Nov 25, 2016 13:40 CET

Es gab einmal einen Herrscher, der sehr gerecht aber auch sehr streng war.

Einer seiner Minister war besonders klug und zugleich sehr anständig und wohltätig. Aber eines Tages beging er ungewollt einen Irrtum. Der Sultan warf ihm Fahrlässigkeit vor und befahl, seinen Besitz zu beschlagnahmen und ihn ins Gefängnis zu werfen. Die anderen Minister baten ihn vergeblich, dem guten Mann wegen seiner glänzenden Vergangenheit zu verzeihen.

Der Wezir blieb lange eingekerkert. Da brachte ein Bote ihm ein Schreiben vom König des Nachbarlandes. Darin stand:

Euer König ist ein undankbarer Mensch. Er weiß einen so weisen Wezir wie dich nicht zu schätzen. Ich kann dich aus dem Gefängnis befreien lassen und zu mir holen. Du wirst es bei mir gut haben!

Der Wezir schrieb eine Antwort und gab sie dem Boten, damit er sie seinem Herrn bringt.

Einige Gefängniswächter hatten bemerkt, dass der Wezir ein Schreiben von einem anderen König erhalten und es beantwortet hatte. Da fällten sie ein falsches Urteil, gingen eilfertig zum Sultan und meldeten: Dein Wezir treibt für das Nachbarland Spionage.

Der Sultan wurde sehr erbost und ordnete an, dass die Angelegenheit geklärt wird. Einige Landsknechte spürten den Kurier aus dem Nachbarland auf und brachten ihn vor den Sultan. Der verlangte den Brief des Wezirs zu sehen.

In dem Brief des Wezirs an den König des Nachbarlandes stand:

„Ich danke euch für euer Entgegenkommen. Aber ich kann der Einladung nicht annehmen. Denn diese Herrscherfamilie hat mir immer Gutes getan und es ist nicht recht, bei der kleinsten Schwierigkeit, meinem Wohltäter untreu zu werden.“

Da wusste der Sultan, dass sein weiser Wezir kein Spion war und dass er ganz höflich die Aufforderung des Königs im Nachbarland abgelehnt und diesen indirekt darauf aufmerksam gemacht hatte, dass kein edler und freiheitlich denkender Mensch nur wegen seines persönlichen Wohls Verrat an seiner Heimat und seinem Volk begeht.

Der Sultan freute sich, dass der Wezir so dankbar war und ordnete sofort seine Freilassung an, gab ihm allen seinen Besitz zurück, beschenkte ihn zusätzlich und holte ihn wieder an den königlichen Hof zurück.

Unser heutiges Sprichwort lautet „naachosch char chordeh“. Was das zu bedeuten hat, entnehmen Sie bitte folgender Geschichte:

In einem abgelegenen Dorf gab sich ein schon etwas betagter Mann als Heilkundiger aus. Er kannte ein paar Heilkräuter vom Hörensagen. Das war alles. Aber wofür sie jeweils gut waren, wusste er gar nicht. Er bereitete einfach auf gut Glück einen Kräutertee damit und verordnete ihn seinen Patienten.

Die meisten Patienten wurden ja von alleine wieder gut.

Es kam auch schon mal vor, dass ein Patient nicht gesund werden wollte, dann hatte der alte Mann aber immer eine Ausrede parat. Mal sagte er : Er hat etwas gegessen, was nicht für ihn gut war, oder : Er hat mein Kräuterrezept nicht richtig angewandt.

Eines Tages wurde der falsche Arzt selber krank. Er wusste, wenn er sich ein wenig ausruht, würde es ihm bald wieder besser gehen. So beschloss er ein paar Tage nicht aus dem Haus zu gehen. Aber gleich am ersten Tag klopfte einer der Dorfbewohner an die Tür: „Herr Arzt! Ihr wisst ja, dass meine Mutter krank ist und habt ihr schon zweimal Medizin verschrieben. Aber es geht ihr immer schlechter! Was soll ich tun?“

Der alte Schwindler sagte: „Wie du siehst, geht es mir selber auch nicht gut . Komm in einer Stunde wieder, dann schicke ich dir meinen Sohn mit!“

Der Sohn des angeblichen Heilkundigen wusste noch weniger als sein Vater und war ohnehin weniger intelligent. Nun als der Vater ihm mitteilte, dass er zu dem alten Mütterchen gehen sollte, sagte er: „Ach Vater! Warum hast du gesagt, dass ich kommen werde. Ich kenn mich doch überhaupt nicht aus. Das Mütterchen ist mit deiner Arznei nicht gut geworden und nun soll ich etwas ausrichten können?“

Da sagte der Vater: „Mein Lieber! Hast du wirklich je geglaubt, ich bin ein Arzt? Ich sage den Patienten nur, sie sollen sich etwas ausruhen und nicht alles essen. Die Kräuter gebe ich nebenher, damit keiner sagt, er ist Arzt, aber verschreibt keine Arznei. Das alles kannst du doch auch! Du hast mir jahrelang bei der Arbeit zugeschaut.“

Da sagte sein Sohn wieder: „Aber eure Medizin hat dem alten Mütterchen nicht geholfen. Was soll ich denn da noch sagen oder tun?“

Der Vater sagte: „Ganz einfach! Schau dich gut um, wenn du durch den Hausflur gehst. Vielleicht siehst du die Reste einer Honigmelone oder Walnussschalen oder Essensreste. Dann sag: Es ist doch klar, dass ein Kranker nicht gut wird, wenn er etwas isst, was er nicht essen soll, zum Beispiel Honigmelone, oder Wahlnüsse! Oder du begründest den schlechten Zustand der Kranken mit dem Essen, von dem du Reste entdeckt hast. Und zum Schluss musst du sagen: Da kann ich auch nicht mehr helfen! Sie hat ja ihre Diät nicht eingehalten.“

Der Sohn der alten Frau kam also den Sohn des vermeintlichen Arztes abholen. Als sie das Haus der Patientin betreten hatte, versuchte der angebliche Arztsprössling irgendetwas zu entdecken, was er dann als Grund dafür anführen konnte, dass es der alten Frau schlecht ging.

Aber im Hauseingang war nichts zu sehen bis auf den Packsattel eines Esels.

Der junge Mann stand am Krankenbett . Er bat die alte Frau , den Mund zu öffnen und die Zunge herauszustrecken und Aaaaaa zu sagen usw. Während er die alte Frau untersuchte, blickte er sich heimlich im Zimmer um. Vielleicht würde er hier einen Anhaltspunkt finden: Reste von einer Honigmelone z.B. oder …Doch nein: Da war nichts zu sehen!

Dennoch sagte er dann: „Was kann man da noch erwarten, wenn ein Kranker seine Diät nicht einhält? Es ist doch klar, dass es ihm dann schlechter geht!“

Der Sohn der alten Frau aber sagte: „Ach, meine Mutter hat doch nichts gegessen, was sie nicht essen durfte.“

Aber der vermeintliche Ärztesohn blieb beharrlich: „Doch, Sie hat bestimmt etwas Falsches gegessen!“ Und da fiel ihm die Satteltasche im Flur des Hauses ein und er sagte mit fester Stimme: „Sie hat einen Esel gegessen!“ Da schrie der Sohn der kranken Frau aufgebracht: „ Was redest du da?! Einen Esel gegessen? Wo gibt es denn so was?“ Und mit diesen Worten, setzte er den Sohn mitsamt seinem erlogenen Heilwissen vor die Tür.

Auf dieser Geschichte baut unser heutiges Sprichwort auf. Es lautet übersetzt: Der Kranke hat vom Esel gegessen! Dieses Sprichwort verwendet man , wenn ein ahnungsloser Mensch, aus Dingen, die nichts mit einer Sache zu tun haben, einen zusammenhanglosen falschen Schluss zieht.