Jul 07, 2017 14:32 CET

Jede Religion hat ihre besonderen Bräuche und Zeremonien, in denen sich Teile ihre Überzeugungen widerspiegeln. Diese Zeremonien verbinden ihre Anhänger miteinander. Solche besondere Zeremonien erfordern eine besondere Räumlichkeit.

Für die schiitischen sind die Trauerzeremonien im Monat Moharam besonders wichtig.   Jedes Jahr begehen sie den Aschura-Tag – den 1o. Moharam-Tag, an dem  Imam Hussein in Karbala den Märtyrertod fand. Dieser Anlass verbindet die Schiiten auf der Welt miteinander.  Der iranische Weltreisende Schouschtari berichtet, dass sogar die Hindus in Nordindien Zeremonienstätten eingerichtet haben, in denen sie um  Imam Hussein  trauern. So bedeutend ist  seine Persönlichkeit.

Zur Zeit der Buyiden  gab es  die ersten großen Trauerzüge für Imam Hussein im Iran.  Die Bazaars wurden geschlossen und die Bevölkerung kleidete sich schwarz und zog wehklagend durch die Straßen in Gedenken an Imam Hussein.  Später legte man besondere Plätze an, an dem sich die Menschen versammelten und dort fand auch ein Passionsspiel in Erinnerung an das Geschehen in Karbala statt.  Diese Stätten wurden unterschiedlich benannt: In Indien hießen siehen Aschura-Haus, im Irak Husseiniyeh und im Iran wurden sie meistens Takiyeh genannt.  Die Takiyeh befanden sich an großen Straßenkreuzungen, auf öffentlichen Plätzen, auf den wichtigsten Wegkreuzungen im Bazaar, im Hof von Karanwansereien oder von Pilgerstätten.  Takiyeh ist die Mehrzahl von Takaya und bedeutet eigentlich sich „anlehnen an etwas“, oder „sich niedersetzen“. Früher wurden sie  als  Orte für Bedürftige errichtet, aber seit dem Saffawidenherrscher Abbass, dem Ersten, fanden dort die Zeremonien im Trauermonat Moharam und zu Aschura statt. Der erste historische Beleg für ein solches Takiyeh im Iran geht auf 1786 zurück . Es handelt sich hierbei  um das Takiyeh, das Hadsch Mirza Qasi, einer der hohen Beamten der Quadscharen in Teheran baute.  Es gibt aber auch noch in anderen großen Städten historische Beispiele für den Bau von Takiyehs in den letzten 200 Jahren.

 

Die Italienerin Carla Serena, welche 1853 den Iran aufsuchte, schreibt in ihren Reiseerinnerungen: „An verschiedenen Stellen der Stadt ist eine überdachte Plattform aufgestellt, die sich Takiyeh nennt und auf der das Passionsspiel stattfindet.  An Orten, wo es diese nicht gibt, befindet sich eine provisorische  Plattform um die sich eine große Menschenmenge versammelt und dem Ta`ziyeh zuschaut.“

Die Takiyeh und Husseinyieh haben mehr oder weniger die gleiche Funktion und die Zeremonien die an diesen Stätten stattfinden ähneln einander. Aber je nach Gegend heißen diese Stätten unterschiedlich. In Städten wie Teheran, Isfahan, Kerman, Kaschan und Semnan werden sie Takiyeh genannt, aber in Städten wie Yazd, Nain,Schiras, Ardebil und Khorramschahr heißen sie Husseiniyeh. In Kaschan und Yazd werden sie aber auch mit  Meydan bezeichnet.  Jedenfalls sind die Husseyniyeh, das Takiyeh und der Meydan ein Sinnbild für die Wüste von Karbala und die Plattform in der Mitte versinnbildlicht den Schauplatz des historischen, schicksalhaften Kampfes. Kein Darsteller des Passionsspiels verlässt diese Bühne, was an die Umzingelung Imam Husseins und seiner Getreuen durch den Feind erinnern soll.

Die Trauerzüge sollen das Heer des Imam Hussein verkörpern. Sie tragen verschiedene Dinge bei sich wie ein Wahrzeichen namens „Alam“ und Flaggen. Am wichtigsten ist das sogenannte  Nachl in  Form eines Zeltes oder eines großen Sarges aus Holz, den die Trauernden durch die Straßen tragen. Dieses Nachl , was eigentliche „Palme“ heißt, ist Wahrzeichen für die Opferbereitschaft der Märtyrer von Karbala.  Auch Wasser übernimmt im Islam  die Rolle eines wichtigen Symbols zum Beispiel Symbol für  Leben, Reinheit und Schönheit und das Paradies. Außerdem erinnert es in der schiitischen Kultur an den Durst  und an Karbala und die Opferbereitschaft Abbass , des Bruders Imam Husseins, der beim Wasserholen aus dem Euphrat starb .

Die genannten Elemente sind in verschiedenen Formen in den Husseyniyehs und Takiyehs gegenwärtig. In diesen religiösen Stätten findet man immer eine Trinkwasserstelle vor.

Die Takiyehs wurden von Berufsgilden oder von Bevölkerungsgruppen, die aus kleineren Orten in größere Städte umgesiedelt  waren oder von Wohlhabenden errichtet. Manchmal ließen diese   eigens zu diesem Zweck ein Gebäude bauen und manchmal bestimmten sie auch einen besonderen Teil in ihrem Wohnviertel für die jährlichen Trauerzeremonien und das Passionsspiel.  Einige überdachten auch den Innenhof ihres Wohnhauses mit einem großen Zeltdach und deckten das Wasserbecken in der Hofmitte ab, um einen geeigneten Raum für die Trauerzeremonie zu schaffen

Die Husseyniyehs und Takiyehs wurden normalerweise zweistöckig errichtet. Die Männer versammelten sich im unteren und die Frauen im oberen Stock. Der große Trauersaal in der Mitte war mit zahlreichen Türeingängen und Fenstern, Säulen und Wandnischen und Dekorgewölben versehen.  Für die Fenster und Türen in den alten Husseyniyehs  verwendete man oftmals buntes Glas oder manchmal wurde auch  mit Spiegelmosaiken oder Stalaktitendekor verziert. Von den Decken hingen Kronleuchter herunter und auf den Wänden erinnerten Abbildungen an die Ereignisse in Karbala. Es gab darüber hinaus Räumlichkeiten in den Takiyehs die für besondere Zwecke wie das Ritualgebet, Klausuren oder die Bewirtung der Trauernden bestimmt waren.

Das Taziyeh war  untrennbar Bestandteil der Zeremonien im Monat Moharam.   Taziyeh ist eine Art Passionsspiel. Bei dieser dramaturgischen Darstellung wird in einer einfachen dem Volksmund nahen Sprache und in Reimen auf der Bühne über Karbala berichtet. Manchmal wird hierbei das religiöse Epos mit iranischen Mythen vermischt.  Als erstes tritt ein Erzähler auf und während seines Vortrages treten Darsteller vor. Der Erzähler bricht seine Schilderungen ab, und der Darsteller setzt mit seinem Vortrag die Geschichte fort.  Oftmals wird gleich zu Beginn gesagt, was sich alles ereignet hat, und dennoch verfolgt der Zuschauer das Passionsspiel bis zum Ende.  Denn die Muslime sind davon überzeugt, dass die  Trauer um   Imam Hussein von Gott belohnt wird, und zudem die Seele läutert  und weicher macht.

Je nach Gegend werden für die Takiyehs anderes Baumaterial verwendet. Zum Beispiel in den feuchtem gemäßigten Nordiran, wurden sie meistens nicht überdacht und oftmals diente ein offener Platz als Takiyeh. Wenn die Trauerstätte doch ein Dach hatte, war sie aus Tönernen Dachziegeln.  Die Wände waren aus Ziegelsteinen mit kalkhaltigem Mörtel. Ein bekannter Takiyeh ist der Takiyeh Hasir-Foruschan (Takiyeh der Schilfmattenverkäufer) in der Stadt Babol.  In einigen Städten wurden die Takiyehs neben der Moschee oder der theologischen Schule (Madressah) oder dem Badehaus gebaut. Als Beispiel kann das Takiyeh Darabe no in Gorgan dienen.

 

Die Takiyeh an den Südküsten Irans , die Husseyniyeh genannt werden, wurden viereckig angelegt. Ihre Wände waren hoch, ebenso wie ihre Fenster, und zwar wegen der hohen Luftfeuchtigkeit. Zur Erzielung eines zusätzlichen Schatten wurde manchmal ein Zeltdach errichtet. Die Husseiniyehs in der Hafenstadt Bandar  Buschher am Persischen Golf werden meistens auf diese Weise angelegt.

In den gebirgigen Gegenden sind die Takiyehs in der Mehrzahl  überdacht. In Ardebil wird in den Moscheen getrauert, aber in anderen Städten wie Sandschan finden die Trauerfeiern in einer Husseyniyeh statt.  In Sandschan ist die große zweistöckige Husseyniyeh der Versammlungsort der Bevölkerung.