Aug 04, 2017 12:34 CET
  • So wird gesagt- Teil 50

In der Nähe eines Feldes lebten eine Ameise und eine Grille.

Im Frühling arbeitete die Ameise hart und schleppte Körner in ihren Winterspeicher, aber die Grille vergnügte sich in der Sonne und sang Frühlingslieder und trillerte: „Was für ein schönes Lieben. Ich könnte die ganze Zeit nur singen und spielen. Es ist doch schade bei diesem schönen Wetter zu schuften!“ So lebte sie lustig in den Tag hinein.

Aber die Ameise war fleißig .

Es wurde Erntezeit. Noch immer war die Ameise emsig damit beschäftigt Körner zu sammeln, und die Grille hatte nichts besseres zu tun als herumzulungern und zu zirpen.

Aber als der Herbst kam und es zu regnen begann , wurde sie betrübt. Sie sah, wie die Bäume allmählich kahl wurden und bald gab es kein trockenes Plätzchen mehr unter den Bäumen für sie. Und schließlich traf der Winter ein und es begann zu schneien. Die Grille fand nichts mehr zu essen. Es war bitterkalt und sie war schrecklich hungrig. Die Lust aufs Singen war ihr ganz und gar vergangen.

Aber die Ameise hatte es gut. Sie saß gemütlich in ihrem warmen Haus. Da hörte sie wie jemand an die Haustür klopfte. Sie öffnete die Tür und sah die Grille. Die sagte: „Liebe Ameise. Ich habe Hunger und mir ist schrecklich kalt. Gib mir etwas zu essen und etwas Reisig, damit ich mir ein Feuer anzünden kann.“

Da sagte die Ameise: „Was hast du denn den ganzen Sommer lang gemacht? Du hast nur gesungen und gespielt und mich verspottet. Ich hab dich dauernd gemahnt aber du hast nicht auf mich gehört. Habe ich nicht gesagt: Bereite dich auf den Winter vor? Nun geh und vergnüg dich wieder und leb in den Tag hinein!“

Die Ameise hatte die Grille vor der Tür zu ihrem Haus stehen lassen. Aber sofort überkam sie Mitleid. Schnell öffnete sie wieder die Tür und ließ die Grille ins Haus hinein.

Diese Geschichte stammt aus dem „Buch der 98 Märchen“.

Kuh be kuh nemiresad, Adam be Adam miresad.

An einem Berg gab es zwei Dörfer. Das eine befand sich dicht am Fuße des Berges und nannte sich Pain Kuh (was so viel wie unten am Berg bedeutet) . Das andere Dorf lag höher am Berghang selber und hieß Bala Kuh (oben am Berg). Beim oberen Dorf entsprang eine Quelle, wurde dort zu einem breiten Bach und erreichte auch das Dorf am Fuße des Berges. Die Menschen in beiden Dörfern hatten genug Wasser für ihre Felder und Gärten und zum Trinken.

Eines Tages dachte der Bürgermeister des Dorfes Bala Kuh, wie einfach es doch wäre, billig an die Felder und den Boden des tiefer gelegenen Dorfes zu gelangen. Man bräuchte ihnen nur das Wasser abzuriegeln, dann würden sie das Dorf verlassen müssen. Mit diesem teuflischen Gedanken im Kopf rief er die Leute aus dem Dorf zusammen und sagte: „Das Wasser in diesem Bach stammt aus einer Quelle die zu unserem Dorf gehört. Daher gehört alles Wasser uns. Seit Jahren nutzen die Leute in dem Dorf da unten einfach dieses Wasser und keiner von ihnen hat sich dafür jemals bei uns bedankt. Jetzt reicht es. Wir werden ihnen nicht mehr erlauben, das Wasser aus unserer Quelle zu benutzen.“

Die Leute im Dorf waren auch nicht viel besser als ihr Bürgermeister. Nicht einer von ihnen sagte: Mensch wir haben doch genug Wasser, die anderen können doch auch davon haben.

Jedenfalls machten sich alle im Dorf Balakuh ans Werk und lenkte den Bach um, so dass er nicht mehr ins Tal zu dem zweiten Dorf hinunterfließen konnte.

So kam es, dass die Einwohner in Pain Kuh plötzlich kein Wasser mehr hatten. Da machten sich der Bürgermeister von Pain Kuh zusammen mit einigen anderen auf den Weg zu Balakuh – Das Dorf am Berghang. Der Bürgermeister von Balakuh erklärte ihnen, dass sie ab jetzt kein Wasser mehr erhalten würden. Er ließ sich durch nichts davon abbringen und sagte sogar eingebildet: Wisst ihr was: Balakuh liegt oben am Berg und ist daher wichtiger als Painkuh, welches am Fuß des Berges liegt. Balakuh und Painkuh sind nun mal nicht dasselbe. Es sind wie zwei Berge, die sich nie erreichen. Painkuh ist gegenüber Balakuh nichts wert.“

Der Bürgermeister von Painkuh aber wehrte sich: „Es stimmt nicht was du sagst. Erstens sind beides Dörfer und keine Berge. Es können auch ruhig zwei Berge sein, die sich nicht erreichen. Aber trotzdem: Wir sind doch Menschen und Menschen erreichen einander . Lass uns das Wasser wieder teilen!“

Aber alles Reden nützte nichts.

Die Einwohner von Painkuh gerieten nach drei Tage ohne Wasser allmählich in Not. Langsam bereiteten sie sich darauf vor, ihr Dorf zu verlassen und an einen anderen Ort zu ziehen. Da hatte ihr Bürgermeister eine Idee. Er versammelte die anderen und sagte: „Ohne Wasser könne wir hier nicht leben. Lasst uns gemeinsam einige Brunnen graben. Dann verbinden wir die Brunnen noch durch einen unterirdischen Kanal. Im Berginnern gibt es genug Wasser. Die Quelle im Balakuh entspringt doch auch aus dem Berg!“

Da machten sich alle an die Arbeit, Männer und Frauen und bald darauf hatten sie mehrere Brunnen angelegt und diese mit Kanälen miteinander verbunden und es entstand ein großer Qanat – ein unterirdischer Brunnenkanal. Nun hatten sie sogar noch mehr Wasser als vorher und konnten wieder ein gutes Leben führen.

In Balakuh, dem höhere gelegenen Dorf aber vertrocknete die Quelle und der Bach. Die Einwohner und der Bürgermeister wussten nicht warum bis sie schließlich feststellten, dass alles Quellwasser in den unterirdischen Kanal am Fuß des Berges abfloss . Da schimpften alle mit dem Bürgermeister: „Du bist an unserem Unglück schuld.“

Sie gingen zu den Leuten im anderen Dorf um sich zu entschuldigen . Auch der Bürgermeister von Balakuh war ganz bescheiden geworden und sagte: „Hört! Wegen eurem Qanat ist unsere Quelle versiegt. Habt Mitleid mit uns und lenkt ein wenig von eurem Wasser zu uns hinauf.“ Der Bürgermeister vom Painkuh lachte und sagte: „Wasser fließt doch nicht den Berg hinauf! Wie können wir von hier aus das Wasser zu euch hoch fließen lassen?! hast du gesehen, dass zwei Berge sich nicht erreichen, aber wir Menschen schon?“

An dieser Geschichte wollten wir das Sprichwort erklären: Kuh be Kuh nemiresad, ama Adam be Adam miresad. _ Berge erreichen einander nicht , aber Menschen erreichen einander. Das sagt man um hervorzuheben, dass die Menschen einander brauchen und sich nicht gegenseitig Leid zufügen dürfen.