Jun 16, 2017 18:19 CET
  • Volkstümliche Erzählungen aus Iran-Teil 34

Wir sagten, dass es in einer Fabel oft um kluge Voraussicht und Anwendung von List zur Rettung vor dem Feind und darum geht, dass es schadet dem Feind zu vertrauen. Dazu haben sie entsprechende Beispiele kennenngelernt.

Die Themenvielfalt ist bei Fabeln groß und wir können hier nicht alle behandeln.  Als letztes Beispiel für den thematischen Inhalt von Fabeln wollen wir noch die Zwietrachtstiftung und ihre negativen Folgen behandeln. Diesmal bringen wir Ihnen erst ein entsprechendes Beispiel und werden danach eine  kurze Analyse dazu beginnen. Die nachfolgende Geschichte von dem Löwe und der Kuh ist wieder der Fabelsammlung Kalila wa Dimna entnommen.

 

Ein Händler hatte zwei Kühe vor einen Karren gespannt und eine Geschäftsreise angetreten. Unterwegs blieben beide Tiere im Lehm stecken.  Die eine Kuh starb und die andere wurde schwer verletzt. Der Händler aber ließ beide Tiere einfach liegen.

Mit Müh und Not konnte sich die Kuh, welche überlebt hatte, aus dem Schlamm retten. Auf einer schönen Wiese in der Nähe  ernährte sie sich vom frischen Gras und nach einigen Tagen hatte sie sich völlig erholt. Erfreut begann sie laut zu muhen.

Der Löwe,  dessen Reich neben dieser Wiese begann,  hatte bis dahin noch nie eine Kuh muhen hören und bekam es mit der Angst zu tun.  Doch er ließ sich nichts anmerken.

 

Zu Hofe des Löwen lebten zwar Schakale. Der eine hieß Kalila und der andere Dimna. Dimna war unentwegt bestrebt, sich beim Löwen einzuschmeicheln und sein enger Berater zu werden. Er hatte bemerkt, dass das laute Muhen der Kuh den Löwen verstört hatte. Da sah er eine Gelegenheit gekommen, die Gunst des Königs zu gewinnen. Er fragte den Löwen, weshalb er Angst habe. Der vertraute ihm den Grund an. Da sagte ihm Dimna, dass es eine Kuh sei, die seit kurzem auf der Wiese lebt. Auf Wunsch des Löwen holte er sie an den Königshof. Der Löwe hatte seinen Gefallen an der Kuh. Dieses Tier schien klug zu sein und konnte sich gut ausdrücken. Und so kam es, dass der Löwe sich mit der Kuh in vielerlei Angelegenheiten zu beraten begann.

Dimna aber wurde neidisch auf die Kuh, denn er wäre selber gerne ein Berater des Königs geworden. Deshalb entschloss er sich die Kuh zu vernichten.                                    Musik

Dimna  hetzte den Löwen gegen die Kuh auf. Er behauptete gegenüber dem Löwen von der Kuh, dass sie Schlechtes im Sinn habe und brachte umgekehrt die Kuh mit ähnlichen Behauptungen gegen den Löwen.  Der Löwe wurde zornig auf die Kuh und tötete sie  nach einem voreiligen Entschluss.

Während der gesamten Geschichte hatte übrigens Kalila,  der Freund von Dimna, diesen gemahnt.

 

Nachdem der Löwe die Kuh getötet hatte, bereute er es alsbald. Doch schlich sich Dimna heran um sich erneut beim  Löwen beliebt zu machen. Vorher hatte ihn Kalila  vergeblich in einem Gespräch vor den  schlimmen Folgen der Zwietrachtstiftung gewarnt.

Der Tiger aber war ungewollt Zeuge dieses Gespräches geworden hatte der Mutter des Löwen davon berichtet. Die alte Löwin erzürnte über die Boshaftigkeit von Dimna und den Tod der unschuldigen Kuh. Sie  berichtete ihrem Sohn, was sich abgespielt hatte und sagte, er müsse die Kuh rächen.  Da wurde eine Sitzung einberufen und auf dieser wurde schließlich aufgrund der Beweise und Zeugen vom Löwen das Todesurteil über Dimna verhängt.

 

Soweit zusammengefasst die Geschichte von dem Löwen und der Kuh aus Kalila wa Dimna. Nun möchten wir diese Geschichte hinsichtlich ihrer einzelnen Merkmale betrachten.

                             

Die wichtigsten Figuren in dieser Geschichte sind:

Der ruhmsüchtige Dimna , der Zwietracht stiftet;

sein weitsichtiger Freund Dimna,

Die Kuh, die leichtgläubig ist, und natürlich der mächtige Löwe, König des Dschungels.

Weitere Figuren in dieser Fabeln sind der Tiger, der Zeuge des vertraulichen Gesprächs zwischen Dimna und Kalila wird und die weise Löwenmutter.

 

Die Geschichte vom Löwen und der Kuh steht gleich am Anfang der Geschichtensammlung Kalila wa Dimna und gilt als die wichtigste Erzählung dieses Buches, weshalb diese Fabelsammlung nach ihren Hauptfiguren, nämlich  Kalila und Dimna,  benannt wurde. Dieser Titel  wurde bei allen Übersetzungen dieses Werkes beibehalten.

 

 

In der Geschichte vom Löwen und der Kuh geht es hauptsächlich darum, dass jemand boshaft zwischen zwei Freunden spaltet, indem er den einen bei dem anderen schlechtmacht. Aber es geht auch noch um andere Dinge in dieser im Original relativ langen Geschichte aus Kalila wa Dimna und zwar auch um Neid, Rebellion gegen die bestehende Ordnung, Frechheit und Kühnheit, List und Täuschung, ebenso wie um Unterdrückung von naiven und schwachen.

Außerdem sind noch 18 Nebengeschichten in diese Fabel eingebaut, welche von den Hauptfiguren erzählt werden. In dieser Fabel  sprechen die Charakteren über  Moral und Gesellschaft  und es werden zahlreiche Geheimnisse über das Leben am Königshof enthüllt.

Eine Analyse dieser und ähnlicher Geschichten aus soziologischer Sicht gibt daher einen Aufschluss über politische und gesellschaftliche Verhältnisse.

 

Wir möchten hier besonders das Verhalten unter die Lupe nehmen, welches  für das Wesen der Figuren und ihre Einstellung zu verschiedenen Fragen charakterisieren.

Die Geschichte vom Löwen und der Kuh beginnt in der Welt der Menschen. Ein junger Mann, begibt sich von seinem Vater zum selbständigen Erwerb ermuntert auf eine Handelsreise. Er hat zwei Kühe vor seinen Karren gespannt, aber der Karren bleibt ihm Lehm stecken. Die eine Kuh stirbt und die andere rettet sich und gelangt auf eine Wiese, nahe beim Königreich des Löwen.

Ab hier spielt sich der Rest der Fabel  in der Tierwelt ab  und beginnt die eigentliche Geschichte. Die Hauptfiguren werden daraufhin nacheinander beschrieben.

Der Löwe ist jung, prächtig und mächtig. Dimna ist gierig und  will hoch hinaus , während Kalila klug , weitsichtig und vorsichtig ist.

Der Schakal Dimna ist die Hauptgestalt in der Fabel. Er steht mit seinen Absichten und Taten im Mittelpunkt des Geschehens.

 

In der Geschichte vom Löwen und der Kuh  geht es um mehrere Handlungen aufgrund bestimmter Motivationen.

Dimna ist der erste, der eine besondere Handlung vornimmt. Er nähert sich dem Löwen und fragte ihn warum er besorgt ist.  Es freut ihn dass sich der Löwe fürchtet, denn dies ist eine gute Gelegenheit,  sich beim Löwen eine Position verschaffen.

 

Vorher hat er mit seinem Freund  Kalila gesprochen. Der warnt ihn davor, den Löwen auszufragen und ist der Meinung, dass Schakale das nicht dürfen.

Dimna, der nur auf eine günstige Gelegenheit wartet und sehr an einem höheren Posten interessiert ist, möchte aber nicht von seinem Abschluss ablassen.

Trotz der langen Diskussion mit Kalila , macht er sich ans Werk.

Dimna trifft die Vorbereitungen für seinen listigen Plan.

Dimna nähert sich dem Löwen, schmeichelt sich bei ihm ein und erklärt seine Bereitschaft ihm zu dienen. Er demonstriert dem Löwen seine Klugheit und macht ihn durch seine Unterwürfigkeit auf sich aufmerksam.  Schließlich gewinnt er immer mehr das Vertrauen des Löwens und als er ihn nach dem Grund seiner Besorgnis fragt, gesteht ihm der Löwe seine Furcht vor dem unbekannten Tierschrei ein. Dimna beruhigt den Löwen.

 

 Die zweite Handlung des Dimna auf dem Weg zu seinem Ziel beginnt damit, dass er die Kuh an den Königshof holt. Er spricht ihr freundlich zu und bringt sie zum Löwen. Der Löwe findet Gefallen an der Kuh und befreundet sich mit ihr. In diesem Moment erwacht der Neid in Dimna und raubt ihm den Verstand. Ab nun ist es der Neid, der Dimna motiviert.

Er hatte gehofft selber beim König beliebt zu werden und nun erfuhr die Kuh dessen Gunst!

 

Die Enttäuschung und der Neid blenden Dimna und auch die Mahnungen seines Freundes Kalilah können ihn nicht von seinem falschen Entschluss abbringen. Der Neid verschließt ihm Augen und Ohr.

 

Der nächste Akt besteht darin, dass Dimna Löwe und Kuh gegeneinander aufhetzt. Er  hat vor, die Kuh zu vernichten und damit beginnt der entscheidende Abschnitt und inhaltlich wichtigste Teil der Geschichte, um den sich die Fabel dreht. Darüber mehr beim nächsten Mal.