Aug 04, 2017 12:22 CET

Die heutige Geschichte erzählen wir in Anlehnung an das Mathnawi von Molana (Rumi). Er wollte damit eine wichtige Weisheit ausdrücken.

Der Jagdfalke des Königs hatte sich verirrt und war schließlich in einer Ruine gelandet, in der einige Eulen lebten. Die Eulen hatten Angst vor ihm und dachten: Er will uns von hier vertreiben. Aber sie waren auch neidisch auf ihn. Deshalb keiften sie ihn an: „Mach das du fort kommst, dies ist unser Unterschlupf.“ Der Falke fühlte sich selber auch nicht unter diesen hässlichen Käuzen wohl und rief: „Ich will euch doch nicht diese Ruine wegnehmen. Ich komme aus dem Palast des Königs und werde bestimmt dorthin zurückkehren. Diese Ruine mag für euch etwas darstellen aber mir bedeutet sie gar nichts. Macht euch keine Sorgen.“

Die Eulen sagten: „Ach du willst uns nur betrügen. Du willst uns nur beeindrucken und uns Angst machen, wenn du sagst, dass du aus dem Königspalast kommst. Du bildest dir wohl ein, das der Schah nun sein Heer auf der Suche nach dir ausschickt, wie? Wer dir glaubt, ist naiv! Was hat ein Vogel, der so mager ist wie du, beim König zu suchen?“

Doch der Falke erklärte: „Glaubt nicht, ihr könnt mir etwas antun! Wenn ihr mir nur eine Feder abbrecht, wird mein Besitzer eurer ganzes Reich zerstören. Wie kann sich eine Eule anmaßen, mir eine Feder abzubrechen!? Selbst wenn meine Artgenossen mir so etwas antun wollten würde der König es an tausenden von ihnen vergelten. Er liebt mich sehr! Er wird überall nach mir suchen! Ich fliege für ihn in schwindelerregende Höhen hinauf. Aber was weiß eine Eule schon darüber?“

Die Eulen schwiegen und der Jagdfalke fuhr fort: „Jede Eule wird glücklich werden, die über meinen Flug nachdenkt und das Geheimnis meines Glücks und meines Ranges erkennt“ Wenn ihr nur wüsstet, dass jeder, der Freund des Königs wird, überall zu Hause und nirgends fremd sein wird! Jemand, dem der König hilft und den er beachtet, wird niemals schwach sein, so mager er auch aussehen mag.

Ihr habt recht: Ich selber bin kein König! Ich bin eine Jagdvogel, den der König liebt. Er ist es, der Rang besitzt, nicht ich. Aber weil er mich liebt erfahre ich seine Gunst und fällt Licht von seiner Pracht auch auf mich. Dank seiner Huld werde auch ich geschätzt. Ihr könnt selber auch einen solchen Rang erreichen. Es hängt davon ab wie sehr ihr euch anstrengt.!

Mit diesem Metapher möchte uns Molana (Rumi) sagen, dass auch die Eulen, wenn sie dem König aufrichtig dienen, wie der Jagdfalke vom König geliebt und geschätzt werden. Der König symbolisiert in dieser Geschichte den König aller Welten, nämlich Gott. Eulen können zu Falken, und Falken zu Königsfalken werden werden, wenn sie die Gunst Gottes erhalten und ihm dienen. Jede Angelegenheit hat ihre Ursache: Erfolge und Misserfolge, Ansehen und Verruf. Die Welt gehorcht einer Ordnung und Regeln. Diejenigen können sich freuen, die auf dem richtigen Weg wandeln und sich nach der Daseinsordnung richten, und wehe denen die sich nicht den Schöpfungsregeln Gottes unterwerfen und versuchen die Daseinsordnung auf den Kopf zu stellen

Der wichtigste Weg ist der Weg der Liebe und der Dienstbarkeit.

Das Sprichwort dieser Woche lautet Panbeh Dozd, Dast be Rischesch mikeschad.

An folgender Geschichte soll es veranschaulicht werden.

Vor langer Zeit lebte ein Baumwollhändler. Er kaufte den Bauern die Baumwolle ab und stapelte sie in einem großen Lagerraum. Dort teilte er sie in Ballen auf und brachte sie dann auf den Markt. Sein Geschäft lief blendend und er wurde reich; so reich, dass einige andere Händler auf ihn neidisch wurden. Einer von seinen Neidern entschloss sich , die Baumwolle zu stehlen- In einer Nacht schlich er sich zu dem Baumwollspeicher und brachte nacheinander alle Baumwolle in den Keller seines Hauses.

Am Morgen ereilte den Baumwollhändler die Nachricht, dass jemand sein ganzes Lager ausgeräumt hatte. Der Händler lief eilig und wehklagend zum Kadi und bat ihn um Hilfe.Der Kadi beschwichtigte ihn Er schickte seine Leute auf den Markt. Diese kehrten nach einigen Stunden wieder zurück. Aber sie hatten weder den Dieb noch die Baumwolle gefunden. Der Kadi sagte ärgerlich: „Wie kann das sein! Ihr seid Stunden lang unterwegs gewesen und habt noch nicht mal einen Verdächtigen gefunden?“

Einer seiner Leute sagte: „Wir haben alle möglichen Leute gefragt. Einige haben allerdings auch keine rechte Antwort gegeben. Vielleicht könnte man sie als verdächtig bezeichnen. Aber wir hatten keine Beweise gegen sie in der Hand!“

„Wer waren diese Leute“, fragte der Kadi?

Seine Beamten sagten: „Alle möglichen Leute, vom Barbier bis zu reichen Händlern!“

Der Kadi überlegte hin und her und sagte dann: „Bringt sie alle zu mir! Vielleicht kommen wir doch noch dem Dieb auf die Spur!“

Die Beamten des Kadis gingen und brachten alle Verdächtigen herbei. Der Kadi fragte den Baumwollhändler: „Wer von diesen könnte in deinen Augen der Dieb sein?“

Der Baumwollhändler sagte :

„Eigentlich keiner. Und schon gar nicht der arme Barbier. Und diese Händler hier sind doch alles anständige Leute. Die drei anderen kenne ich sowieso nicht.“ 

Nun wusste der Kadi noch weniger als zuvor. Er stellte jedem der Herbeigeführten eine Frage. Beinahe hätte er alle wieder frei gelassen, als ihm eine gute Idee kam. Er sagte: „Jetzt weiß ich, wer die Baumwolle gestohlen hat! Dieser Dieb hat es so eilig gehabt, dass er noch nicht einmal Gelegenheit fand in den Spiegel zu gucken und die Baumwolle in seinem Bart zu entfernen. Derjenige ist der Dieb, an dessen Bart Baumwolle klebt.“

Da sah der Kadi wie einer der Händler sich über den Bart strich. Er lachte und fragte ihn: „Warum streichst du dir über den Bart ?“ Da begann der Händler zu stottern und redete verwirrt: „Ich bin ein ehrenwerter Händler! Meinst du etwa, dass ich der Dieb bin?“

Der Kadi ließ nicht locker: „Ich frage mich warum du unter all diesen Leuten als einziger dir über den Bart gestrichen hast, obwohl gar keine Baumwolle an deinem Bart klebt. Nun gut! Du willst mir nicht die Wahrheit sagen und dich zu dem Diebstahl bekennen, also schicke ich meine Leute, damit sie dein Haus untersuchen!“

Nach einer Stunde kehrten die Beamten des Kadis zurück. Sie hatten die gestohlene Baumwolle in dem Keller des Händlers entdeckt. Der Händler musste ins Gefängnis und die Baumwolle wurde ihrem Besitzer zurückgegeben.

Das Sprichwort „Panbeh Dozd Dast be Rischesch mikeschad“ bedeutet übersetzt: „Der Baumwolldieb streicht sich über den Bart“ und das sagt man, wenn ein schuldiger Mensch sich selber irgendwie verrät.