Jun 04, 2018 21:28 CET
  • Islam richtig kennenlernen (133)

Aus der Sicht Alis (F)  ist es die Gerechtigkeit, welche  den Erhalt des sozialen Gleichgewichtes gewährleistet, alle zufrieden stellt und eine heile und sichere Gesellschaft herstellen kann. Das Unrecht kann selbst den, der es begeht, nicht  zufriedenstellen, geschweige denn diejenigen die Unrecht erfahren.  Gerechtigkeit ist wie eine große breite Bahn, auf der alle weiterkommen können, während Ungerechtigkeit selbst den Unterdrücker in eine Sackgasse führt.

Wir setzen das Thema Statthalterschaft Imam Alis (Friede sei mit ihm) fort. Es ist nicht einfach über eine so große Persönlichkeit wie Imam Ali zu sprechen. Er ist ein glänzendes Vorbild für Ehrlichkeit, Reinheit und Gerechtigkeit.  Er hat sein Leben dem Schutz des Islams gewidmet und sein Leben dafür eingesetzt. Wie gesagt, war die Gerechtigkeit Imam Alis das bedeutendste Merkmal seiner Regierung. 

Seine Meinung über die Gerechtigkeit und über die Wege zur Herstellung von Gerechtigkeit in der Gesellschaft ist einmaliges unvergängliches Modell für jede Gesellschaft.

Für Imam Ali ist die Gerechtigkeit ein wichtiges Element, welches  in der Gesellschaft Ruhe und allgemeine Zufriedenheit herstellt, während Ungerechtigkeit  noch nicht einmal demjenigen ein ruhiges Leben beschert, der sie begeht und erst recht nicht den Entrechteten. Gerechtigkeit ist wie eine große breite Bahn, auf der alle weiterkommen können, während Ungerechtigkeit selbst den Unterdrücker in eine Sackgasse führt.

                     

Ali (F) und die Gerechtigkeit

 

In den Ansprachen und Briefen und Weisheiten Imam Alis steht viel über die Gerechtigkeit und ihre Bedeutung. Warum besteht Imam Ali in diesem Umfange auf dem Prinzip der Gerechtigkeit? Zur Beantwortung dieser Frage sollten wir uns die Lage der Islamischen Gesellschaft im  Jahre 35 nach der Hidschra, als Imam Ali der Regent über das Islamische Reich wurde, vor Augen führen. Zu Lebzeiten des Propheten  war  der Allgemeinbesitz der Muslime noch nicht so groß und alles wurde zu gleichen Teilen auf alle aufgeteilt. Aber nach seinem Versterben, änderte sich einiges.  In alle Richtungen war das Islamische Reich ausgedehnt worden.  Als Ali (Friede sei ihm) zu regieren begann, reichte es von Zentralasien bis nach Nordafrika und die Gemeinwohlkasse füllte sich mit dem Einkommen aus diesem großen Gebiet. Aber bevor Ali die Verwaltung übernahm war das Staatseinkommen von einigen Leuten aus fadenscheinigen Gründen wie ethnische Abstammung und Stammeszugehörigkeit oder frühem Bekenntnis zum Islam ungleich verteilt worden und einige hatten sich bereichert.  Die negativen Folgen dieser benachteiligenden Politik waren zu Beginn der Regierung des zweiten Kalifen noch nicht so deutlich an den Tag getreten, aber mit der Zeit machten sie sich immer mehr bemerkbar.  Anstelle der Gottesfürchtigkeit, die zu Lebzeiten des Propheten als Kriterium für die Vorzüglichkeit eines Menschen gegolten hatte, waren die Anhäufung von Reichtum und andere materiell ausgerichteten Werte getreten. Außerdem war wieder der ethnisch begründete Konkurrenzkampf, der eine Zeitlang dank der Islamischen Gleichstellung geruht hatte, aufgeflammt.

Das Verscheiden des Propheten (Gottes Segen sei auf ihm und Friede seinem Hause) lag 25 Jahre zurück und die Allgemeinheit  war nicht mehr richtig über die Sunna (Vorgehensweise) des Propheten Gottes und die hohen Werte des Islams informiert.  Einige der ehemaligen Wegbegleiter des Propheten (S) erwarteten einen größeren Anteil aus der Gemeinwohlkasse ( Bait-ul Mal) für ihren Lebensabend, was jedoch gegen das Prinzip der Gerechtigkeit verstieß.  Jedenfalls übernahm Ali die Aufgabe der Führung in einer solchen Situation und Ali wollte die  Gesellschaft, in der die Gerechtigkeit und die hohen moralischen Tugenden verblasst waren, wieder ins rechte Lot bringen.

In den Augen Imam Alis (F)  bildet die  vollständige Gleichbehandlung der Mitglieder der Gesellschaft die Basis der sozialen Gerechtigkeit und daher lehnte er jegliche Benachteiligung und Ungerechtigkeit bei der Aufteilung der Gemeinwohlkasse ab. Vielmehr verteilte er das Allgemeineigentums an alle zu gleichen Teilen.

Ruhestätte Imam Ali(s) in Nadschaf

 

Als Imam Ali die Macht übernahm, hat er sofort mit Hinweis auf Allgemeingüter, die einige an sich gerissen hatten, angekündigt, dass er   diese wieder in die Gemeinwohlkasse zurückholen wird. Er erklärte:

 

„Bei Gott! Wenn ich jemanden finde, der mit unrechtmäßig angeeigneten Gütern aus der Gemeinwohlkasse geheiratet hat oder Sklavinnen damit gekauft hat, werde ich diese Güter wieder (in die  Gemeinwohlkasse) zurückholen, denn die Gerechtigkeit hilft weiter, und für jemanden,  dem die Gerechtigkeit viel bedeutet, ist es noch schwerer Ungerechtigkeit zu ertragen.“

Er sagte anschließend in Bezug auf seine Pläne für die Herstellung gerechter wirtschaftlicher Verhältnisse: 

„Einige von euch sind im Sumpf der Weltlichkeit versunken. Sie  haben Grundstücke beschlagnahmt und Flüsse gespalten  und schnelle Pferde bestiegen und schöne grazile Sklavinnen ausgewählt.  Wenn ich verhindere, dass sie etwas an sich reißen und sie dazu zwinge, dass sie ihre Pflichten anerkennen, sollten sie nicht protestieren und sagen: (Ali) der Sohn Abi Talibs hat uns unsere Rechte verwehrt. …Jeder von  den Muhadscherin und Ansar (den Auswanderern aus Mekka und den Helfern in Medina) der das Gefühl hat, dass er einen Vorzug gegenüber den anderen genießt , weil er zu den Gefährten des Propheten gehört hat,  soll wissen, dass dieser himmlische Vorzug  nicht bedeutet, dass ihnen mehr als den anderen aus dem  Bait-ul Mal zusteht. Ihr seid alle Diener Gottes und das Bait-ul- Mal die Gemeinwohlkasse -  ist Gottes Eigentum, und wird unter euch (allen) gleichmäßig aufgeteilt und bei keinem wird ein Unterschied im Vergleich zu den anderen gemacht.“

 

Ali (F) übertrug die Verwaltung des Bait-ul Mals an zwei seiner engen Helfer. Er erklärte ihnen in einem Schreiben, dass alle im  Islamischen Reich  , ungeachtet ihrer Herkunft  gleichgestellt sind. Sahl Ibn Hanif brachte einen afrikanischen Sklaven zum Imam und frage ihn: „Wie viel soll ich ihm aus dem Bait-ul Mal geben?“ Da sagte Ali zu Sahl:  „Wie viel hast du selber erhalten?“ Er antwortete: „Wie die anderen drei Dinare.“ Der Imam sagte ihm, dass er dem Sklaven genauso viel geben soll wie seinem Herrn, nämlich drei Dinare.

Imam Ali (F) war fest entschlossen Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten zu beseitigen, und das gefiel natürlich jenen nicht, die raffgierig geworden waren.  Einige Leute, die sich vorher großzügig und unrechtmäßig  aus  der Gemeinwohlkasse bedient hatten, regten sich über Ali und seine gerechte Verteilung des Bait-ul Mals auf und wurden seine Feinde. Die meisten von ihnen waren einflussreiche Leute.

Der irakische Gelehrte Ibn Abi Al Hadid (13. Jahrhundert n. Christus)  schreibt dazu:  „Dies hat als Erstes die Besorgnis und Ablehnung unter den Vornehmen gegenüber Hadhrat-i Ali hervorgerufen.  Sie konnten es nicht ertragen, mit den Armen in einer Reihe zu stehen.  Jedem der Muhadscherin wurden drei Dinare gegeben und dann auch jedem der Ansar  und in der nächsten Phase wurden auch jedem im Volke drei Dinare gegeben. Außerdem wurde befohlen, dass alle Güter die sich aus der Gemeinwohlkasse (Bait-ul Mal) im Haus von Uthman (dem vorherigen Kalifen) befand und alle Pferde und Kamelstiere, die er aus dem Allgemeineigentum für sich bestimmt hatte, in das Bait-Ul Mail zurückgeholt werden.  Diese Maßnahme Alis erschütterte das Leben der Unrechttuenden so sehr, dass der ehemalige Prophetengefährte  Amri ibn As  dem Muawiya (der mit Ali verfeindet war)  schrieb: `Führe durch was du vor hast, denn ansonsten wird der Sohn des Abi Talib (Imam Ali) dich so häuten, wie man die Rinde an einem Spazierstock abschält?` “

Für Ali war die Gerechtigkeit ein  Grundsatz für alle Bereiche: Wirtschaft und Gesellschaft und Politik. Es war für ihn nicht nur ein moralisches Prinzip, sondern die Gerechtigkeit war für ihn eines der wichtigsten Ziele der Regierungsbildung.  Für ihn war die Regierung ein Mittel zur Herstellung von Gerechtigkeit. Das Regieren war für ihn kein Ziel, dem die Prinzipien  geopfert werden durften. Es war kein Mittel für Maßlosigkeit, Willkür und Bereicherung.

Imam Alis Gesamtpolitik lief darauf hinaus, die Armut zu beseitigen, für allgemeines Wohl zu sorgen und zu verhindern, dass sich das Kapital bei den Reichen und Einflussreichen Personen  anhäuft. Er wollte ein gerechtes Wirtschaftssystem aufbauen. Imam Ali  sah in der Ungerechtigkeit und Diskriminierung  die Ursache für das Aufbegehren der unterdrückten Volksmasse und für den Sturz von Regierungen und schließlich auch als  Grund für die göttliche Bestrafung.    Deshalb warnte er seine Regierungsbeauftragten davor, ungerecht zu sein.  Er sagte zu einem seiner Gouverneure: „Hüte dich vor Ungerechtigkeit, denn zweifelsohne bringt Unterdrückung die Menschen dazu, dass sie revoltieren und den Säbel zücken.  Ungerechtigkeit bringt die Menschen dazu zu flüchten und macht sie obdachlos. Sie beschleunigt die göttliche Vergeltung und Strafe.“ 

Ali (Friede) sagte, dass nichts so  sehr eine Regierung festigt wie die Gerechtigkeit. Er verglich die Gerechtigkeit mit einem festen Schild, und war der Meinung dass ihre Beachtung jede politische Ordnung  erstarken lässt.  Die bedeutendste Wirkung der Gerechtigkeit besteht in der Tat darin, die Angelegenheiten der Gesellschaft in Ordnung zu bringen.

 

Hörenswert ist auch folgende Begebenheit aus dem Leben Imam Alis. Einmal sah er auf der Straße  einen blinden Bettler und fragte wer dieser Mann sei. Ihm wurde  gesagt, dass es ein Christ ist,  der als junger Mann für die Regierung gearbeitet habe. Da wurde der Imam sehr traurig und sagte: „Ihr habt ihn arbeiten lassen als er jung war und nun wo er alt und schwach ist, verwehrt ihr ihm sein Recht?!“ Dann ordnete er an, dass diesem Mann aus der Gemeinwohlkasse  Unterhalt zu zahlen sei. Dieses Vorgehen zeigt, wie ernst es Imam Ali mit dem Rechten der Mitglieder der Gesellschaft meinte.