Jun 16, 2017 19:10 CET

Wir sagten, dass die Volkslieder einen wichtigen Teil der Farsi-Folklore bilden und haben Versfuß und Reim in ihren Liedertexten untersucht.

Ein weiterer wichtiges Aspekt dieser volkstümlichen Liedertexte ist natürlich der Inhalt. Er ist sehr unterschiedlich: Manche Liedertexte dienen als rythmische Begleitung für Spiele, andere sind Schlaflieder oder gehören zu Märchen. Wiederum andere sind romantisch oder satirisch . 

Bei den Spielliedern, die in der Mehrzahl für Kinder sind, haben wir es mit schönklingender Prosa zu tun die durch einen bestimmten Rhythmus zu einem Spiel passt. Typisch ist für diese Lieder, dass sie je nach der Gegend, wo sie üblich sind, variieren.  Natürlich gilt das überhaupt für alle Volkslieder.   Es lässt sich fast sagen, dass es kein iranisches Volkslied gibt, von dem nicht mindestens zwei Versionen existierten. 

Ein weitverbreitetes Spiel für Kinder im Iran ist „Wartschidane Pa“ – wörtlich „das Bein einziehen“-

 

Der Text zu diesem Spiel beginnt wie folgt: „Atal Matal Tutuleh, Gaw-e Hassan Tscheh Dschure –

Atal matal tutuleh – wie sieht die Kuh von Hassan aus? –„

Bei diesem  Spiel sitzen die Kinder nebeneinander auf dem Boden und haben die Beine ausgestreckt. Eines von ihnen klopft, während das Lied gesungen wird, bei jeder Silbe der Reihe nach den andern auf die Beine. Das Kind das bei der letzten Silbe an der Reihe ist – muss ein Bein einziehen. Schließlich bleibt am Ende nur noch ein Kind übrig, welches nicht beide Beine eingezogen hat.

 

Bei einigen Volkliedern ist der Text sehr gefühlsbetont.  In der Farsi-Sprache gibt es viele solcher lyrischen Texte. In  Volksliedern kommen Gefühlsbewegungen wie Liebe und Zorn zum Ausdruck.

 

Es sind viele gefühlsbetonte Volkslieder im Iran üblich. Wie zum Beispiel:

 

Dischab keh  Barun umad

Yaram lab-e bum umad

Raftam dastesch bebussam

Nazok bud, o chun amad.

Chunesch tschakideh tu baghtscheh

Ye dast-e Gol dar Umad.

Raftam Golesch betschninam

Parpar schod wa war umad

Raftam paresch begiram

Kaftar schod wa hawa raft

Raftam kaftar begiram, Ahu schod

Wa sahra raft

Raftam Aho begirim, mahi schod wa darja raft

 

 

Gestern abend als es geregnet hat

Kam meine Holde an den Dachrand.

Ich ging um ihre Hand zu küssen

Ihre Hand war zart und blutete.

Das Blut tropfte ins Gartenbeet

Es kam ein Blumenstrauch hervor

Ich wollte die Blüte pflücken :

Da zerfiel sie in Blütenblätter

Ich wollte ein Blütenblatt einfangen

Da ward es eine Taube und stieg in die Luft.

Da wollte ich die Taube fangen, aber sie wurde ein Reh und lief vor die Stadt

Da lief ich um das Reh zu fangen,

aber es wurde ein Fisch und schwamm ins Meer hinaus.

 

 

Weiteres über die Texte von volkstümlichen Melodien erfahren sie  beim nächsten Mal. Jetzt wollen wir die Geschichte von Malek Dschamschid und dem Seepferdfohlen fortsetzen.

 

Sie erinnern sich: Der König hatte für seinen Sohn Malek Dschamschid nach dem Tod seiner Mutter ein  Seepferdfohlen  besorgen lassen.  Aber die Stiefmutter wollte Malek Dschamid aus dem Weg räumen. Jedoch warnte das Seepferdfohlen  den Prinzen vor den heimlichen Plänen der Stiefmutter. Daraufhin stellte sich die Stiefmutter krank und der Quacksilber behauptete, nur Herz und Leber des Seepferdfohlens könnten sie retten. Aber als der Schlächter an den Königshof kam, um das Pferd zu schlachten,  konnte der junge Prinz schließlich im letzten Moment mit seinem geliebten Fabelwesen, dem Seepferd fliehen.  Die beiden erreichten eine andere Stadt.  Das Seepferd sagte, der Prinz solle andere Kleider anziehen und außerdem seiner Mähne drei Haare ausziehen und diese in der Not in Brand stecken, wenn der Prinze seine Hilfe braucht.

Wie nun ging die Geschichte weiter? 

Malek Dschamschid kaufte einem Hirtenjungen  Kleidung ab. Dann versteckte er die Prinzenkleider in der Satteltasche und verabschiedete sich von seinem Seepferd.

Malek Dschamschid betrat die Stadt Er klopfte an eine Gartenpforte, aber niemand öffnete sie. Durch den Türspalt konnte er sehen, dass es ein großer Garten war. Doch niemand war darin zu sehen.  Ein Bächlein floß unter der Mauer hindurch in den Garten hinein. Da nahm Malek Dschamschid einen Stock und wühlte damit den Grund auf so dass das Wasser schlammig wurde. Plötzlich öffnete sich die Gartenpforte und ein alter Mann schaute heraus: „Warum trübst du das Wasser?“   fragte er.  „Dies ist der Garten des Königs und wenn du so etwas tust, riskierst du dein Leben und machst mir Ärger.  Jeden Abend kommen seine Töchter  spazieren. Wenn  sie sehen, dass das Wasser verschmutzt ist, dann kann ich etwas erleben!“

Malek Dschamschid sagte: „Ich bin fremd in dieser Stadt und wusste nicht wem dieser Garten gehört.“

Der Gärtner musterte ihn. Es schien ein guter Junge zu sein . Da schlug er ihm vor sein Gehilfe zu werden, doch stellte er eine Bedingung:

„Die Töchter des Königs kommen jeden Tag in diesen Garten. Sie dürfen dich nicht sehen!“  Wenn herauskommt, dass du in diesem Garten bist, dann geht es uns beiden an den Kragen.“

Malek Dschamschid versprach, vorsichtig zu sein.

Der König dieser Stadt hatte drei Töchter, die waren alle drei sehr schön.Sie kamen nachmittags zum Spazieren in den Garten.  Der Gärtner breitete neben dem Bach einen Teppich auf einer Holzpritsche aus und brachte ihnen etwas zum Essen. Die Mädchen blieben, vergnügten sich bis Sonnenuntergang und kehrten dann in den Palast zurück. Der Gärtner überreichte jedem von ihnen beim Abschied einen frisch gepflückten Blumenstrauß.

Nach ein paar Tagen bat Malek Dschamschid den Gärtner um Erlaubnis,  die Blumensträuße anzufertigen. Aber der Gärtner wehrte ab. Bis ihn Malek Dschamdschi schließlich überredet hatte . Der alte Mann erlaubte ihm einen Blumenstrauß zusamenzustellen, aber nur für das jüngste Mädchen.

Also machte sich Malek Dschamschid ans Werk und band einen wunderschönen Blumenstrauß zusammen. In die Mitte steckte er eine Rose und dann gab er den Blumenstrauß dem Gärtner.  Der Gärtner brachte die drei Sträuße für die  Mädchen und legte sie vor sie hin.  Als die drei den Blumenstrauß der jüngsten Königstochter sahen wunderten sie sich, denn zum ersten Mal hatte ihnen der alte Gärtner einen Blumenstrauß gebracht, der wirklich schön war.  Sie wurden neugierig, woher dieser schöne Strauß kam. Deshalb riefen sie den alten Mann. Der wusste erst nicht was er sagen sollte und sagte, dass sein Gehilfe diesen Strauß zusammengestellt hat.  Die Mädchen hatten gedacht, dass der Gärtner in diesem Garten alleine ist und fragten: „Seit wann hast du einen Gehilfen?“  Der Gärtner sagte, es sei sein Neffe.  Da baten die Mädchen, sein Neffe solle morgen alle drei Blumensträuße anfertigen. Der Gärtner war einverstanden. Er ging lachend zu Malek Dschamschid und sagte, nun musst du jeden Tag drei Blumensträuße zusammenbinden. Malek Dschamschied hatte nichts dagegen.  Es war nun seine tägliche Aufgabe drei Blumensträuße für die Mädchen, die er nie gesehen hatte, anzufertigen.

Die Mädchen freuten sich jeden Tag über die schönen Blumensträuße von Malek Dschamschid. Da dachten sie, es kann nicht sein, dass dieser Gehilfe der Neffe des Gärtners ist. Dieser Gehilfe muss jemand anders sein, denn er hat so einen guten Geschmack.  Als der Gärtner wieder einmal die drei Blumensträuße brachte, sagten die drei Königstöchter: „Du musst den, der diese Sträuße anfertigt, herbringen. Wir wollen ihn sehen!“  Der Gärtner versprach es, aber er kam zitternd zu Malek Dschamschid zurück und erzählte ihm davon. Dann warnte er ihn: Gib gut Acht,  was du zu den Prinzessinnen  sagst!“  

Malek Dschamschid gab sich am nächsten Tag besonders viel Mühe mit den Blumensträußen. Er band sie zusammen, legte sie auf ein Tablett und brachte sie herbei. Als erstes verbeugte er sich und verhielt sich so, wie er es bei den Bediensteten im Palast seines Vaters gesehen hatte. Als er das Tablett mit den Blumensträußen vor die Prinzessinen gestellt hatte, entfernt er sich im Rückwärtsgang und blieb zehn Schritte von ihnen entfernt stehen.

Die Mädchen hatten den Jüngling genau beobachtet und bemerkten, dass es kein Gartengehilfe sein kann. Denn welcher Gehilfe kannte dieses Zeremoniell? Es schien, dass dieser Jüngling von Anfang an in einem Königspalast groß geworden war.

Die Mädchen  hatten dem Gärtner jeden Tag drei Silbermünzen gegeben. Aber an diesem Tag gaben sie Malek Dschamschid drei Münzen aus Gold.

Der nahm die Münzen verbeugte sich und überbrachte sie dem Gärtner.

Es vergingen einige Tage. Da sagte der Gärtner zu Malek Dschamschid: „Heute sind die Königstöchter auf der Jagd und werden nicht kommen.“

Er sagte, dass er selber auf den Bazaar gehen muss. Malek Dschamschid könne dableiben und im Park spazieren gehen.

Dann verabschiedete er sich.

Malek Dschamschid aber hatte Sehnsucht nach seinem Seepferdfohlen. Also zündete er  eines der Haare aus der Pferedemähne an. Da stand das junge Pferd plötzlich vor ihm. Malek Dschamschid legte die Prinzenkleider an, bestieg sein Pferd und ritt durch den Garten.

Zufälig aber hatte die jüngste Königstochter sich erkältet und war nicht mit den Schwestern auf die Jagd gegangen.  Sie stand am Fenster des Palastes und sah von weitem Malek Dschamschid auf dem schönen Pferd sitzen. Da verliebte sie sich auf einen Schlag.

Sie sah  wie  Malek Dschamschid schließlich von seinem Pferd abstieg, die Prinzenkleider wieder abstreifte und in die Satteltasche steckte. Darunter trug er nur die Kleidung eines Schafhirtens. Sie sah auch, wie er der Pferdemähne einige Haare auszog und das Pferd schließlich den Garten verließ.  Da wusste die jüngste Königstochter, dass er in Wirklichkeit ein Prinz war, der sich als Gärtnergehilfe ausgab. Aber sie wusste nicht, warum er das tat. Das Mädchen dachte sich einen Plan aus, wie sie die Frau des Prinzen werden könne.