter auch eine Krähe. Da dachte er bei sich. Die Krähe lass ich frei, keiner will eine Krähe haben. Die krächzt nur und ihr Fleisch schmeckt nicht.

So langte er in das Netz hinein um die Krähe frei zu lassen, die aber hackte ihm aus Angst kräftig auf die Hand. Der Vogelhändler ärgerte sich und sagte: „Ich wollte dich doch freilassen! Aber nun kommst du in den Käfig! Das soll dir eine Lehre sein!“

Der Vogelhändler nahm die Krähe und die Spatzen mit nach Hause und steckte sie in seinem Geschäft in einen Käfig. Die Krähe sagte zu den Spatzen: „Freunde, wir sollten uns überlegen, wie wir hier herauskommen.“ Die Spatzen zwitscherten: „Ja Ja! Lasst uns nachdenken!

Das hörte ein bunter Papagei, der sich für den schönsten Vogel auf der ganzen Welt hielt. Er ärgerte sich über die Krähe und kreischte: „Halt den Schnabel du dummes Federvieh und ergib dich in dein Schicksal.“ Die Krähe warf ihm einen scharfen Blick hinüber und krächzte: „Ach! Wie aufgeplustert und eingebildet du bist! Wenn du im Freien wärest, würdest du wahrscheinlich sagen: Ich bin der Gott der Vögel. Ihr Spatzen, seht wie er seine Stimme verstellt, um die Menschen nachzuäffen! Warum machst du so etwas. Die Menschen sperren uns ein und drehen uns den Hals rum und du bildest dir etwas darauf ein, nachzuplappern, was sie sagen!“

Die Krähe hatte dem Papagei ihre Meinung gesagt und der kreischte: „Hör bloß auf zu krächzen. Dein Gekrächze ist nicht zu ertragen. Du gehst mir auf die Nerven. Versuch doch mal Menschenstimmen nachzumachen, wenn du das kannst!“

Die Krähe wieder: „Wieso soll ich Menschen nachmachen? Damit ich wie du im Käfig lande und mich damit abfinden muss, für die Menschen den Clown zu spielen. Mir ist es lieber, wenn die Menschen mein Krächzen nicht mögen und mich nicht einsperren!“

Der Papagei rief: „Schrecklich! Das Gurren der Tauben und das Zwitschern der Spatzen war schon schlimm genug, jetzt muss ich mir auch noch das Gekrächze einer Krähe anhören!“

Die Spatzen aber riefen: „Unser Gezwitscher ist sogar sehr schön. Wenn du es nicht magst, dann hör doch weg!“ Auch die Tauben beschwerten sich: „Wie unser Gurren auch immer sein mag: Uns gefällt es!“

Die Krähe hatte geschwiegen, sagte dann aber nach kurzer Überlegung:

„Ja, die Spatzen mögen ihr Zwitschern und die Tauben mögen ihr Gurren und Krähen lieben ihr Gekrächze. Die Tauben mit den Tauben, die Habichte mit den Habichten usw. Jeder soll mit seinesgleichen seinen Flug machen. Die Menschen bereiten uns Vögeln doch schon so viel Kummer und der Papagei macht ihre Stimmen auch noch nach und

ärgert uns damit. Lieber Papagei, wenn dir die Stimmen der Menschen gefallen, dann bleib hier, damit du immer im Käfig der Menschen bleibst. Wir wissen uns schon zu helfen.“

Dann begann die Krähe so lange zu krächzen, bis der Vogelhändler es nicht mehr aushalten konnte. Und nachdem auch noch draußen andere Krähen sich vor seinem Laden versammelte hatten und unentwegt „Krah, Krah“ riefen, bereute der Vogelhändler, dass er die Krähe noch immer gefangen hielt. Schnell öffnete er den Käfig damit sie davonfliegt. Und die Spatzen, die zusammen mit der Krähe in einem Käfig waren, flogen ihm auch gleich mit davon. Der Papagei aber blieb, damit er weiter Menschenstimmen nachahmt.

Das Sprichwort: Die Tauben mit Tauben und Habichte mit Habichten – nämlich kabutar ba kabutar, bas ba bas wird heute immer noch verwendet und zwar wenn man sagen will, dass der Mensch mit Leuten verkehren soll, die wie er selber sind.

Wir hoffen unser heutiger Beitrag hat Ihnen gefallen und hängen noch ein schönes Wort von Victor Hugo an. Er hat gesagt:

Sei wie ein Vogel , der sich für einen Augenblick auf einem dünnen schwachen Ast niederlässt und singt und merkt, dass der Zweig schwankt, aber sein Lied fortsetzt, weil er weiß, dass er zwei Flügel zum Fliegen hat.