Oct 17, 2017 07:52 CET

Viele haben ein gutes Leben, aber sie kommen nicht zur Ruhe, weil sie raffgierig sind. Ihre Unbescheidenheit bereitet ihnen Pein.

Im Leben bringt der Mensch viele verschiedene Gefühle in Erfahrung und sieht sich unterschiedlichen Eigenschaften im eigenen Wesen gegenüber. Wenn er diese Gefühle und Attribute richtig verwaltet, wird er sein Leben auf privater und auf soziale Ebene gesünder gestalten können. Eine Kunst, die es sich lohnt zu erwerben, ist die Fertigkeit, die guten Eigenschaften in uns zu vermehren und zu stärken und die negativen Eigenschaften, die uns nichts nutzen, zu reduzieren. Aber für die meisten ist es schwierig, negative Eigenschaften unter Kontrolle zu bringen, obwohl sich erst recht grundlegende  Probleme einstellen, falls diese Eigenschaften wachsen. Eine von diesen negativen Eigenschaften ist die Besitzgier.

In der Ethik wird die Besitzgier damit definiert, dass der Mensch etwas anhäufen will, was er nicht braucht und sich nicht mit einer bestimmten Menge zufrieden gibt. 

                                       

Besitzgier

Viele haben ein gutes Leben, aber sie kommen nicht zur Ruhe, weil sie raffgierig sind. Ihre Unbescheidenheit bereitet ihnen ständige Pein. Die Unersättlichkeit  verdirbt ihnen die Freude, an dem was sie haben.  Sie streben vergeblich nach Dingen, an die sie möglicherweise niemals gelangen können, während sie das, was sie besitzen, nicht richtig  nutzen. Der habgierige Mensch führt daher kein würdiges Leben.

                   

Der Koran verwendet das Wort Haluan` zur Umschreibung des menschlichen Begehrens. Die Veranlagung,  etwas zu begehren,  liegt gemäß Sure 70, Vers 19  im Wesen des Menschen. Laut dem Koran  ist das Begehren in sich nichts Schlechtes in der Ur-Seele des Menschen, denn es ist auf erster Stufe ein Impuls zum Streben nach  Vervollkommnung und  gibt dem Menschen Auftrieb, sich anzustrengen und ständig nach höheren Stufen der Vollendung zu verlangen.  Wenn diese Eigenschaft für den Erwerb von  Wissen aktiviert wird, so dass der Mensch wissbegierig wird und das Wissen liebt, wird er darin einen nützlichen Antrieb  zur Vervollkommnung vorfinden. Setzt der Mensch allerdings sein Begehren  für materialistische Ziele, Besitzanhäufung  und das Böse ein, dann hat dies schlechte Folgen für ihn.  Die Eigenschaft des Begehrens ist wie die Energie, die Gott dem Atom mitgegeben hat. Wenn die Atomkraft für industrielle und wirtschaftliche und medizinische Zwecke in den Dienst des Menschen gestellt wird, hat sie sicherlich Nutzen, aber wenn sie für den Bau von verheerenden Bomben verwendet wird,  bewirkt sie großes Unheil und bringt die Sicherheit der ganzen Welt in Gefahr.  Begehren ist also dann zu tadeln, wenn damit rein materialistische Ziele verfolgt werden. Dann ruft diese Eigenschaft auch weitere schlechte Eigenschaften hervor wie Geiz und Ähnliches.

                    

Gott hat in der Sure Aadiyaat (  Sure 100 ) im Vers 8 über den Menschen gesagt 

 وَإِنَّهُ لِحُبِّ الْخَیْرِ لَشَدِیدٌ

"Und er liebt die irdischen Güter zu sehr."

Der Mensch hat heftiges Verlangen nach Besitz. Wenn dieses Verlangen sich zu sehr ausdehnt, dann schlägt es in Gier über, wird zu einer schlechten Eigenschaft und äußert sich in verwerflichem Verhalten. Natürlich liegt noch keine Raffgier vor, wenn jemand an Besitz gelangen   und einen guten Lebensstandard erreichen will. Dies ist im Gegenteil sogar lobenswert.  Aber manchmal  schaffen Gesellschaft,  Wirtschaft und  Kultur  den Nährboden für die zu verurteilende Habgier. 

 

 

Die iranische Psychologin Dr.  Hakimeh Aghai  ist der Überzeugung,  dass die Rolle des sozialen Umfeldes  und der Erziehung  ein viel größere Rolle bei der Hervorrufung von Gier spielt als die genetische Veranlagung. Sie sagt:  "Manchmal spüren wir, wie  sich in der Gesellschaft die Spuren von Habgier immer deutlicher abzeichnen und wir sehen dass einige Teile der Bevölkerung scheinbar unersättlich sind und trotz all dem was sie  besitzen,  sich nicht freuen können. Wir scheinen in eine Epoche geraten zu sein, in der wir anstatt uns gegenseitig Liebe zu erweisen, uns mit Gegenständen beschäftigen. Da diese Freuden jedoch schnell vergehen , können wir sie nicht laufend genießen und daher empfinden wir innerlich Unruhe."

Die Liebe zu materiellen Dingen hat auch zur Folge, dass wir befürchten sie zu verlieren, und schon alleine diese Befürchtung führt zu weiteren Problemen. Zum Beispiel kann die zeitweilige Angst vor Inflation und Verteuerung dazu führen, dass einige, in der Hoffnung auf Verteuerung, Lebensmittel aus dem Verkehr ziehen. 

Ein solches Hamstern schadet der Sicherheit in der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Natur. Der Heilige Koran weist daher in der Heiligen Sure 74 ( Mudathir) darauf hin, dass solche Leute trotz aller materiellen Segensgaben, die sie besitzen, nicht satt werden und immer nach mehr verlangen , weswegen sie die Grenzen,  die Gott festgelegt hat, überschreiten und die Rechte der anderen verletzen.  Sie sind sogar bereit das Erbe und den Besitz von Waisen an sich zu reißen und sie haben kein Mitleid mit den Notleidenden und Bedürftigen.

 

Gemäß dem Koran geht eine solche Art und Weise darauf zurück, dass der Mensch es eilig hat und bevor er das was er besitzt, genießt, bereits nach dem nächsten Genüssen Ausschau hält, selbst wenn die anderen ihn dafür verspotten.  Der habgierige Mensch schließt im Leben die Augen vor dem Jenseits und will das Diesseits genießen und alles an sich raffen. Er hält sich sogar für besser als die anderen, kritisiert diese und ist davon überzeugt, dass er alleine Bescheid weiß und klug ist  und die anderen, die nicht nach Anhäufung von Reichtum streben und nicht geizig sind, naiv und verblendet seien.   Daher macht er sich auch über diejenigen lustig, die den Bedürftigen spenden. Er selber macht keine Spenden und  versucht zudem,  die anderen vom Spenden abzubringen. Auf dieser Weise missachtet er die vitalen göttlichen Gebote.

                         

Der Koran schlägt Wege vor, damit sich der Mensch von Habgier und Maßlosigkeit freimacht.  Die wichtigsten Mittel zur Verhinderung von Habgier sind gemäß dem Koran der Glaube und der Gedanke, dass Gott der Herr und Versorger ist. Jemand, der an Gott den Allmächtigen glaubt und der es als das wichtigste im Leben betrachtet, Gottes Zufriedenheit zu erlangen, kommt gar nicht erst auf den Gedanken Reichtum anzuhäufen. Er weiß, dass Gott der Allmächtige und Allweise es ist, der ihn versorgt. Daher hofft er auf die Versorgung  Gottes, natürlich nicht ohne sich selber anzustrengen. Das Spenden und die Großzügigkeit, der Glaube an die Auferstehung und das Jenseits,  das rituelle Gebet, die Liebe zu Recht und Gerechtigkeit und die Treue zu Versprechen und Abmachungen sind weitere Faktoren, die verhindern dass der Mensch habgierig wird bzw. sich von der Habgier befreit. 

 

Tags