Iranisches Kunsthandwerk (20 - aus Metall)
Im Schah Nameh (Buch der Könige) des bekannten iranischen Dichters Ferdowsi (geboren 935 n. Christus) werden viele Erfindungen so auch das Schmelzen von Eisen und die Anfertigung von Waffen dem legendären iranischen König Dschamschid zugeschrieben.
Unterdessen heißt es in einem Buch über die Kriege der antiken iranischen Herrscher gegen die Griechen: „Waffen wurden in vielen Städten Irans angefertigt, aber einige dieser Städte waren Zentren, davon die Stadt Kerend im Westen Irans, in der auch Helme und Panzerhemden hergestellt wurden. Eine weitere war Zangan, heute Sendschan, in der sich die Handwerker auf die Anfertigung von Säbeln und Dolchen verstanden. In Isfahan, Rey und Täbris wurden ebenso alle möglichen Waffen hergestellt.“
Ab Ende des 10. Jahrhunderts nach der Hidschra (16. Jahrhundert nach Christus) waren die Waffen aus Iran in der zivilisierten Welt für ihre Qualität bekannt. Der bekannte französische Weltenbummler Jean Tavernier (geb. 1605) hat zur Safawidenzeit mehrere Reisen in den Iran unternommen. Er schreibt, dass die Iraner zu der Zeit die Kunst der Stahlanfertigung beherrschten und wussten, wie sie Stahl für Säbel-, Dolch- und Messerklingen verwenden können. Auch Jean Chardin, ein Landsmann von Tavernier, beschreibt im 16. Jahrhundert in seinen Reiseerinnerungen ausführlich die Säbelanfertigung im Iran. Vom 16. bis 19. Jahrhundert wurden im Iran Säbelklingen mit größerer Krümmung entwickelt.
Die Geschichte des iranischen schamschir-saazi – der Säbelanfertigung - geht auf Zeiten zurück, wo jedermann eine Waffe bei sich trug, was zwingend zum Alltag gehörte. Nach der Einführung von Schusswaffen ging die Anwendung von Messern und Säbeln allmählich zurück. Nur die Herstellung von Messern und von Gegenständen mit scharfen Klingen für den Alltagsgebrauch blieb bestehen.
Die Stadt Sendschan im Westen Irans ist heute das bekannteste Zentrum für die manuelle Messerherstellung geblieben. Bei einem der „Salzmänner“, die vor circa 2000 Jahren in einem Salzbergwerk nahe dieser Stadt verschüttet wurden, hat man ein Messer gefunden. Die Messerklinge ist im Schaft mit zwei Nieten befestigt und die Messerscheide ist aus Leder. Sie ist mit Lederbändern an der Bekleidung des mumifizierten Bergmanns festgebunden. Dieses Messer kann als ältestes Beweisstück für die lange Geschichte der Messeranfertigung in Sendschan betrachtet werden.
Wenn Sendschan, das ab dem 16. Jahrhundert nach Christus eines der wichtigen kunsthandwerklichen Zentren gewesen ist, heute noch für die Anfertigung von Messern bekannt ist, so hat dies sicherlich sowohl mit der geografischen Lage und der Rolle dieser Stadt in verschiedenen historischen Kriegen (vor und nach dem Islam) als auch der strategischen Lage zu den benachbarten Provinzen zu tun. Die Stadt liegt im Schnittpunkt der östlichen und westlichen Zivilisation, nahe dem Zentral-Plateau. Sie ist reich an Lagerstätten.
Die Messer, die man in Sendschan kaufen kann, sind oftmals nur noch Dekorgegenstände, aber einige dienen noch als Jagd- und Buschmesser oder auch einfach als Küchenmesser oder als Messer für die Gartenarbeit. Jedenfalls sind sie in allen Größen erhältlich und unterschiedlich verziert. Die Kunsthandwerker fertigen meistens ihre Messer auf Bestellung an und bei einer Anfertigung von mindestens 10 bis 15 Tausend liefern sie sie an Geschäfte. Die manuelle Anfertigung von Messern ist ein reiner Männerberuf und das Handwerk ist in der Regel vom Vater auf den Sohn übergangen. Es gibt zurzeit 500 Werkstätten für Messeranfertigung in Sendschan.
Nach der westlichen Provinz Sendschan ist auch die östliche Provinz Kerman neben anderen kunsthandwerklichen Gegenstände für die handwerkliche Anfertigung von Messern bekannt, insbesondere die Stadt Rayen. Man hat in der alten Zitadelle dieser Stadt, die südöstlich der Provinzzentrale Kerman liegt, Messer gefunden. Die nahe beim heutigen Rayen gelegene gut erhaltene Zitadelle, wird in die Zeit der Sassaniden ( 3. Bis 7. Jahrhundert nach Christus ) zurückdatiert und nimmt eine Fläche von mehr als 22 Tausend Quadratmetern einnimmt. Aus der Geschichte erfahren wir, dass die Soldatenheere von Rayen unter der Kommandantur von Gandschali Khan, dem damaligen Gouverneur von Kerman, am Krieg gegen die Osmanen teilgenommen haben und mit ihren Gewehren, die die Handwerker von Rayen anfertigten, gegen jegliche Niederlagen gewappnet waren.
Außerdem berichtet die Geschichte von folgender Episode:
Einer der Handwerker von Rayen zur Zeit des Qadscharenherrschers Nasreddin Schah hatte ein Messer angefertigt, dass so scharf war, dass es Gewehrläufe und sogar Vorhängeschlösser aufschlitzen konnte. Einige spornten ihn an, er solle dieses Messer doch zum Gouverneur bringen und sich dafür belohnen lassen.
Dem ahnungslosen Mann gelingt es beim Gouverneur – einem Qadscharen-Prinzen - vorzusprechen. Er bringt das Messer in einer mit Samt ausgelegten Schachtel herbei und sagt: „Exzellenz! Dieses Messer ist äußerst scharf und kann sogar Gewehrläufe durchschlitzen. Gestattet mir, einen Gegenstand aus Eisen damit zu durchschneiden!“ Der Blick des Gouverneurs fällt auf das schwere Vorhängeschloss an der Eingangspforte und er fragt den Handwerker: „Kannst du dieses Schloss durchschneiden?“
Der Mann gehorcht und schneidet das Vorhängeschloss durch. Dem Gouverneur wird klar, dass mit einem solchen Messer alle Diebe ein leichtes Handwerk haben werden. Da lässt er seinen Schergen kommen und befiehlt ihm, dem armen Kerl die Hand abzuschlagen. Der Handwerker fleht um Vergebung. Unter Vermittlung einiger anderen vergibt ihm der Herrscher unter der Bedingung, dass er nie mehr ein solches Messer anfertigt.
Die Anfertigung von Messern (Tschaqu-Saazi)in Rayen blickt auf eine lange Vergangenheit zurück.
Die Messer aus Rayen dienen als Jagd- und Schlachtmesser, oder finden Einsatz bei der Pflanzenveredlung, oder als Ziergegenstand. Ihre Benennung richtet sich nach dem Zweck oder der Beschaffenheit der Klinge.
Das Handwerk ähnelt dem Schmieden. Es wird jedoch kein Eisen für die Messerklinge verwendet sondern Stahl. Der Messerschaft aus Holz, Tierhörnern oder Metall ist kunstvoll verziert.
Bei der Anfertigung von Messern wird zunächst Stahl im Ofen bis zum Erglühen erhitzt und dann mit dem Hammer bearbeitet. Nach dem Erkalten wird der Stahl weiter mit dem Hammer bearbeitet, um ihn noch fester zu machen und in die nötige Form zu bringen. Danach wird das Werkstück geschliffen und poliert.
Übrigens besteht der Griff des ältesten Messers, das bei den mumifizierten Bergwerkleuten in der Salzgrube Chehrabad in der Provinz Sendschan (auch Zanjan) gefunden wurde, aus Ziegenhorn. Das Messer ist 11 cm lang