Iranische Architektur und Kultur-Teil 21
In diesem Teil wollen wir einen weiteren wichtigen Punkt der iranischen Baukultur besprechen und zwar die Autarkie bezüglich des Baumaterials und der Verwendung von Baumaterialien.
Bei der Gestaltung von Bauwerken hat der Mensch die Erfahrung gemacht, dass er sich nach den geographischen und klimatischen Bedingungen richten soll. Das Baumaterial von iranischen Bauten ist sehr unterschiedlich, aber das wichtigste Baumaterial sind in der vorislamischen und der islamischen Epoche immer Ziegelsteine gewesen. Wir sehen zum Beispiel dass die Mauern der Persepolis, welche die Achämeniden nördlich von Schiras errichteten mächtige mit Steinplatten verkleidete Ziegelsteinmauern waren.
Zu Beginn gewannen die Sumerer und Babylonier an den Flussufern aus den Tonablagerungen nach Flusshochwasser ihre Ziegel. Gebrannte Ziegel gibt es wahrscheinlich schon seitdem der Mensch das Feuer entdeckte. Ihre Herstellung begann im Iran im Zweistromland und in Khuzistan (Südiran). In Schousch aber auch in Kaschan hat man Brennöfen ausgegraben, die im 4. Jahrtausend vor Christus gebaut worden sind, vor ungefähr 6000 Jahren also. Die Technik der Herstellung von gebrannten Ziegeln verbreitete sich von Iran aus nach Ägypten, Rom, Indien und China. Auf dem europäischen Kontinent begann man im 4. Jahrhundert nach Christus gebrannte Ziegelsteine zu verwenden.
Es gibt schöne Bespiele für die Verwendung von gebrannten Ziegeln in der antiken Baukunst Irans . Zu nennen sind vor allen Dingen das Zikkurat Tschoga Zanbil (bei Schousch), der Madain-Torbogen (Taqe Kasra heutiges Irak) und der Palast von Firusabad (Südiran).
Im Iran gibt es vier verschiedene Klimatypen, nämlich warm und feucht, warm und trocken, feucht und gemäßigt, feucht und kalt. Besonders die einheimische Bauart ist daher je nach Gegend verschieden. Vorrangig wird das vor Ort vorhandene Baumaterial verwendet.
Dr. Mohammad Karim Pirnia, einer der größten Experten iranischer Architektur schreibt in seinem Buch über die Stilkunde iranischer Bauweise: „Die Autarkie ist ein Prinzip iranischer Baumeister, was bedeutet, dass sie das benötige Baumaterial vom nächst gelegenen Ort beschaffen und nicht auf Baumaterialen aus anderen Gegenden und anderen Ländern angewiesen sind. Dadurch kann schneller gebaut werden, und das Bauwerk ist der umgebenden Natur angepasst. Außerdem steht beim Bau immer das notwendige Material bereit. Tausende von Jahren waren die iranischen Baumeister davon überzeugt, das Baumaterial einheimisch sein muss.“
Daraufhin führt Dr. Pirnia als Beispiel die Tachte Dschamschid Palastanlage der Achämeniden an und schreibt, dass die besten Gesteine mit Holzkutschen aus einer nahen Lagerstätte herbeigeholt wurden.
Beim Bau der Hauptmoschee von Isfahan und Yazd, des Gonbade Kawus und der Tabriz-Zitadelle, d.h. bei Bauwerken der islamischen Ära sind in der Hauptsache gebrannte Ziegel verwendet worden. Es ist dabei verwunderlich, dass die bedeutendsten historischen Bauwerken Irans mit Hilfe von diesem einfachen Material errichtet wurden. Dies liegt wohl an den günstigen Eigenschaften, die Ziegelsteine besitzen. Diese künstlichen Gesteine sind viereckig und hell- oder dunkelrot oder auch hellgelb.
Die gebrannten Ziegelsteine aus dem Reich der Elamer waren 10 cm hoch und 38 mal 38 cm lang und breit. In darauf folgenden Epochen wurde die Höhe auf 5 cm vermindert und Länge und Breite betrugen 20 bzw. 10 cm.
Für die Gewinnung von Rohziegeln wurden hölzerne Formen verwendet. Sollten sie gebrannt werden, kamen sie für eine bestimmte Zeit in den Ofen. Die heutigen Tunnel- und Industriebrennöfen machen die Gewinnung von Ziegelsteinen in verschiedenen Formen und Festigkeitsgraden möglich. Ein guter Brennziegel muss beim Anstoßen mit anderen Ziegelsteinen einen bestimmten gleichmäßigen Klang ergeben. Auf seiner Oberfläche darf er keine Vertiefungen aufweisen.
Das Format der Ziegel erlaubte unseren Vorfahren den Bau von festem Gemäuer was besonders an Gebäudeecken wichtig war. Die Ziegelbautechnik bewährte sich besonders bei der Errichtung von großen Toreingängen und der Entwicklung von Gewölben und Kuppeln aus erfolgreich. Das schöne Aussehen gebrannter Ziegel machte zudem innen- und Außenflächen der Gebäude dekorativ. Die in Iran verwendeten Ziegelsteine besitzen eine gute Feuerfestigkeit. Eine Ziegelsteinmauer mit einer Mächtigkeit von 22 cm leistet circa 6 Stunden Widerstand gegenüber einem Brand.
Ein weiteres einheimisches Baumaterial ist der Kalk. Schon der vorgeschichtliche Mensch kannte ihn. Die Griechen übernahmen die Kalkzubereitung von den Iranern und von da aus gelangte diese Methode in andere Gebiete Europas. Baukalk ist Calciumoxyd welches aus der Erhitzung von natürlichem Kalkgestein, gewonnen wird. Kalk findet vielfältig Verwendung beim Bau. Mit Sand und Wasser vermischt können verschiedene Produkte gewonnen werden. Die wichtigsten Kalksteinlagerstätten Irans liegen bei Isfahan und Qum.
Gips ist ebenso im Inland als Baumaterial vorhanden und wurde in allen architektonischen Epochen verwendet. Gips ist billig und erhärtet schnell. In den Bauwerken, die aus dem 1. Jahrtausend vor Christus erhalten blieben, wurde Gipsmörtel nachgewiesen. Wir werden später noch auf die Gebäudeverzierungen mit Gips zurückkommen.
Gesteine werden auch gerne in der iranischen Architektur verwendet. Es gibt die verschiedensten Steinarten im Iran. Gestein dient zur Festigung des Gebäudefundamentes, als Bodenbelag und zur Verzierung eines Gebäudes. Zur Herstellung von Inschrifttafeln wird seine Oberfläche geglättet und mit dem Meißel bearbeitet.
Die Bauwerke von Tachte-Dschamschid und insbesondere der Hundert-Säulen-Saal aus dem 5. Jahrhundert vor Christus wurde aus großen Steinblöcken errichtet. Die hohen Steinsäulen tragen Steinkapitelle.
In den Gebetssälen der Moscheen, die in der Islamischen Zivilisationsära errichtet wurden hat man statt Glas dünn geschliffene Marmorplatten benutzt. In letzter Zeit wird Gestein für die Auskleidung von Gebäudeflächen, den Bodenbelag und beim Treppenbau verwendet.
Für die Ausfüllung der Zwischenräumen von Steinen und Ziegeln wurde früher auch Pech verwendet. In den antiken Bauwerken Irans verkleidete man auch die Holzsäulen mit diesem Material. Die Verwendung dieses Erdöl-Abspaltungsprodukt im Iran geht wohl darauf zurück, dass es viele Erdölressourcen im Iran gibt. Viele Sachkundige sind der Ansicht dass die hängenden Gärten von Babylon im Zweistromland, welche zu den sieben Weltwundern zählen, aufgrund iranischer Bauprinzipen angelegt wurden. In dieser terassenförmigen Anlage aus Gestein wurde auch Pech verwendet. Auf jeder Terassenfläche wurde eine mit Pech überzogene Matte angebracht. Diese verhinderte, dass Feuchtigkeit auf tiefere Terrassen überging. So konnten sogar auf der höchsten Terrasse Bäume wachsen.
Aus Geschichtswerken wie dem Buch „Geschichte der Zivilisation“ von Will Durant geht hervor, dass es in der antiken Stadt Babylon eine heilige Kreuzung gab. Diese war mit Pech bedeckt und mit Kalksteinstücken und roten Ziegelsteinen ausgelegt.