Apr 11, 2019 11:13 CET
  • Islam richtig kennenlernen  (175  - Fiqh) 

Wir widmen uns nun dem Thema, wer in der Zeit der Verborgenheit des Imam Mahdi (F) die Aufgabe hat, die Menschen hinsichtlich ihrer religiösen Pflichten zu lenken.

Das Gesellschaftsleben bedarf ebenso wie die persönliche geistig-seelische  Vervollkommnung des Einzelnen eines umfassenden und perfekten Gesetzes. Ebenso werden gerechte Verwalter und Kräfte erforderlich, die die Gesetze umsetzen, das Wohl der anderen wollen und rechtschaffen sind.

 

Gott hat, wie wir sagten, das Konzept – sozusagen den Fahrplan – für ein glückliches Leben der Menschheit mittels seiner Gesandten unterbreitet, und auf der letzten und höchsten Stufe  hat Prophet Mohammad (S) allen Menschen das endgültige Konzept in Form des Islams überbracht.

Es liegt auf der Hand, dass die Gesetze und Gebote, für deren Verkündigung, Verbreitung  und Umsetzung der Prophet des Islams sich 23 Jahre lang unter großen Mühen eingesetzt hat, nicht für eine begrenzte  besondere Zeit und eine bestimmte Zahl von Empfängern bestimmt waren. Zu ihren Lebzeiten hatten der Prophet des Islams und die Makellosen Imame als lebendiges Beispiel für einen idealen Menschen die Aufgabe, die Muslime zu leiten, worüber wir in den vorhergehenden Beiträgen näher gesprochen haben.

Zuletzt haben wir dann über den Imam der Zeit als den letzten Imam und den Retter der Menschheit berichtet und außerdem das Warten der Welt auf sein Hervortreten aus der Verborgenheit.

Die Frage ist nun  an wen sich die Menschen in der Ära der Verborgenheit des Imam Mahdi (F) mit ihren Religionsfragen wenden können. Nach wem sollen sie sich  richten?.

            

Wenn wir das Leben der Edlen Imame betrachten sehen wir, dass sie großen Wert auf die Ausbildung von Gelehrten legten, die die Usul – die Grundlagen des Glaubens – und die Detailfragen der Religion kennen.   Es mussten Gelehrte sein, die die Gebote des Islams aus dem Heiligen Koran und aus der Vorgehensweise des Propheten und der Imame ableiten können. Diese Gelehrten überbrachten  die Islamische Lehre auch an die entlegensten Orte. Über die Bedeutung der Lehre und Gebote des Islams hat Prophet Mohammad (S) gesagt: „...Wenn einer unserer Anhänger mit unserem Wissen vertraut ist, muss er denen, die unsere Regeln nicht kennen, Anleitung geben und sie die Gebote der Religion lehren. Dann wird er im Paradies in unserer Gesellschaft sein.“

 

Zu Lebzeiten der Imame war es bereits üblich, dass sich die Menschen bei den Rechtsgelehrten und den Hadithkundigen informierten. Zum Beispiel lebte Imam Sadiq (Friede sei mit ihm) in Medina, während die Menschen in Merw, dem  damaligen  nordostiranischen Chorasan oder in anderen weit entfernten  Städten sich persönlich nicht an den Imam wenden konnten und daher die Antwort auf ihre Fragen bei den Hadithkundigen in ihrer Gegend einholten. 

Zu Lebzeiten der Imame waren diese Religionsgelehrten aktiv auf dem Schauplatz des Geschehens zugegen. Sie stellten im Bereich des Wissens eine Verbindung zwischen dem Imam und der Bevölkerung her. Die Imame baten die Gläubigen, sich an diese Gelehrten zu wenden, um bei ihnen Religionswissen zu erwerben.

Aber in der Zeit der Großen Verborgenheit war und ist keinerlei Kontakt zum Imam mehr möglich und daher hat in dieser Zeit die Rolle der Religionsgelehrten deutlich an Bedeutung gewonnen.  Diese Gelehrten müssen handfestes Wissen über die Überlieferung besitzen und die Gebote des Islams aus dem islamischen Quellen ableiten können. In der Überlieferung wird den Menschen anempfohlen sich in der Zeit der Verborgenheit Imam Mahdis (möge Gott sein Erscheinen beschleunigen) auf der Suche nach Wissen an diese Gelehrten und die Hadithkundigen zu wenden. 

In diesem Zusammenhang hat Ishaq ibn Yaqub folgendes Zitat vom Imam der Zeit (F) übermittelt:

„Wendet euch bei den Vorkommnisse im Laufe der Zeit an die Überlieferer unserer Worte, denn sie sind mein Beweis für euch und ich bin der Beweis Gottes (für sie).“

Die Ableitung von religiösen Geboten aus den Urquellen der Religion ist keine Angelegenheit von Laien und daher muss sich die Allgemeinheit an rechtschaffene Rechtsgelehrte wenden, die Meister auf dem Gebiet des Religionsrechtes und der Regeln und Lehre des Islams  sind.  Imam Sadiq (F) hat in diesem Zusammenhang gesagt: „Es ist eine Pflicht der Menschen demjenigen unter den Rechtsgelehrten zu folgen, der sein Ego im Zaum hält, seine Religion behütet, sich gegen seine egoistischen Wünsche stellt und Anweisung gibt zu den Befehlen seines Herrn (Gott und die Gottesfreunde).“

Es leuchtet ein, dass jemand einem Faqih – einem Rechtsgelehrten - mit diesen Eigenschaften folgt, der selber nicht die Kompetenz und das Spezialwissen zum Idschtihad – zur selbständigen Ableitung von islamischen Geboten besitzt. Dabei kann es sich durchaus bei diesem Befolger um jemanden handeln der auf anderen Gebieten ein Fachmann ist. Zum Beispiel ist ein Facharzt der nicht in der Lage selbstständig auf dem Gebiet der Islamwissenschaften Regeln abzuleiten , darauf angewiesen, sich in dieser Hinsicht nach dem Vorbild eines geeigneten Faqih  zu richten.  Umgekehrt würde sich ein hoher Rechtsgelehrter  in medizinischen Fragen auch nach dem Arzt richten. Dies ist eigentlich eine selbstverständliche Sache.

Zu Lebzeiten und während der Gegenwart der Imame, konnten alle direkt oder über einen Dritten die Antworten auf ihre religiösen Fragen beim Imam einholen und in der Regel erfuhren sie bald, wie sie sich verhalten sollen.  Während der Verborgenheit des Imams sieht es anders aus. In dieser Zeit müssen die Leute vom Fach sachkundig anhand der  vorhandenen Überlieferungen die religionsrechtlich korrekten Lösungen für neue Probleme finden. In einer solchen Zeit sind daher die gottesfürchtigen Rechtsgelehrten und Hüter der Religion verantwortlich für die Erklärung der religiösen Regeln.

      

Das Wort Fiqh bedeutet im allgemeinen Sinne „Einsicht“ und „Wissen“ und im engeren Sinne „genaue Kenntnis  der Religionswissenschaften und der göttlichen Gebote und die Fähigkeit sie abzuleiten“. Ein Faqih ist also ein Gelehrter, der sich auf die Islamwissenschaften spezialisiert hat und eine solche Kompetenz in der Ableitung von Geboten und der Lehre der Religion erworben hat, dass er die islamischen Regeln zu verschiedenen Angelegenheiten aus den Quellen gewinnt und erkennen kann, was aus der Sicht der Religion Halal und Haram ist – also erlaubt oder nicht erlaubt. Dieser Rechtsgelehrte muss fähig sein, auch hinsichtlich von Erscheinungen, die es in der Zeit des Propheten und der Imame noch nicht gab,  ein religionsrechtlich geeignetes Gutachten dazu auszustellen.

Wie auch immer: In der Zeit der Verborgenheit des Imam Mahdi (F) sind die gottesfürchtigen kompetenten Rechtsgelehrten wie Lichter, die in Vertretung des Imam der Zeit mit der  Führung der Muslime und mit der Aufgabe betraut sind , ihnen ein  Vorbild der religionsrechtlichen Nachahmung zu sein. Sie sollen nach besten Kräften die Gesellschaft in Richtung der islamischen Ziele lenken.

In Wahrheit sind die großen islamischen Religionsgelehrten immer jene spezifische Schicht gewesen, die auf dem Gebiet der  Lehre und der Charakterveredlung und Rechtleitung die Grenzen der islamischen Überzeugungen und Werte   schützten.  In jeder Epoche haben sie als Redner und Prediger und mit ihren Büchern und Schriften und der Gründung von Theologischen Kreisen ebenso wie mit ihren Disputen mit Gegnern und Anführern atheistischer Ideologien große Schritte zur Verbreitung und Darlegung der Lehre des Islams gemacht. Das Wissen der rechtschaffenen und weisen Religionsgelehrten  über den Koran, den Propheten und das Prophetenhaus kam bereits vielen Wahrheitssuchenden zugute.

Die großen Gelehrten des Islams haben erheblich dazu beitragen, die Religion von Abweichungen und Ketzerei reinzuhalten. Der Prophet (S) hat gesagt: „Immer wenn Ketzerei unter meinem Volk erscheint, ist es Aufgabe der Gelehrten, ihr Wissen offenzulegen und den Kampf gegen die Ketzerei anzutreten, damit die Menschen diese Ketzereien kennen und nicht in die Irre geführt werden.“

Seitdem die Große Verborgenheit  des Imam der Zeit (F) begonnen hat, haben opferbereite Gelehrte nichts unterlassen um Abweichungen  zu bekämpfen und dafür sogar ihr Leben riskiert.

Im Zeitalter der Großen Verborgenheit spielen die angesehenen Rechtsgelehrten eine bedeutende Rolle für die Behütung des großen Erbes an Islamischen Wissens und sie waren immer darum bemüht, zu zeigen, dass der klare Weg des Islams der beste für das menschliche  Wohl ist.

 

Während Imam Mahdi (F) sich in der Verborgenheit aufhält, strengen sich versteckte und offene Schayatin (Satane) an, die Grundlagen des Glaubens der  Muslime zu zerstören und den Menschen den Glauben zu rauben. Aber immer wenn Unwissenheit und Aberglauben wie düsteres Gewölk ihre Schatten über die Islamische Gemeinde warfen, haben  zeitbewusste Gelehrte den Schauplatz betreten um sie zu bekämpfen.

Imam Hadi (F) sagt:

„Falls es während der Verborgenheit des Qaim (Aufständischen) keine Gelehrten geben würden, die sich nach seinem Erscheinen  sehnten und die Menschen in seine Richtung lenkten und seine Religion mit handfesten Argumenten verteidigten, und diejenigen, die schwachen Glaubens sind vor Iblis (Satan) und seinen Anhängern ...retten würden,  dann würde niemand mehr an der Religion Gottes festhalten und alle würden abtrünnig werden...“

Imam Hadi (F) fährt fort: „Sie nehmen die Führung der Herzen in die Hand, so wie der Kapitän eines Schiffes das Steuer festhält. Daher sind sie die besten Menschen vor Gott.“

                  

Die wissenschaftlichen,  nach Gott ausgerichteten Anstrengungen der Religionsgelehrten im Laufe der Geschichte gingen mit vielen Selbstopfern einher.  Was wir heute an Islamwissenschaften vor uns haben – von der Rechtslehre, der Koranexegese, der Scholastik und Philosophie und Ethik ist die Frucht des dschihadhaften Einsatzes großer Denker auf dem Gebiet des Religionswissens.

Die Religionsgelehrten haben in der Geschichte zwei große Beiträge geleistet. Zum einen haben sie die Inhalte der Islamwissenschaften aus den wichtigsten Quellen nämlich Koran und der Sunna (der Vorgehensweise des Propheten) abgeleitet und kategorisiert. Außerdem haben sie zweitens alles dafür getan, um die Usul und Furu – die primären und sekundären Prinzipien der Religion vor Verfälschung und eigenwilliger Auslegung zu schützen.

Beim nächsten Mal möchten wir über die Wilayat-e Faqih und die Bildung einer Islamischen Regierung in der Zeit, in der der Makellose Imam sich im Verborgenen aufhält, sprechen.