Nov 25, 2016 13:35 CET

Vor langer Zeit gab es einen König, der sich viele Sklaven hielt.

Eines Tages flüchtete einer dieser Sklaven. Der König ordnete an, unter Befehlshabung des Großwezirs sollten die Soldaten nach ihm suchen. Der Großwezir war ein ausgesprochener Feind des geflüchteten Skalven. Er hasste diesen Leibeigenen , denn der war sehr klug und hatte dem König schon öfters bessere Lösungswege vorschlagen können als er selber. Ah! Er verwünschte diesen Sklaven, der ihn vor dem König blamiert hatte.

Der Sklave wurde aufgespürt und vor den König gebracht. Der König, der von dem Hass des Wezirs auf diesen Sklaven wusste, fragte: Großwezir`! Wie soll ich mit dem Sklaven verfahren? Soll ich ihm verzeihen, weil er so klug ist, oder ihn dem Henker ausliefern!?

Erfreut sagte der Wezir:“ Er hat keine andere Strafe verdient als den Tod. Ihr habt doch angedroht, dass jeder Sklave der die Flucht ergreift, sterben wird. Dieser Sklave hier wusste das, aber er ist dennoch ausgerissen und hat damit selber sein Todesurteil unterschrieben!“

Eigentlich mochte der König nicht den klugen Sklaven töten, doch dennoch gab er ein Zeichen, dass die Todesstrafe zu vollstrecken sei. Er wollte sehen wie der Sklave reagiert.

Der Sklave lächelte verschmitzt, als er das Urteil hörte , warf einen vielsagenden Blick auf den Wezir und trat vor:

„O König. Ihr habt mir viel Gutes getan. Ich möchte nicht, dass ihr mich ohne Grund tötet und Gott euch im Jenseits bestraft, weil ihr einen Unschuldigen getötet habt.“

Der König fragte verwundert: „Einen Unschuldigen..???“

Der Sklave nickte : „Ja ich bin doch unschuldig!“

Der König wieder: „Gibt es ein größeres Vergehen, einem König wegzulaufen anstatt ihm zu dienen!?“

Der Sklave wieder: „Ich gebe dir ja recht. Es war eine Tat, die du nicht verzeihen kannst. In euren Augen bin ich ein Sünder, aber vor Gott bin ich keiner. Wenn du mich also töten lässt, dann lädst du Schuld auf dich und musst im Jenseits dafür geradestehen.“

Der König hatte gemerkt, dass der Sklave sich einen Plan zurechtgelegt hatte, und war neugierig, wie dieser kluge junge Mann weiter argumentieren werde. Daher sagte er:

„Angenommen du hast Recht. Aber auch ich habe das Recht, ungehorsame Leute zu bestrafen und du bist aus meiner Sicht ungehorsam gewesen. Du wusstest doch dass ein Sklave der wegläuft getötet wird.“

Der Sklave sage ruhig: „Ja! Das wusste ich und ich erwarte auch nicht, dass ihr etwas anderes tut. Es ist euer Recht. Aber , um Gott und mich davon zu überzeugen, dass ich ein Übeltäter bin, müsst ihr einen richtigen logischen Grund haben.“

Da sagte der König verwundert: „Einen logischen Grund? Den Gott überzeugt?“

Der Sklave: „Ja! Ich werde dir einen logischen Grund nennen. Einen Grund mich zu töten, den jeder einsehen wird.“

Der König spielte den Wütenden und sagte: „Nun sag mir endlich, welcher Grund muss her, damit ich dich töten darf, ohne dass ich vor Gott an deinem Tod schuld bin?“

Das sagte der Sklave zum König: „O weiser König. Erlaub mir, euren Großwezir umzubringen!“

Der König staunte: „Warum denn das?“ Und der Wezir schaute wütend zu dem Sklaven rüber .

„Ja!“, fuhr der Sklave fort: „Wenn ich euren Wezir töte, dann bin ich ein Mörder und habe die Todesstrafe verdient.“ Da lachte der König und fragte den Wezir:

„Nun, was meinst du jetzt, was ich mit dem Sklaven tun soll?“ Der Wezir aber senkte den Kopf und murmelte: „Lass ihn frei! Ich war selber ein Sünder,, denn ich war ihm feind und habe das weise Wort vergessen: Wenn du einen Pfeil auf den Feind abschießt, wisse, dass du selber in seiner Reichweite bist.“

Nach dieser Geschichte aus dem Golestan von Saadi folgt unser Sprichwort. Auf Persisch hört es sich wie folgt an „Morghesch jek Pa darad.

In einer Stadt lebte ein gewitzter alter Mann namens Mula Nasreddin. Als ein neuer Statthalter gekommen war, sahen sich die renommierten Leute gezwungen, ihn - wie es Sitte war – zu besuchen und zu beschenken. Auch Mula Nasreddin musste als ehrwürdiger Bürger dem neuen Statthalter etwas schenken, auch wenn er diese Sitte nicht mochte. Er sagte seiner Frau sie soll aus einem der Hühner, die sie hatten, ein gutes Gericht kochen.

Seine Frau bereitete das Huhn zu, legte es auf ein großes Tablett und garnierte es mit Kräutern. Dann deckte sie die Speise mit einem sauberen Tuch ab.

Das Huhn roch unwiderstehlich gut und Mula Nasreddin wünschte: „Ach hätten wir doch keinen neuen Statthalter bekommen, dann könnte ich zusammen mit meiner Frau dieses leckere Huhn verspeisen.“ Doch es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit dem Tablett auf den Weg zum Haus des Statthalters zu machen. Unterwegs warf er immer wieder ein Blick unter das Tuch. Wie appetitlich das Huhn aussah. Mula Nasreddin bekam richtig Hunger!

Schließlich konnte er nicht mehr an sich halten. Er riss sich einen Hühnerschenkel ab und verspeiste ihn. Als er sich dann den Mund sauber wischte, bereute er es schon wieder: Was hast du nur angestellt. Was soll ich dem Statthalter sagen, wenn er nach dem abgerissenen Hühnerschenkel fragt?

Er zögerte: Sollte er lieber umkehren und morgen mit einem neuen Huhn zum Statthalter gehen?

Aber dann füllte er die Stelle, wo dem Huhn ein Bein fehlte, mit Kräutern und ging doch zum Haus des Statthalters. Er hieß ihn herzlich in der Stadt willkommen und sagte dann: „Meine Frau ist eine gute Köchin und ich hab sie gebeten, ein Huhn für euch zuzubereiten.“

Der Statthalter bedankte sich bei Mula Nasreddin und seiner Frau, schlug das Tuch über dem Speisetablett beiseite und merkte sofort, dass das Huhn nur einen Schenkel hatte.

Da meinte er lachend: „Deine Frau hat sicher den einen Hühnerschenkel verspeist, um sicher zu sein, dass ihr das Essen gelungen ist!“ Mula Nasreddin wusste erst keine Antwort. Da sah er durch das Fenster die Gänse im Haus des Statthalters am Wasserbecken auf einem Bein stehen und sagte schnell! Nein! Meine Frau ist eine so gute Köchin , dass sie das Essen nicht auszuprobieren braucht.

Warum hat denn dieses Huhn dann nur einen Schenkel.

Da lachte Nasreddin und sagte: Alle Hühner in unserer Stadt haben nur ein Bein. Eure Gänse haben doch auch nur eins!

Der Statthalter schaute zu den Gänsen im Hof. In dem Moment kam einer der Bediensteten mit einem Stock herbeigelaufen, um die Gänse in ihren Stall zu treiben. Das Federvieh setzte sich gleich in Bewegung: Natürlich auf zwei Beinen. Da sagte der Statthalter zu Nasreddin. Die Gänse haben aber zwei Beine!

Doch Mulla Nasredin wusste es besser: Erstens würdet auch ihr, wenn euch jemand mit einem solchen Stock hinterherlaufen würde, auf zwei Beinen davonlaufen und wenn es ginge noch zwei Beine ausleihen. Außerdem habe ich dieses Huhn hier gerade beim Ausruhen erwischt, und da hatte es nur ein Bein.

Der Statthalter merkte, dass die Schwindeleien dieses Mannes kein Ende nehmen, nahm das Huhn entgegen und ließ es auf den Mittagstisch bringen.

Seitdem heißt es über jemand, der Unsinn redet und nicht davon abzubringen ist, Morghesch jek pa darad , nämlich sein Huhn ist einbeinig.