Islam richtig kennenlernen (129 - erster Nachfolger des Propheten)
In diesem Teil betrachten wir, wie sich Imam Ali (F) verhielt, als ihm das Amt des Nachfolgers des Propheten vorenthalten wurde.
Ab dieser Folge werden wir uns mit dem Verhalten der Ahl-e Bait - dem Hause des Propheten nach dessen Verscheiden beschäftigen, und zwar handelt es sich um einen Zeitraum von circa 250 Jahren, angefangen beim 11. Jahr bis zum Jahre 260 nach der Hidschra und dem Mondkalender, d.h. bis zum Beginn der Verborgenheit des Letzten der Imame aus dem Hause des Propheten (Gottes Segen sei auf ihm und Friede seinem Hause) Diese Ära weist äußerlich Unterschiede auf, ist aber insgesamt die Ära einer kontinuierlichen Bewegung in Richtung desselben Ziels.
Auch wenn zu den verschiedenen Zeitpunkten die Edlen Imame Maßnahmen und Methoden ergriffen, die scheinbar voneinander verschieden waren, so haben sie jedoch alle in dieser Zeit ein gemeinsames Ziel verfolgt. Es ist als ob angenommen ein Mensch 250 Jahre lang gelebt hat und viele Höhen und Tiefen hinter sich gebracht hat. Manchmal hat er sich langsam und manchmal schnell bewegt. Manchmal musste er anscheinend einen Schritt zurück machen und manchmal konnte er Schritte nach vorne tun. Aber auch wenn er entsprechend der Umstände andere Strategien einsetzte, so strebte er immer dasselbe Ziel an.
Die Bemühungen der Edlen Imame in dieser langen Zeit konzentrierten sich darauf, den wahren Islam zu erklären und vor Verfälschung und Zerstörung zu schützen. Außerdem haben sie die Angelegenheit ihres Imamats hervorgehoben, denn bei einer Führung durch einen Imam und gerechten Vorsteher , der von Gott und dem Propheten ernannt worden ist, werden viele Hindernisse und Probleme für die Menschen beseitigt und der Weg der Islamischen Gemeinde zum Seelenheil wird geglättet.
Doch nach dieser Einleitung sollten wir konkret uns der Zeit nach dem Verscheiden des geehrten Propheten des Islams (S) zuwenden, d.h. der Zeit in der das Imamat Imam Alis (Friede sei mit ihm) begann.
Imam Ali (F) war nach dem Propheten der würdigste von allen zur Verwaltung der Angelegenheiten der Islamischen Gemeinde. Keiner im Islamischen Reich konnte sich bezüglich Tugend, Gottesehrfurcht, Wissen, Kenntnis des Korans und der islamischen Rechtsprechung und Gebote sowie des Kampfes auf dem Wege Gottes und der anderen hohen menschlichen Eigenschaften mit Ali (F) messen. Wegen dieser Eignung ist Ali mehrmals auf Anweisung Gottes vom Propheten des Islams als der zukünftige Vorsteher der Muslime vorgestellt worden. Wir haben auf einige Beispiele hingewiesen, wie das Ereignis von Ghadir-e Khum, wo der Prophet Imam Ali für das Amt seines Nachfolgers vorgestellt hat. Das Imamat ist ein sehr hohes Amt und der Imam kann nur von Gott vorgestellt werden. Im Vers 124 der Sure Baqara (Sure 2) heißt es:
„Und (gedenkt,) als Ibrāhīm von seinem Herrn mit Worten geprüft wurde, da befolgte er sie. Er (Allah) sagte: „Ich will dich zu einem Imam und Anführer für die Menschen machen.“

Wie in dem erwähnten Vers betont wird, ist Abraham zum Imam ernannt worden, nachdem er schwere Prüfungen bestanden hatte und ist von Gott zum Imam bestimmt worden. Aus vielen Gründen war zu erwarten, dass Ali nach dem Verscheiden des Propheten die Angelegenheiten der Muslime in die Hand nimmt. Aber leider nahmen die Ereignisse einen anderen Verlauf. An einem Ort namens Saqifa Bani Sada in Medina stritt man sich um die Nachfolge des Propheten und ohne die Empfehlungen des Propheten zu beachten , ließ man Ali (F) links liegen und entschied sich für einen anderen Nachfolger .
Nachdem Abu Bakr die Macht übernommen und die Bevölkerung ihm den Treueeid geschworen hatte, hat Ali (F) sich intensiv dafür eingesetzt über die Wahrheit aufzuklären, nämlich dass er gemäß der Letzten Empfehlung des Propheten, dessen rechtmäßiger Nachfolger ist. Er stützte sich dabei auf klare Beweise. Aber das herrschende System wollte den Status quo beibehalten. Ali (F) stand an einer schicksalhaften Weggabelung. Entweder musste er sich mit Hilfe seiner Freunde und Familie erheben und durch einen Aufstand an die Regierung gelangen, oder die bestehende unrechtmäßige Situation ertragen und so gut es möglich war, die Probleme der Gesellschaft lösen helfen und seine sozialen und persönlichen Pflichten erfüllen.
Die großen religiösen Anführer haben immer höhere Ziele vor Augen. In kritischen Situationen verzichten sie auf ihr eigenes Recht, um den Islam Mohammads zu schützen. Sie opfern ihre eigenen Vorteile für das Wohl des Islams und der Muslime. Daher hat Ali (F) die Wahrung der edlen Lehre des Islams über die Aneignung der Macht gestellt. Ali (F) hat die Situation und die Bedingungen der islamischen Umma eingeschätzt. Er hat erkannt: Wenn er darauf bestanden hätte, die Regierung in die Hand zu nehmen, wären wahrscheinlich alle Mühen, die der Prophet des Islams sich gegeben hatte, und alle Opfer die zur Stärkung des jungen Baumes des Islams erbracht worden waren, vergeblich geworden.
Wenn der Imam mit der Waffe versucht hätte, an das Kalifat zu gelangen, wäre es zu Krieg gekommen. Viele Menschen hätten ihr Leben verloren und die Macht der Muslime hätte nachgelassen. Daher zog Ali friedfertige Wege vor.
Imam Ali (F) hat Jahre später, als er sich zur Konfrontation mit den Vertragsbrüchigen wie Talha und Zubair auf den Weg nach Basra machte, in einer Rede gesagt:
„Als der Prophet Gottes verstarb, haben die Qureisch eigenmächtig sich selber gegenüber mir den Vorzug gegeben und haben mich von meinem Recht abgehalten. Aber ich habe gesehen, dass Geduld und Ausdauer besser ist als Zwietracht zwischen den Muslimen und das Vergießen ihres Blutes. Denn die Menschen hatten sich gerade erst zum Islam bekannt und die Religion ist wie ein Beutel voller schäumender Milch, welche beim geringsten Fehler und Verzögerung verdirbt und die der Kleinste umkippen kann."

In jenem Abschnitt der Geschichte gab es viele Gruppen und Volksstämme, die erst in den letzten Jahren vor dem Tod des Propheten Muslim geworden waren. Sie waren noch gar nicht so vertraut mit der Religion und ihr Glaube war noch nicht richtig verinnerlicht. So kam es, dass - nachdem sie vom Tod des Propheten erfuhren - teilweise wieder zum Götzendienst zurückkehrten, nicht mehr ihre Abgaben zahlten und sogar die Islamische Regierung bekämpften. Einige von ihnen drohten sogar mit einem Angriff auf das islamische Regierungszentrum Medina. Das erste was daher die neue Regierung tat, war, dass sie eine Gruppe von Muslimen mobilisierte, um die Rebellen zu bekämpfen, damit das Feuer der Zwietracht gelöscht wird. Da einige sich vom Islam abgewandt hatten und der islamische Regierung drohten, war die Situation nicht dafür geeignet, dass Ali (F) einen Aufstand verübt. In einem Schreiben an die Bevölkerung von Ägypten hat er auf diesen Punkt hingewiesen. Dort heißt es:
„Bei Gott! Ich hätte niemals gedacht , dass die Araber nach dem Propheten seiner Ahl-i Bait das Imamat und die Führung wegnehmen werden und das Kalifat von mir fernhalten! ... Ich habe (als dies jedoch geschah) mich zurückgehalten bis ich mit eigenen Augen sah, dass eine Gruppe sich vom Islam abgekehrt hat und die Religion Mohammads (S) vernichten will. Ich befürchtete, dass wenn ich dem Islam und seinen Anhängern nicht helfe, Zeuge der Vernichtung und der Spaltung im Islam sein werde, und dieses Übel war für mich schlimmer als die Vorenthaltung des Kalifats und der Regierung über euch. Denn es ist Nutznießung der kurzen Zeit auf der Welt und diese geht zu Ende, und löst sich wie eine Fata Morgana oder wie Wolken auf. Dann habe ich mich (zur Unterstützung des Islams und der Muslime) erhoben damit das Unrecht vernichtet wird und die Religion bestehen bleibt und gefestigt wird."
Nicht nur von den Abtrünnigen ging eine Gefahr aus, sondern auch von falschem Propheten wie Musailimah al Kazhab. Diese falschen Propheten versammelten Anhänger um sich, aber die Muslime konnten solche Verschwörungen vereiteln, weil sie sich vereinten. Die Muslimen befürchteten auch einen eventuellen Angriff des Römischen Reiches. Sie hatten bis dahin mehrere Gefechte mit den Römern geführt. Die Römer, welche eine Gefahr von den islamischen Gebieten für sich ausgehen sahen, warteten nur auf einen Zusammenbruch der Islamischen Regierung in Medina. Hätte Ali (F)in dieser Situation einen bewaffneten Aufstand gegen den Kalifen verübt , wäre die Front der Islamische Ummah geschwächt worden und das wäre für die externen Feinde, darunter die damaligen Weltmächte, nämlich die Römer und die Perser, die beste Gelegenheit gewesen, anzugreifen.
Angesichts der damaligen Umstände wird deutlich, warum Ali sich nach dem Verscheiden des Propehten (S) beherrschte und darauf verzichtete, um die Regierung zu kämpfen. Der Imam hat den berechtigten Anspruch auf das Kalifat geopfert, um den Islam zu erhalten und auf diese Weise klug die Islamische Gesellschaft vor großen Schäden bewahrt. Ali (F) hat, um den Zusammenhalt in der Islamischen Gemeinde zu bewahren und um die Vernichtung des Islams zu verhüten, geschwiegen und in dieser Form bewiesen, dass er der größte Herold der Islamischen Einheit ist. Trotzdem hat er hervorgehoben, dass ihm vor allen anderen das Recht auf die Regierung gebührt. Ali (F) hätte, wenn er nicht die schlimmen Folgen eines Zwiespaltes befürchtet hätte, bestimmt nicht zugelassen dass die Führung der Muslime aus der Hand des Prophetenhauses und der wahren Nachfolger des Propheten Gottes gerät.
Die Zeit des weisen und geduldigen Schweigens Imam Ali (F) hat insgesamt 25 Jahre gedauert. Wir werden im nächsten Teil mehr darüber berichten.