Iranische Architektur und Kultur-Teil 34
Die Bauweise religiöser Stätten ist immer ein Spiegel der Überzeugungen und des Kunstempfindens ihrer Erbauer gewesen. Wir haben über verschiedene Teile der Moscheen geschrieben und heute möchten wir die Bauweise von Minaretten besprechen.
Zu den Pflichten, die jeder Muslime beachten sollte, gehört das fünfmalige Ritualgebet innerhalb eines jeweils festgelegten Zeitraums. Der Beginn dieser Zeiträume wird durch den Gebetsruf – das Azzan – angekündigt. Jeder kann den Gebetsruf sprechen , aber für die Moscheen werden normalerweise besondere Personen dazu bestimmt, zum Gebet zu rufen. Es sind die Muezzin. Der Gebetsruf folgt vom Minarett der Moscheen aus. Dieser ist ein hoher Turm.
Das arabische Wort für Minarett bedeutet Symbolturm oder heller Platz. Damit war früher ein turmartiger Bau am Wegesrand gemeint, auf dem man ein Licht brannte . In vorislamischer Zeit baute man auch niedrige und viereckige Türme als Anbetungsstätten. Doch die Muslimen veränderten ihre Form und bauten höhere Türmen, die eine neue Funktion erfüllten.
Das erste Minarett wurde 45 Jahre nach der Hidschra und dem Mondkalender d.h. 665 in Basreh – heutiges Irak – erbaut. Danach wurden auch beim Moscheenbau in anderen islamischen Gebieten Minarette üblich.
Im Iran wurden schon vor dem Islam Türme gebaut, die als Wegweiser dienten. Sie hießen Mil. Oben auf diesen minarettähnlichen Türmen wurde eine Fackel als Weglicht angezündet. Mit Beginn der Islamischen Epoche wurden solche Türme dann neben den Moscheen als Symbol für die Wegweisung der Menschen zum Heiligen Ort der Moschee errichtet.
Ein Minarett besteht aus vier Bestandeilen. Dem Sockel, der quadratisch, sechseckig oder zwölfeckig ist. Darauf ruht der zylinder- oder kegelförmige eigentliche Turmbau, die vier- oder achteckige Turmspitze mit dem Baldachin darüber.
Die meisten Minaretten in der Islamischen Welt weisen diese Bestandteile auf, doch färbte natürlich in jedem Gebiet die einheimische Bauweise auch auf den Minarettenbau ab. Zum Beispiel werden in Nordafrika mächtige viereckige Minarette gebaut. In Ägypten sind sie mehrstöckig, in der Türkei gleichen sie einem Bleistift und weisen mehrere Balkone auf. Im Iran sind sie schmale Zylinder und hoch.
Wegen der großen Höhe und des geringen Flächenausmaßes, werden besondere Anforderungen an den Sockel eines Minaretts gestellt. Er muss so fest ein, dass er das Minarett tragen kann. Deshalb wird die Stelle, an der das Minarett steht, soll die lockeren Erdmassen bis zu den ersten Felsschichten ausgegraben und die Vertiefung mit Gestein oder festem Baumaterial ausgefüllt. Darüber wird dann der Minarettensockel angelegt. Der Turmbau kann verschiedene Formen annehmen, konisch oder prismaförmig sein. Er kann schlicht gehalten sein und aus Ziegelsteinen bestehen. Manchmal ist er aber auch kunstvoll verziert. Nach oben hin nimmt die Querfläche eines Minaretts ab.
Wegen der Bedeutung einer symmetrischen Anordnung in der iranischen Architektur werden gerne zwei Minarette gebaut. Sie spielen auch eine wichtiges Gegengewicht gegenüber dem Druck der Moscheengewölbe. Sachkundige meinen der gelungenste und schönste Weg das Torgewölbe einer Moschee hervorzuheben besteht daran zu seinen beiden Seiten ein Minarett zu erbauen.
Innerhalb des Minaretts findet sich eine Wirbeltreppe über die der Muezzin die Turmspitze erreicht.
Bei einigen frühren Minaretten führt an der Minarettenwand eine Treppe hoch. Die außergewöhnlichsten Minarette iranischer Moschee sind die der Hauptmoschee in Yazd, der Seldschuqi-Moschee in Golpaigaan und der Chan-Madresseh in Schiras. Diese Minaretten haben alle zwei getrennten Treppengänge, eine zum Besteigen und eine zum Verlassen des Turmes.
In der Minarettenwand wurden kleine Fensterluken in der Größe eines Ziegelsteins zur Erhellung der Wendeltreppe belassen.
Am oberen Ende des Turmbaus wird sein Querschnitt wieder größer in Form einer mehreckigen oder runden Plattform , von der aus der Muezzin zum Gebet ruft. Zwischen Plattform und Baldachin liegen circa 2 m und die Plattform ist von einer niedrigen Mauer oder einem Stabgitter aus Metall oder Holz umgeben.
Meistens werden Minarette aus Ziegelsteinen unter Verwendung von Gipsmörtel gebaut, aber in Gegenden wie im ostiranischen Sistan baut man sie noch aus sonnengetrockneten Rohziegeln. Früher bauten man sehr hohe Minarette von fast 100 m. Das höchste noch erhaltene Minarett in der Weltgeschichte ist das Qutb-menar Dehli mit einer Höhe von 74 m. Die heutigen Minarette aus Beton sind auch sehr hoch. Die Minarette der Al-haram-Moschee in Mekka erreichen circa 90 m. Bei weniger solidem Baumaterial wird niedriger gebaut. Es gibt einige Holzminarette von 20 m Höhe.
Zu den schönsten und höchsten Minaretten im Iran zählen die der Hauptmoschee in Yazd. Diese Moschee wurde im Laufe von hundert Jahren zu Ende gebaut und mit dem Bau wurde im 12. Jahrhundert nach Christus begonnen. Beide Minarette dieser Moscheen sind 52 m hoch und weisen einen Querschnitt von circa 8 m auf. Die einmalige Kachelverzierung an diesen Bauwerken zeigen eslami-Muster und Pflanzenranken und sind in strahlend blauen , grünen und braunen Farben gehalten.
Nach oben nimmt ihre Querfläche immer mehr ab. Ein erfahreren Baumeister der Provinz Yazd namens Mohammad Ali Dehqan Benareki berichtet: Bei diesem Bauwerk und seinen Minaretten wurde kein Eisen verwendet und alle wurden durch eine Mischung von Strohlehm und Gips befestigt. Bei dem Kachelschmuck wurden alle Farben verwendet und seine Mihrab und seine Minaretten sind ausgezeichnete Beispiele für die Kunst der Iraner.
Diese Moschee in Yazd steht übrigens auf der Liste der nationalen Baudenkmäler.
Das Minarett der Barsian-Moschee nahe bei Isfahan ist eines der ältesten Minarette im Iran. Sein Baujahr ist 491 nach der Hidschra, d.h. heißt 1097 nach Christus. Diese Minarett ist ein Rundbau aus Ziegeln und Gips. Sein Durchmesser misst 6 m und es ist 36 m hoch. Die Verzierung der Minarettmauer besteht aus rhombenförmigen und quadratischen Ziegelsteinen – ein solches Mauerwerk wird Hezarbaaf – Tausendgeflecht genannt. Für viele Sachkundige ist dieses Minarett das schönste Beispiel für die Ziegelsteinverzierung aus der Ära der Seldschuken.
Der französische Iranist Andre Godard beschreibt die Barsian-Moschee als ein iranisches Bauwerk nach dem 4-Gewölbe-Muster und schreibt, dass sie den Wendepunkt im Moscheebau Irans bedeutete.
Am oberen Rand des Minaretts sind auf schöne Weise Koranverse zu lesen und wie eine Kette umfasst die Verzierung in kufischem Schriftstil das Minarett.